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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 159)

. Österreichisches Museum für angewandte Kunst 
Blickpunkte 
Mit Vollendung seines Direktoren-Dezenniums am 1.1.1978 
erreichte w. Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mazek fast die 
Aitersgrenze. Am 21. Juli 1978 feierte er seinen 65. Ge- 
burtstag - zum Anlaß wird die i-alte und moderne kunst-r. 
Zeitschrift des Hauses. das kommende Heft 1601161 
widmen - zu dem er alle Angehörigen des Museums zu 
bescheiden-feierlichen Umtrunk lud. Bei dieser Feier an 
einem dienstlichen Vormittag markierte ein Direktor 
knapp aber freimütig sein Leben. Wie er es eigentlich 
von früh an schon nicht leicht hatte. der Landbub. später 
Lehrer, Soldat. Kustos und Direktor des Österreichischen 
Museums für angewandte Kunst. Beschwcr damit noch 
einmal Zeit und Lebensumstände der ihm näheren Gerie- 
rationen herauf. Die unruhigen. politisch zerrisssenen. 
folgenschweren 20er Jahre. deren Tristesse. die durch 
Arbeitslosigkeit bedingte Ausweglosigkeit. Die opferhei- 
sehenden 30er Jahre mit Anschluß und Kriegsausbruch. 
Die harte Kriegszeit. 1945. den Wiederaufbau, die Phasen 
der allgemeinen Konsolidierung. Der amtierende Direktor 
war plötzlich, über das Postulat seines Amtes dem Ende 
seiner Laufbahn zu - einer Dekade voller Aktivitäten a. 
jedem nähergerückt. Schloß mit Dank und Anerkennung 
für die Mitarbeit aller und verwies. wie denn nicht anders 
bei ihm möglich. auf die zukünftigen Aufgaben des Mu- 
seums. Eine Feierstunde. die noch gar nicht nach Ab- 
schied aussah.- 
Allmählich tritt die Herbstsaison in ihre Rechte. Das 
Stammhaus bereitet dem Programm zufolge weitere Akti- 
vitäten vor. Erfreulicherweise konnte allen Kulturpessimi- 
sten zum Trotz im Bereich der Bundesmuseen eine deut- 
liche Steigerung der Besucherzahlen festgestellt werden. 
Jetzt. im Spätsommer. bei Gängen durchs Haus ist eine 
Belebung spürbar. vor allern durch internationale Gäste. 
Auch in den provinzlichen Reservaten. sprich Außenstel- 
len. scheint man von der Dichte der allgemeinen kulturel- 
len Bestrebungen im Umland Wien und Niederösterreich 
zu partizipieren. 
Neben den laufenden Ausstellungen i-Fritz Ftiedl Bild- 
teppiche- und wChinesische Kunst - Sammlung nig 
Gustav VI. Adolf von Schweden-r. "Herrn Biedermeiers 
Wunschbillettß. Hugo F. Kirsch -Jugendstil - Glas und 
Möbel" gab es am 30. Juni 1978 die Schlußfeier der 
Hochschule für angewandte Kunst für die heuer abge- 
henden Schüler. in Vertretung S.M. Johannes Spalt. dem 
amtierenden Rektor. verabschiedete Prof. Fritz Weber die 
Diplomanden. Novität und Bereicherung. eine musikali- 
sche Umrahmung. recte Sponsion der Magistri archilec- 
turae 8. artium. Höhepunkt dieser Weihestunde: die Ver- 
leihung der Preise der Stadt Wien sowie des Preises des 
Landes Niederösterreich. 
Ein verdienter Restaurator des Museums. Fachoberin- 
spektor Friedrich Steiner. soll hier anläßlich seines Ab- 
ganges gewürdigt werden. Er diente dem Hause gut und 
gern ein halbes Menschenalter. entwickelte sich aus ein- 
fachen Anfängen heraus zum Spezialisten. den man in 
Sachen Konservierung und Restaurierung von Metallob- 
jekten stets mit Erfolg konsultieren konnte. Profunde 
Sach- und Materialkenntnis machten ihn zu einer Stütze 
des Museums. die auch höherenorts Anerkennung fand 
und ausgezeichnet wurde. 
Verschiedentlich wachsen neuerlich "auswärtige-i Aufga- 
ben des Museums bzw. Ausstellungsbeteiligungen heran. 
im Rahmen eines neuen Kulturabkommens wird es 
197911980 nach der Biedermeier-Ausstellung in London. 
möglicherweise im Anschluß. die gleiche Ausstellung in 
Frankreich. Paris geben. -Klimt. Schiele- in Paris. später 
vermutlich in Den Haag. wFinnischer Konstruktivismus-u 
aAustralisches Kunstgewerbe-r. i-Design aus Dänemark". 
-Wiener Porzellan-i. ßKolo Moser- sind einige weitere 
Projekte und Themen. 
Für das Museum in Aussicht. ist eine interessante Neu- 
erwerbung. Ein sehr rares Objekt. Ein Tafelaufsatz von 
Hahn. Wien 1794. Die an solchen Stücken noch aufnah- 
mefähige Sammlung des Hauses wäre dadurch berei- 
chert. l.n. 
 
Franka Lechner 
Bildteppiche + Gouache-Collagen 
Katalog Neue Folge Nr. 49 
Altes Haus, Eitelbergersaal 
Wien 1. Stubenring 5 
10. 13.-30. 4. 1978 
(verlängert bis 15. 5. 1978) 
Franka Lechner, Tochter einer angesehenen. sehr aktiven 
Forscherin, der Direktorin des Wiener Volkerkundemu- 
seurns. Dr. Etta Becker-Donner. früh verstorben. ver- 
brachte ihre Kindheit in Südamerika. Wenn man di8 
Künstlerin und ihr Schaffen heute kennt. Stell! man sich 
unwillkürlich die Frage. wie weit diese erste. frühe Zeit 
als Kind in exotischer Umgebung. die Vorsteilungswelt 
und Phantasie beeinfiußte und bleibende Grundein- 
drücke hinterließ. Gerade im Hinblick auf Textilkunst be- 
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eindrucken solche Produkte aus den-südamerikanischen 
Zonen voller sinnlicher Farbenfreude den Europäer. 
Franka Lechners künstlerischer Ausgangspunkt nach ab- 
solviertem Studium an der Akademie der bildenden Kün- 
ste bei Professor Sergius Pauser. Klasse für Malerei. war 
die Collage. Jene moderne künstlerische Technik. deren 
vielfältige Eigengesetzlichkeiten immer schon bedeu- 
tende Künstler anzog. Auch Franka Lechner fand fürs er- 
ste so zum Collagieren. es wurde ihr Vorstufe zur heuti- 
gen bevorzugt-beliebten künstlerischen Tätigkeit. das 
Weben von Bildteppichen. Mit sogenannten Web-Colla- 
gen schuf sie sich Übergang und Brücke dazu. Alsbald 
erkannte sie den Webstuhl als unausschöpfbares Regi- 
ster und Instrumentarium. Auch sie packte das Abenteuer 
aus dem Entwurf in die völlige Freiheit des Endgestaltens 
im Weben aufzubrechen. Landschaften. Städte. Gärten. 
Archaisches und Antikes. Mythisches und kaum der 
Mensch. sind bevorzugte Themata. 
Eine Zeitlang beschäftigte sich die Kunstlerin. Mutter ei- 
nes Sohnes. sehr intensiv mit der Kinderzeichnung. Ge- 
neuer. mit der ihres Sohnes Christoph. Auch sie verlor 
sich in dieser Unbekümmertheit kindlicher "Künstler"- 
schaft. die keinerlei Farb- oder Formprobleme kennt. 
spontan aus kindlicher Phantasie. Erstaunliches zu Pa- 
pier oder auf die Leinwand bringt. Wer je Kinder bei ma- 
lerischen -Aktionen- am Werk sah. ist zumeist tief be- 
eindruckt. Vorn Ernst. der Hingabe. mit denen sie schaf- 
fen. lnstinktiv erspüren sie alles. von der kühnsten Per- 
spektive bis zum figuralen Part eines Tieres oder Men- 
schen. dem Kolorit einer Landschaft. Mit nachtwandleri- 
scher Sicherheit. Hier lassen sich Grundbezüge zur 
Kunst -Großer- herstellen. die unausschöpfbar sind. Das 
erkannte auch Franka Lechner und wollte es als Künstle- 
rin ven familiek verarbeiten. 
Die Bildteppiche Franka Lecnners spiegeln ihr Wesen. 
Nichts ist grell in ihrer Farbskala. nichts agressiv oder 
dissonant. wenngleich dynamisch. großzügig und durch- 
gestaltet bis ins feinste Detail. ihr -Morgenii öffnet viele 
Tore aus den Engen der Urbanitat In ausgewogen har- 
monischer Chromatik setzt sie hier als Beispiel für ihre 
anderen Arbeiten ein meisterlicnes Bild. Ihre -Archaische 
Landschaft- rafft das Wesen einer solchen zu echter 
lmagination. Daß sie sich dem Chaos. dem Bedrohlichen 
dieser Welt nicht verschließt. beweist sie in ihrer Collage 
"Zerstörte Stadt". Doch selbst hier. in dieser wirbeligen 
Turbulenz des Fallenden. Gestürzten. des Destruktivier- 
ten schlechthin vermeint man fast. Anti-Harmonie. uge- 
ordnetes Chaotisches" vor sich zu haben. 
Dr. Angela Völker. Leiterin der Textilsammlung des Mu- 
seums. richtete u.a. die Frage an sie. was sie heute am 
Weben interessiert? - Antwort Franka Lechners einfach: 
xEs fasziniert mich immer wieder. . .- Sie hat mit der 
Wahl des Webstuhls als künstlerisches Medium sich sel- 
ber fürwahr ein zutiefst elementares weibliches Bedürfnis 
gestillt. Die Urform weiblicher Tätigkeit. das einstige be- 
sinnliche Sitzen am Spinnrad. so gut wie erloschen. hat 
eine neue moderne Form. hat frische Ausdrucksmöglich- 
keiten im kreativen Wirken. hier Weben. erfahren. Franka 
Lechner philosophiert darüber. bringt Vorgang. Zeitab- 
lauf. tiefgehende künstlerische Intuition in ihrem Werk 
überzeugend zum Ausdruck. Ihre Ausstellung im Eitel- 
bergersaal. 14 Bildteppiche und 8 Graphiken umfassend. 
zuzüglich einer Kinderzeichnung. erreichte in lockerer 
Abfolge ausgezeichnete Wirkung und fand guten An- 
klang. 
Marianne Maderna 
Bronze. Glas, Malerei. Grafik. 
Design 
Katalog Neue Folge Nr. 50 
Altes Haus, Säulenhof 
Wien 1, Stubenring 5 
7. 4.-4. 6. 1978 
(verlängert bis 18. 6. 1978) 
ist Marianne Maderna als Künstlerin eine Ausnahmeer- 
scheinung? Weil sie aus existentieller Notabilltät her mit 
dem rMakel- behaftet ist. von ihrer Kunst nicht unbedingt 
leben zu müssen? Vielleicht ein etwas ungewöhnlicher 
Standpunkt als Grundsituation. Nicht. daß andere Künst- 
ler ausschließlich von ihren künstlerischen Produkten le- 
ben müssen. jedoch in der Mehrzahl sind sie sicher star- 
ker davon abhängig. Wir schicken dies deshalb voraus. 
weil Marianne Maderna obiges wie uns scheint. völlig 
unberechtigt zum Vorwurf gemacht wurde. Kunst als sol- 
che ist autonom und als solche rein von Erscheinung. 
Gehalt und Aussage objektiv zu werten und zu wägen. 
Paradoxerweise gilt für M. Maderna ein -Stay hungryg 
aber punkto Schaffensdrang. Ambition. gesundem Er- 
folgshunger. 
Marianne Madernas Werk liegt sowohl irn freien bildrieri- 
schen Bereich. wie im Design. also der angewandten 
Kunst. Eine Grenze zu ziehen vom sachlichen Objekt her 
ist nur scheinbar möglich. Es ist ein eigener Weg. der 
hier gegangen wurde und wird. Was an diesem Werk un- 
gewöhnlich scheint ist in Wahrheit ein doch sehr ernst- 
haft erarbeiteter Formenkanon. der verständlicher wird. 
wenn man mehr von dem inneren Menschen Maderna 
erfassen konnte. Alle jungen Künstler ringen vorerst um 
ihre eigene bildnerische Sprache. Dieses Werk steht nun 
sehr stark. konvektiv. unter literarischen Interpretationen. 
Es exekutiert und involviert Abläufe. Entwicklungen. Zu- 
stände in metamorphotischer Weise. Und das ist ein 
kennzeichnendes Kriterium. Multiplexe Wesen. vor allein 
Plastiken. wollten schnelle Blicke abschätzig als 
wschwülstigr--manieristisch attestieren. Marianne Ma- 
derna versucht ihr Werk. und das mit Konsequenz aus 
einer Richtung her aufzubauen. die nahe Historie 
scheint. jedoch in eigener Dialektik. epigenetisch zu fun- 
damentieren. Ob bewußt oder unbewußt. diese Stilaffini- 
tät lastet irgendwie auf ihr. 
Die Ausstellung vereinte die Gruppen Bronze. Glas. Male- 
rei. Grafik. Design. Zum besseren Verständnis einiges 
aus der Gedankenwelt der Kunstlerin- "Ich suche nicht 
die verstreuten Überreste und Kadaver einer materiellen 
Welt. um diese in Konservierungsglaser einzufangen. um 
diese als Zeitdokument gelten zu lassenß - 
Schwerpunkt ihres Schaffens die Glasschöpfungen. In 
der Päte-de-verre-Technik. bereits 3000 v.Chr. von den 
Agyptern angewandt. Hier schopft sie gekonnt alle bild- 
nerischen Möglichkeiten aus und versucht mit zum Teil 
außergewöhnlichen Bildtiteln oder besser davon ausge- 
hend eigenständige skulpturale Schöpfungen zu machen. 
Eine Reihe eigenwilliger Plastiken entstand in dieser 
Technik. indem sie aus dem Gegenständlichen. dem Rea- 
listischen heraus körperliche Zustände. recte Bedräng- 
nis. Bedrückung. Meditatives sinnenhaft sichtbar zu ma- 
chen versucht. Meditatives und Emotionales gleich ge- 
genständlich. gleich abstraktiv. Der scheinbar jähe 
Wechsel von Abstraktion zu Naturnahem. Realistischem 
wird verständlich. wenn man ihn als Zeichen der unun- 
terbrochenen Befassung der Künstlerin mit allem was sie 
umgibt. was sie erfährt. bedrückt oder auch beglückt. er- 
kennt. Elewundernswert die Bewältigung der Aufgabe 
Großplastiken zu schaffen. die allein eine ungeheure 
physische Belastung mit sich bringt. Noch dazu für eine 
Frau. Ihren Großplastiken kann man. wenn man will. Ara- 
tymsche Nähe ablesen. Ihre Grafiken hat sie in einer 
akribisch-nervösen Sprache. die zum Objekt führt. ange- 
legt. In den Formen ihres Design-Opus wird zum Teil die 
freie Sprache glatter zur Funktion hin. formbindend und 
gebändigt. abgewandelt. und auch hier erweist sie sich 
als exzellente Bildnerin. 
Was immer Marianne Maderna konzipiert. entwirft und 
ausführt. es dokumentiert den ihr gemäßen Stilausdruck 
aus einer seelenauslotenden Eudämonie entspringend. 
macht alle ihre Schöpfungen als Komplex geschlossen. 
Dali sie vielen oder fast allen ihren Werken Titel und Be- 
zuge des Orients unterlegt. vor allem solche balinesi- 
scher Natur. stellt sie bewußt auf eine besondere Seite 
der Künstlerschaft. die voll exotischer Aura. in einem ei- 
genen Empyreum eine Bahn zieht. 
Marianne Maderna wird. nachdem sie sich nach der Aus- 
stellung im Österreichischen Museum voll auf neue Pro- 
jekte geworfen hat. im November 1978 noch in der Am- 
sterdamer iGalerie de prinsenkameri und nächstes Jahr 
im Corning Glass Museum. New York. ihre Werke zeigen. 
Zu vermerken wäre noch. daß die Ausstellung Maderna 
eine gute Publikumsresonanz hinterließ. Das möchten 
wir als Kontrapost festhalten. weil gewisse Einwände 
bzw. unfreundliche Kunstkritik zum Werk laut wurden. 
Was neuerlich bestätigt. daß zwischen diesen beiden un- 
gleichen Polen ganz beträchtliche Divergenzen auftreten 
und immer auftreten werden. naturlicherweisei? - 
Carl Unger 
Malerei. Grafik. Entwürfe 
Katalog Neue Folge Nr. 51 
Neues Haus. Ausstellungshalle 
Wien 1, Weiskirchnerstraße 3 
28. 4.-18. 6. 1978 
in der Reihe der Ausstellungen. die bisher Lehrern der 
Hochschule für angewandte Kunst gewidmet waren. trat 
nach Baumer und Haerdtl nun Carl Unger. Leiter einer 
Meisterklasse für Malerei und Rektor in den Jahren 
1971-1975. mit seinem Werk vor die Öffentlichkeit. Der 
stets hochaktiv Amtierende. dessen Ftektorenzeit von be- 
sonderer Hingabe und Umsicht an sein verantwortungs- 
volles Amt getragen war. ließ uns fast übersehen. daß er 
beherzter. umgänglicher Künstler. profilierter Maler ist. 
1915 im nördlichen Niederösterreich zur Weit gekommen 
und aufgewachsen. begann er früh seinen Weg als Maler. 
Unterzog sich bereits mit 15 Jahren unter Streicher sei- 
ner ersten schulischen Ausbildung. die dann über Schu- 
finsky. Kenner. Martin an der Kunstgewerbeschule bzw. 
Akademie der bildenden Künste in Wien zu PrOfSSSOr 
Boecki führte. Und jung noch. erst 32jahrig. war er be- 
reits Lehrer an der Hochschule für angewandte Kunst. 
bekam 1950 den Österreichischen Staatspreis für Male-
	        
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