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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 157)

angewandte Kunst hat man das heimische Ge- 
brauchszinn fast gänzlich abgestoßen. Ob also 
die große Zahl von 363 Meistern und 119 Witwen in 
Wien (eine Übersicht von Adolf Mais liegt vor, 
allerdings ohne Steuerieistung, Hausbesitz etc., ja 
ohne Anführung erhaltener Werke, wie etwa des 
signierten Sarges von Som in der Kapuzinergruft) 
spezifische Formen für Krüge und Kannen ge 
braucht hat, wird erst durch den Sammierfleiß von 
Privaten oder von Museen festgestellt werden 
können, wenn die erhaltenen Werke nach dem in 
der Großstadt und ihrem Sog noch stärkeren Tra- 
ditionsbruch (rascherer Wechsel von Zinngeschirr 
auf Porzellan) und nach verschiedenen Metall- 
sammiungen noch genügend Vergieichsmateriai 
bieten. 
im 16. Jahrhundert bemühten sich auch die Tiroler 
Zinngießer um plastische Gestaltung ihrer Pro 
dukte. Wenn man bei Stefan Jenbacher (tätig 
1540-1580) beanstandete, daß er seine Ware nach 
dem nGesicht-r, also nach dem Aussehen, nach 
der künstlerischen Leistung und nicht nach dem 
Gewicht verkaufte, dann hat er wohl Edeizinnar- 
beiten eines Horchaimer, ja vielleicht sogar Briot 
nachgeahmt. Nur von Jakob Haase (1630-65) sind 
Teller mit reichem ornamentaiem Reiiefdekor er- 
halten. Nikolaus Jenbacher (1532-97), der Sohn 
Stefans, 1573 sogar zum Hofzinngießer in Inns- 
bruck bestellt, verfertigte große Teller mit gravier- 
ten Arabesken. Das wird der Grund sein, warum er 
auf einem schönen Porträt mit einem Zirkel in der 
Hand abgebildet ist - übrigens das älteste Bild- 
nis eines Zinngießermeisters in Österreich. 
Auch in Wien waren Hofzinngießer tätig, so Georg 
Graff, der 1612 Zinngeschirr für die königliche 
Hochzeit (am 4. Dezember 1611 hatte sich Mat- 
thias mit Erzherzogin Anna vermählt) und 1618 so 
wie 1629 weitere Arbeiten für den Hof geliefert 
hatte, Georg Khainer (+ 1644), beschäftigt 1633, 
und Loth Som (tätig 1668-1680) führten ebenfalls 
diesen Titel. DaB 1629 für die Hochzeit Ferdinands 
des lll. Aufträge für die Anfertigung von Zinngerät 
auf Silberart ergingen, beweist die Herstellung 
reich dekorierten Edelzinns auch in den habsbur- 
gischen Ländern. Zuerst sollte nur in Böhmen 
nach bestimmten Mustern gearbeitet werden, 
dann wurde der Befehl dahingehend abgeändert, 
nur einen Teil in Böhmen zu machen, aber zehn 
Zentner Schlackenwalder Zinn nach Wien zu lie 
fern, weil die Geschirre dort hergestellt würden. 
Die Form der Teller und Schüsseln folgte der aiige 
meinen Mode mit dem breiten Rand (16.Jahrhun- 
dert, vKardinalshutu). Mit Wappen oder inschrlften 
hat man den Besitzer bezeichnet, wie ein Stück 
der Äbtissin von Göß im Österreichischen Mu- 
seum für angewandte Kunst zeigt. interessanter 
ist die Frage, ob es auch gehämmertes Zinn In 
Österreich gibt. Von J. Mansrieder (Linzer Meister 
1683) stammt eine wgeschiagenerr Schüssel, die 
mit Hilfe einer Holzform aus einer Zinnplatte her- 
ausgetrieben scheint. Ein anderes Stück(beide im 
Stift St. Florian) wirkt nnachgehämmertk, also of- 
fenbar im Guß- oder Drehverfahren hergestellt, 
wobei der Übergang zum Rand scharfkantig wird 
und am äußeren Rand ein Profil eingedreht wer- 
den kann; auf der Rückseite ist jedoch wie in Eng- 
land oder Frankreich ein "Nachhämmernu fest- 
zustellen. Nur gutes Zinn verträgt diese Be- 
handlung! Bei gravierten Tellern ist wegen fest- 
zusteiiender späterer Gravur große Vorsicht gebo- 
ten; mit solchem Nachverzieren will man den Wert 
eines einfachen Zinntellers beträchtlich steigern! 
Der große Bedarf an Zinngegenständen rief frem- 
de Hersteller und Händler auf den Plan. Die Wie 
ner Zinngießer beklagten sich schon 1475 beim 
Fiat der Stadt über die Händler von Nürnberg und 
anderen Orten, welche Zinnwerk auch außerhalb 
der Jahrmärkte verkaufen wollten; dies war ihnen 
jedoch nur zur Zeit der zwei Jahrmärkte zugestan- 
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den. Auch in Wiener Neustadt durften die fremden 
Zinngießer laut Ratsbeschluß vom 12.Juli 1564 
nur an Jahrmärkten, nicht mehr an Wochenmärk- 
ten ihre Ware feilbieten. Der Entwurf zur Zinngie 
ßerordnung für Oberösterreich (1800) wendet sich 
gegen wdie auslendischen maistern als von Pas- 
sau, Regenspurg, Nürnberg und andern orthen, 
welche mit neuer arbeit auf die befreyte märckht 
hereinfahren und vill zentner alt zün aufkhauffen, 
eintauschen und aus dem land verfüehren, ja auch 
gar etliche burgersleuth im lannd das alte zinn 
hauffenweis auffkhauffen und ausser lands 
frembden und auslendischen maistern zuschick- 
hen und verhandeln-t. 
Zwei Fundkomplexe geben Auskunft über die Be- 
deutung des Zinngeräts für den Haushalt des 
17.Jahrhunderts, über Wertschätzung und Obsor- 
ge, die man diesem angedeihen ließ. im Jahre 
1883 entdeckte man in Poysdorf beim Umbau ei- 
nes Hauses einen eingemauerten i-Schatzu, beste 
hend aus schöner gepflegter Wäsche und Klei- 
dern, einer kleinen Bibliothek, die für den Bil- 
 
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dungsgrad des Besitzers spricht, sowie drei breit- 
randigen Zinntellern und einer sogenannten Lava- 
bokanne mit Becken, verfertigt vom Linzer Zinn- 
gießer Georg Hämbi. Die Einmauerung könnte mit 
den Ereignissen um oder knapp vor der zweiten 
Türkenbelagerung in Verbindung stehen, der Be 
sitzer war vermutlich ein kaiserlicher Offizier na- 
mens Lambert Knöii. Der Fund wurde von einem 
Poysdorfer Bauern auf den Gemüsemarkt nach 
Wien mitgenommen, durch Zufall konnte ein ver- 
ständnisvoller Sammler, der Lederhändler Josef 
Salzer, ihn geschlossen erwerben, der ihn später 
dem Niederösterreichischen Landesmuseum in 
Wien überließ. Das oberösterreichische Gegen- 
stück zu diesem Poysdorfer Fund ist das 1907 bei 
baulichen Veränderungen in einem Hause in 
Schwanenstadt zum Vorschein gekommene um- 
fangreiche Lager von Hausrat, das wertvolle, 
meist Augsburger Silberarbeiten, Keramik, vene- 
zianisches Glas, prachtvolle Textilien sowie eine 
bedeutende Anzahl von Zinngegenständen ent- 
hielt. Eine Schraubflasche rührt vom Linzer Zinn- 
gießer A. Pamberger (1656-92) her, die schönsten 
Arbeiten sind dem bedeutenden Weiser Meister 
H. Ledermayr (1627-69) zuzuschreiben: ein Braut- 
krug mit figuraler Gravierung, zwei einfache Zinn- 
humpen, 23 Zinnteller mit Monogramm, eine wei- 
tere Schraubflasche, ein Nachtgeschirr und ein 
zinnernes Milchsaugfiäschchen. Besonders 
fein gravierten Stücke weisen kaum Gebrau 
spuren auf, dienten daher nur zu Dekorations- 
Flepräsentationszwecken. Auch hier wird a 
nommen, daß (aus unbekannten Gründen) 
Hausrat bald nach 1671 von Frau Sophie Prz 
ner - in erster Ehe mit dem Schwanenstä 
Wein- und Leinwandhändler Paul Pierstl verh 
tet - versteckt worden ist. Durch die gute E 
tung sowohl der Textilien als auch der Mete 
genstände stellt der "Schwanenstädter F 
heute noch ein wichtiges Schaustück des C 
österreichischen Landesmuseums im L 
Schloß dar. 
Zinn übte auch auf Diebe und Plünderer eine 
ziehungskraft aus, wie wir aus Grimmelshau 
Simpiicissimus wissen. 1692 bekannte einer l 
vielen Vergehen vor dem Landgericht Hollen 
auch den Diebstahl einer "zinnernen V 
flascheu. Dies war - wie es in den Weistüi 
festgelegt ist - immer ein Delikt, das vor 
Landrichter gehörte, nicht vor die Grund 
schaft (OÖ. Weistümer 3, 352, 354). 
Nur in großen Zentren bestanden eigene Zu 
menschlüsse der Zinngießer. Selbst in Nürn 
wo es im 16. Jahrhundert 159, im 17. 98 Zinng 
gab, war es keine Zunft, sondern ein lIGESChi 
nes Handwerk-t. in Österreich mußten sich c 
Städten und Märkten tätigen Meister zu wer 
migen Organisationen zusammenfassen ia: 
die oberösterreichischen Zinngießer gehörte 
Linzer, die steirischen zur Grazer Lade. Die W 
Hauptlade forderte z. B. 1776 den Fiat der i 
St. Pölten auf, daß der dortige Meister "sich 
gleich incorporiren zu lassen ernstlich verh 
werden sollen. in Oberösterreich haben sic 
wichtige Quelle zwei Protckoiibücher, das eir 
ginnend 1596 mit Eintragungen bis 1674, das 
te mit einer fast vollständigen Abschrift des 
ren Buches und Fortsetzung der Verzeichnis: 
1773, erhalten, die Archivalien der Grazer 
umfassen die Jahre 1644 bis 1846. 
Auf einem Silberschild der Truhe der Wiener 
gießerzunft wurden 1674 die Zinngießer N. 
perfueß, J. Lutzenberger, H.P. Rauch, C. Mai 
T. Manhardt und Chr. Rötter genannt. Ein F. 
cekrug der Wiener Zinngießerzunft von 1789 
einer Privatsammlung erhalten geblieben. Di 
malung zeigt einen Engel vor einem Jünglin 
Wanderstab und Bündel, auf dem Zinndecke 
Wappen mit Geschützrohr, Glocke, Zinnkann- 
Zinnkrug, in der Helmzier eine an einer Kette 
gende Zinnkanne; auf dem zinnernen Lippei 
sind die Namen A. Wimmer, J. Krantzberge 
F. Panbier sowie die Jahreszahl eingraviert. 
Auch die Siegel des Zinngießerhandwerks b 
sen die ursprüngliche Zusammengehörigke 
Metaiigußgewerbe. Da sind doch auf dem fri 
rocken Siegel des Handwerks der ZinngieE 
Österreich ob der Enns zwei Kannen, ein Gesl 
und eine Glocke abgebildet, ebenso auf dem 
ner Siegel. Ähnlich war es im Salzburger i 
werk - und dort ist Jörg Gloppitscher, eine 
besten Giockengießer des Spätmittelalte 
Österreich, 1441 als Zinngießer aufgenor 
worden. Dieselbe Gießhütte übernahmen 145 
Zinngießer Joachim Perndorffer und Meist: 
hart iivom Weegß (+ 1514), der alierding 
Goldschmied 1486 das Bürgerrecht in Salzbi. 
halten hatte! 
Mit Burghausen bestanden Beziehungen, de 
tige Giockengießer Heinrich Apel soll ein 
des Salzburger Zinngießers Stephan Habel 
' 1431) gewesen sein, beim Giockengießer M- 
Hans Schuspeck in Burghausen arbeitete di 
Sohn, der Zinngießer Christoph Schuspecki 
45), mit. Erasmus Haydel, Zinngießer zu Lien; 
1451 eine Glocke und 1459 ein Geschütz. 
in Wien vermachte Uiricus von Judenburg st
	        
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