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befindliche Kapelle überdeckenden, geschweiften Laternenkuppeln und sonstigen kleinen
Thürmchen erinnert sie äußerlich an die Kirche des Theodosius-Klosters in Kiew.
Es drängt sich uns nun die Frage auf: Welchen Umständen ist die erörterte
eigenartige Verquickung vollständig heterogener Cvnstructions- und Formenelemente zu
verdanken und welche sind die Baumeister und Werkleute, die an der Herstellung dieser
Bauten betheiligt waren? Zur Beantwortung dieser Doppelfrage stehen uns nur
verschwindend wenige directe Daten zur Verfügung. In der Vorhalle der Klosterkirche
Dragomirna liegt ein alter, schwer entzifferbarer griechischer Jnschriftstein, aus welchem
man den Namen des Architekten Dima ans Nicomedien herausfinden wollte. Von der
im Jahre 1584 errichteten Christi-Himmelfahrtskirche zu Jassy wird Peter oder Mirczan
Skop als Baumeister genannt, während uns über den Baukünstler, der zu Beginn des
XVI. Jahrhunderts von Neagu-Wvda gestifteten, eigenartig veranlagten und mit maurisch
byzantinischen Schmnckformen aufs reichste ausgestatteten Kurtea de Ardzesz — den
Spanier Emanuel Gomez oder Manoli — nur die durch die königliche Dichterin Carmen
Sylva so herrlich dramatisirte Legende erzählt. Wir wissen im Übrigen noch, daß, wie
schon Rom hauptsächlich nur griechische Künstler beschäftigte, namentlich auch Kaiser
Justinian zur Bewältigung der zahlreichen Bauten in Byzanz und im ganzen oströmischen
Reiche in der Kunst geübte und in allen technischen Wissenszweigen bewanderte Construc-
tenre, sowie Werkleute aus Griechenland und Kleinasien berief. So erbauten insbesonders
das kühnste und reichste byzantinische Denkmal, die Sophienkirche, Anthemios von
Dralles und Jsidoros von Milet. Auch die georgischen Bauten werden vielfach griechischen
Künstlern zugeschrieben, wie von jeher auch die in Griechenland und auf der Balkan
halbinsel zerstreut wohnenden Zinzaren als tüchtige, in der Fremde sich verdingende
Bauleute des byzantinischen Stils bekannt waren. So werden es also auch in der Moldau
und Bukowina wohl nicht einheimische, sondern aus südlichen Gegenden berufene Bau
künstler gewesen sein, welche die Kirchen, wenigstens die älteren derselben, errichteten oder
planten. Nun zeigt das moldauisch-byzantinische Gotteshaus in seiner Grundgestalt die
größte Übereinstimmung mit den auf der lediglich mit Klöstern und Skiten besetzten
Athosinsel befindlichen Kirchen, welche, ebenfalls nur klein, blos den Unterschied zeigen,
daß die Kuppel auf vier Säulen oder Pfeilern ruht und Prothesis und Diaconicon
verhältnißmüßig größer und apsidenartig gegen Osten ausgebaut wurden. In der Kirchen
malerei aber, sowie in den Kleinkünsten, herrscht, wie wir später sehen werden, sogar voll
ständige Gleichheit mit der bezüglichen Kunst des Athos. Die moldauisch-byzantinischen
Kirchen verdanken demnach unstreitig ihre typische und streng liturgische Anlage der alten,
seit dem X. Jahrhundert bestehenden Kunststätte auf dem „heiligen Berge Athos", mit welcher
die hiesigen Klöster in innigem Contacte standen, wenn nicht sogar, wie wahrscheinlich,