Elisabeth Ftücker
Stammbuch und Embiematik
Betrachtung anhand des
Stammbuches von
Hieronymus Haid aus Wien
"Ich muB euch noch mein
Stammbuch überreichen,
G6nn' eure Gunst mir dieses
Zeichen."
(Goethe: Faust I, Vers 2045, 2046,
Schüler zu dem als Faust verkleideten Mephisto)
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Das Stammbuch ist eine der kuriosesten Formen
des Buches. Es gilt als Handschrift. obwohl es auch
Gedrucktes-sei es als Text. Kupler- oder Stahlstich
- Zeichnungen. Malereien, Scherenschnitte.
Stickereien und Buntpapiere enthalten kann, Für
seinen Einband haben sich Buchbinder und Silber-
schmiede meist besondere Mühe gegeben; gleich-
gültig. ob sie einen Einband für einen festen Buch-
block anfertigten. der alle diese unterschiedlichen
Blätter vereint, oder ob sie ein Kästchen bauten. in
dem die Blätter lose verwahrt werden.
Überdie Entstehung diesermerkwürdigen Buchgat-
tung. die im 20. Jahrhundert als Poesiealbum ein tri-
viaies Ende fand. gibt die "Ökonomisch-technische
Encyklopädie ...K von Johann Georg Kriinitz die
ausführlichste Erklärung: n. . . Liber memoriae fau-
torum et amicorum dicatus. Album; Livre de genea-
logie; ein Erinnerungsbuch. in welchem Verwandte,
Gönner und Freunde Denksprüche mit ihren Namen
eigenhändig verzeichnen; auch wohl dabei eine
Zeichnung mit der Feder. oder eine Malery mit Was-
serfarben. z.B. ein Wappen. einen Blumenstrauß.
hauptsächlich mit Vergißmeinnicht und Flosen, ein
Stilleben. Quodliebet. eine Landschaft. auch Sinn-
bilder. die sich auf eine Kunst. Wissenschaft. das
Geschäft oder Gewerbe. den Handel beziehen. auch
komische Gegenstände; auch werden zuweilen
Stickereyen in Seide von Frauen und Jungfrauen
zum Andenken hineingebracht. Diese Bücher haben
die Breitoctav-Form . . .
Der Einband ist gewöhnlich mit gepreßtem Leder
überzogen. Die gewöhnlichsten Farben sind Zinno-
ver oder Scharlachroth . . . Man hat auch Stammbü-
cher mit losen oder fliegenden Blättern, die man
dann an diejenigen austheilt, die man in seinem
Stammbuche eingeschrieben zu sehen wünscht.
Diese Art Stammbücher haben wahrscheinlich den
Zweck. daß man eines Theils nicht sehen soll. wel-
che Verwandte. Gönner und Freunde man hat, und
anderen Theils damit keine Frau oder Jungfrau
durch ein vielleicht nicht ganz anständiges Geden-
kemein in Verlegenheit gesetzt werden soll. welches
sich doch auch bei Freunden in ein Stammbuch ein-
schleichen kann. e Der Ursprung der Stammbücher
soll sehr alt sein; denn man will Spuren davon in den
ältesten Zeiten derersten Christen gefunden haben.
...lndessen scheint diese Angabe mehr darauf hin-
zudeuten. dali man das Vorbild dazu bei den Rö-
mern selbstzu suchen habe; denn bei dem genann-
ten Volke war das Album eine weiße Tafel. welche
man an der Wand befestigte. um darauf etwas öf-
fentlich anzuzeigen. Erinnerungen zu machen...
Wahrscheinlicher ist wohl der Ursprung der
Stammbücher von den Stammregistern. Stamm-
bäumen des Adels herzuleiten. Hiernach wäre also
Stammbuch ein Geschlechtsbuch. .. Daß die
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Stammbücher von den Stammregistern des i
abzuleiten sind. geht daraus hervor, dali sie vo
Mitte des sechzehnten Jahrhunderts an bis g
das Ende des siebzehnten zur Mode, zum g
Tone der großen Welt gehörten. und sie unterl
schen Fürsten. Grafen und anderen Personen
Adels- und auch des vornehmen oder angeseh
Bürgerstandes gewöhnlich waren, Sie WL
nachher von Gelehrten. die sich auf Vorzeigur
lauchter und berühmter Namen etwas zu Gute
ten, und von Personen geringeren Standes. en
auch bloß Freundschalts halbernachgeahmt; l:
zuletzt in der zweiten Hälfte des achtzehnten
hunderts. nachdem sie bei den Großen schon I:
außer Gebrauch waren. nur noch bei jungen Le
Studenten. angetroffen wurden . ..
Die nächste Veranlassung zu den Stammbüi
sollen die sogenannten Symbola oder Wahlspi
der Fürsten und anderer Herren gewesen sein
wenn sie mit darauf anspielenden Figuren beg
waren. Sinnbilder. Devisen hießen
Eine besondere Zierde der alten Fürstlichen un
deren großen Stammbücher machen die mit g
Nettigkeit gefertigten. dem Wahlspruche vie
beigesetzten Geschlechtswappen aus . . . Dac
wurden diese Stammbücher in Gedenkbüche
wandelt, welche Erinnerungen an freundschafi
Verhältnisse. an geliebte, verwandte. interes
Personen, an merkwürdige Ereignisse. an h:
hebende Augenblicke. an Alles. was angenehn
deutend. wirkend und waltend aus der Vergar
heit und Gegenwart theilnehmend anspricht, z
wahren, Der Reisende und der Gereiste überbli
seinem Stammbuche die ganze Reihe seiner H
begebenheiten . . . Der Freund der Wissensch
zaubert mit dern Namen seiner Freunde auch
im spätesten Alter sich die Freuden des freier
wiederkehrenden. aber stets unvergeßlichen
dentenlebens wieder hervor . . .'--
Diese zwar nur im Auszug zitierte Beschreibur
ler den Begriff des Stammbuche berühre
Aspekte vermag uns auch heute noch. nach an
halb Jahrhunderten. die beste Vorstellung VOl
kulturgeschichtlichen VielseitigkeitdieserBuc
tung zu vermitteln.
Alle einschlägige Sekundärliteratur der letzten
zwanzig Jahre beruft sich immer wieder au
Werk von Keil, das bereits 1893 erschien undi
sich ein kurzer Hinweis auf Devisen. Wahlsprl
Embleme und die Verwendung von gedruckter
blembüchern mit durchschossenen Leerseite
Stammbücher findet?
Keils grundlegende Untersuchung fußt auf
Weimarer Stammbuch-Sammlung (Ehem. Groi
zogliche Bibliothek. heute Thüringische Land
bliothek). die neben derjenigen in Wolfent