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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 158)

Rudolf von Strasser 
Ein Epilog zur Veröffent- 
lichung der Einschreibe- 
büchlein des Wiener Glas- 
und Porzellanmalers Anton 
Kothgasser 1769- 1851 
Eine banale, aber deswegen nicht weniger gültige 
Observation möge am Eingang dieser Ausführun- 
gen stehen: Es ist verblüffend. wie schnell histori- 
sche Zusammenhänge und Einzelheiten in Verges- 
senheit geraten, und zum anderen - wie leicht es 
sich die Zeitgenossen machen, das Profil eines 
Künstlers nach ihrem eigenen Wohldünken zu for- 
men. 
Seit dem Tod Anton Kothgassers sind etwa 125 
Jahre vergangen, seit der fruchtbarsten Schaffens- 
periode seines Lebens 1820-1830 etwa 150, Das 
sind bis auf unsere Tage 3-4 Generationen. Die En- 
kelkinder des Künstlers, Frau Günther-Probst und 
ihr Bruder, der Maler Karl Probst, stellten noch 1922 
auf der großen Wiener Gläserausstellung Arbeiten 
des Großvaters aus. Sie waren auch die Besitzer der 
von mir bearbeiteten vier Einschreibebüchiein ihres 
Großvaters. die als v-Kothgassernachlaß-r 1934 über 
das Wiener Buchantiquariat V. A. Heck in den Besitz 
des Glassammlers Josef Maler gelangten. Sie müs- 
sen daher wohl zahlreiche biographische Details. 
das Leben ihres Großvaters betreffend, gekannt ha- 
ben, Trotzdem ließen unsere Zeitgenossen ein eher 
verzerrtes Bild dieses liebenswerten Wiener Glas- 
und Porzellandekorateurs entstehen. Verzerrt, denn 
Kothgasser war nicht - wie man das heute vielfach 
annimmt - eine einsame, alles überragende Künst- 
lerpersönlichkeit auf dem Gebiet der Glasdekora- 
tion - sondern seit 1820 ein dominierender Faktor 
innerhalb einer in größeren Serien arbeitenden Ge- 
schenkartikelerzeugung. Wohl dominierend, da er 
iavon den Mohns die Technik des Malens mitTrans- 
parentfarben erlernt hatte (Gottlob Mohn stirbt 
1825), aber nichtsdestoweniger bloß ein sehr wich- 
tiges, vielleichtdaswichtigste Glied in einervermut- 
lich von der Wiener Porzellanmanufaktur organi- 
sierten Nebenerwerbslinie: der Glasdekoration. 
Sein Arbeitsgebiet umfaßte nicht bloß die Bemalung 
von Bechern und Platten (fallweise Fenster). die man 
als Geschenkartikel bezeichnen möchte, sondern 
auch das Dekorieren einer Vielzahl von Gebrauchs- 
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Anton Kothgasser. Glas "Stßtephanskirchen. Viele Gla- 
ser von Kothgasser sind mit -Stephanskirchen-- und 
vKartenblätternß bemalt. 
Anton Kothgasser, Allegorischer Ftanftbecher mit der 
"VESDQYEHCG". Große Signatur Kothgassers 
Anton Kothgasser. Ranftbecher mit "Bienenkorbrr. Von 
Kothgasser ab 1819 abgerechnet. 
Anton Kothgasser, Ftanftbecher wMädchen mit Rosen- 
korbw. Von Kothgasser ab 1815 abgerechnet. 
Wiener Porzellan. Tasse und Schale mit "Sonne und 
Mond-a Beispiel für die Gleichartigkeit der Motive von 
Glas- und Porzellanmanulakturen. 
Anton Kothgasser, Ftanftbecher mit -+Mond--. 
Anton Kothgasser, Flanftbecher mit ßlnnenansicht der 
Wiener Synagogerr. Zwei im Schulriedbüchlein abge- 
rechnet. Vermutlich von Jakob Schufried 
Becher mit wVogel zwischen Flanken" auf schwarzem 
Grund. Vielleicht bemalt von Georg Lamprecht 
Anton Kothgasser. Ranftbecher mit "Karten". von Koth- 
gasser signiert. 
artikeln: Thermometer, Service und Schankgefä 
Apothekergefäße, Behälter für Parfümerieprodu 
(ß-Fiosogliogläser"), Salztässer etc. Denn das 19. 
stellte dem Künstler nicht bloß Aufgaben, die sicl 
der Befriedigung eines Bedarfes an abstrak 
Kunstobjekten erschöpften, sondern auch pra 
sche, funktionelle Probleme, die im Interesse ei 
langsam wachsenden konsumorientierten Ges 
schaft zu lösen waren. Diese Feststellungen las: 
sich aus dem Studium der Einschreibebüchl 
Kothgassers. die-alsAnnexzu meiner Publikatic 
im Wortlaut veröffentlicht wurden, unschwer erf 
ten. 
Schon im ersten auf uns zugekommenen Einsch 
bebüchlein. in dem Kothgasser Kommissionsart 
ten mit der "Nürnberger Handlung zur Goldei 
Lampe-r des Leopold Schadibauer am Stepha 
platz abrechnet, finden wir diese Zweiteilung. l 
Büchlein reicht vom April 1815 biszum Mai 1822i 
verrechnet insgesamt 179 Kunstgläser und etwa 
Gebrauchsartikel. In drei weiteren Büchlein, 
etwa bis zum Jahr 1830 reichen, sind etwa 10.i 
Glasdekorationsarbeiten abgerechnet, davon zi 
4000 an Gebrauchsartikeln. 
Wesentlich für die Untersuchung der Funktion 
die Kothgasser im Bereich der Glasmalerei ausül 
ist jedoch die Tatsache, daß unser Künstler bloE 
ersten Einschreibebüchlein mit der Goldei 
Lampe fertige Gläser verrechnet, die er in Komn 
sion gibt und fürdie er nach Verkauf bezahlt wirc 
den weiteren drei Einschreibebüchlein: "Ha 
scheck1820", weitersi-Ein Schreib Büchel(lür)d 
Herrn Von Hablischek- 1823 den Qten Meyw so 
"Hablischech ein Schreib Büchel- 1826 im Jänuz 
erfolgt die Verrechnung nur mehr für ausgefüf 
Teilarbeiten an Gläsern: Für Bemalungen. 
schriftungen, für r-Konturirenr- (wohl Anfertigi 
von Bordüren oder wstupfenu (vermutlich die Prä 
rierung von Fonds oder Grundierung). Es muß a 
eine vorgesetzte Autorität existiert haben, die 
Gesamtproduktion organisiert und die Arbeits 
lung verfügt hat. 
Wir können lüglich nur bisca. 1820 von Hausmalr 
Kothgassers sprechen und seine fast unein 
schränkte Autorenschaft annehmen. Nach 1820 i 
Kothgasser offenbar ein wichtiger Faktor in ein 
auf Arbeitsteilung aufgebauten Arbeitsprozeß 
Dekoration von Gläsern und liegt es nahe, in 
Wiener Porzellanmanufaktur den eigentlichen F 
traggeber und Unternehmer zu vermuten. Jedr 
hat Kothgasser vor 1820 wohl noch für andere Ä 
traggeber gearbeitet, und es geht aus dem Studi 
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