schlesisch-böhmischen Raum angehöre, wird
durch das hierzu besprechende Beispiel, das in der
Sammlung Fritz Biemann, Zürich, bewahrt wird, be-
kräftigt. Bei diesem ungewöhnlich hohen, nahezu
zylindrischen Glas auf niedrigem Fuß mit blauem
Überfang handelt es sich um einen Typus. der
nachweislich in der Gräflich Harrachschen Glas-
hütte in Neuwelt hergestellt wurde. Eine aus dem
Nationalfabriksproduktenkabinett stammende for-
male Parallele im Technischen Museum in Wien von
1849 mit rotem Uberfangdekor kann dies bezeugen
und bietet zugleich für die Entstehung unseres Gla-
ses einen zeitlichen Anhaltspunkt um 185025. Wich-
tig ist vor allem die in rahmendes Ast- und Blattwerk
eingebettete Hauptdarstellung: Für diese auf hellem
mattiertem Grund aus dem blauen Überfang her-
ausgeschnittene Figurengruppe der reitenden
Amazone im Kampf gegen eine das Pferd ansprin-
gende Pantherkatze verwendete Zach eine damals
weltberühmte Komposition alsVorbild, und zwar die
uberlebensgroße Bronzeskulptur des August Kiss,
die im Jahre 1843 an der rechten Treppenwange vor
der Front des Schinkelschen Alten Museums in Ber-
lin aufgestellt wurde" (Abb. 14). Mit diesem Bild-
werk feierte der noch relativ junge Kiss als hoff-
nungsvoller Schüler des bekannten Bildhauers
Christian Rauch seinen ersten großen Triumph. Ei-
nen Triumph, der von der aufsehenerregenden Aus-
stellung des Tonmodells 1839 in der Flauchschen
Werkstatt über die von begeisterten Gönnern und
schließlich Friedrich Wilhelm IV. bereitgestellte Fi-
nanzierung des teuren Gusses 1841 bis hin zur Pra-
sentation eines bronzierten Kolossalabgusses in der
Londoner Weltausstellung von 1851 reichte. Das in-
ternationale Echo schlug sich nicht nur literarisch,
sondern in einer Flut von plastischen Nachbildun-
gen in getriebenem Silber oder in Zinkabgüssen
nieder, während die Amazone in Berlin eine Volks-
tümlichkeit erreichte, die ihrsogar den Aufdruck auf
Zigarrentaschen und anderen Geratschaften be-
scherte. wBerlin und Preußen standen eine ganze
Zeit lang im Zeichen derAmazonezT-r Daß Zach sich
von dieser allgemeinen Erregung mitreißen ließ, ist
einleuchtend - um so eigentümlicher ist es jedoch,
daß er die Amazone nicht von der üblichen Schau-
seite her darstellte, sondern gerade von der Gegen-
seite. Dies mag damit zusammenhangen. daß der
rassige Pferdekopf auf der "rechten-- Seite völlig
von dem in die Gurgel des aufbaumenden Reittieres
verbissenen Panther verdeckt wird. Der Glaskünst-
ler zog offenbar die Klarheit der Silhouette vor - er
verzichtete deswegen sogar auf das rechte Vorder-
bein des Pferdes -, doch mußte er dafür in Kauf
nehmen. daß dem mit dem Kissschen Werk nicht
vertrauten Betrachter seines Glases nun der Kopf
des Katzenraubtieres und damit der eigentliche
Zielpunkt für die zum Todesstoß angesetzte Lanze
der Amazone verborgen blieb, Sieht man von dieser
im Sujet selbst liegenden Schwierigkeit ab, so kann
man seine Geschicklichkeit, mit der durchaus nicht
einfachen Aufgabenstellung fertig zu werden, nur
bewundern. Eine gewisse Derbheit der Modellie-
rung und die massige Überhöhung des Felsensok-
kels mochten angesichts der groben. fast klobigen
Gefäßform der Wirkung des Schnittdekors propor-
tional durchaus zugute kommen. Da sämtliche gra-
phischen Abbildungen derAmazonengruppe immer
nur die Hauptschauseite wiedergeben, muß sich
Zach an einer dreidimensionalen Ausführung orien-
tiert haben. Dies war seit Februar1839 am Original in
Berlin möglich, im gleichen Jahrwar ein Hilfsrnodell
in der Breslauer Ausstellung der schlesischen Ge-
sellschaft für Vaterländische Kultur gezeigt worden,
1840 hatte sich Ludwig l. von Bayern eine Marmor-
nachbildung fertigen lassen, 1851 folgte die Darbie-
tung in London, und spätestens von da an waren
kleine Nachbildungen überall verbreitet. Dafur, daß
Zach die Übertragung auf das Glas mit Hilfe einerei-
genen Nachzeichnung nach dem Original oder
solch einem Nachgul! durchgeführt hat. spricht
auch der Umstand, daß er der Amazone im Gegen-
satz zum Vorbild eine selbst erdachte kurzärmelige
Oberbekleidung angetan hat. Vieles deutet darauf
hin, daß wir es hier mit einem derfrühesten, noch in
seiner böhmischen oder schlesischen Heimat ent-
standenen Werk Zachszu tun haben. das spatestens
im Anschluß an die von der Londoner Ausstellung
15
1851 ausgeloste internationale Begeisterungswelle
für die Amazone entstanden sein wird. Im Hinblick
auf die Möglichkeit, daß Zach später tatsächlich
langere Zeit oder überhaupt in England gearbeitet
hat, ist anzunehmen, daß er mit seiner Variante auf
Glas dort ein erfolgreiches Debut gewärtigen konn-
te. Bis 1855 war erjedoch anscheinend noch in sei-
ner Heimat tätig oder unterhielt Kontakte dorthin
aufrecht. da Gläser seiner Hand in diesem Jahr bei
der Pariser Weltausstellung von der Firma Franz
Steigerwald präsentiert wurden". Steigerwald hatte
in den zwanziger Jahren in enger Verbindung mit
der Haidaer Glasveredelung eine Glashandelsfirma
in Würzburg und Frankfurt a.M. mit Badesaisonbe-
trieben in Wiesbaden und Bad Ems gegründet. Für
ihn war bereits Dominik Biemann zwischen 1828
und 1840 tatig gewesen", und später pflegten auch
Karl Günther und Karl Pfohl geschäftliche Bezie-
hungen zu ihm, nachdem er in den vierziger Jahren
noch eine Münchner Filiale eröffnet hatte". Es mag
kein Zufall sein, daß es sich bei diesen Namen um die
besten Meister der bohmischen Glasschnittkunst
des 19. Jahrhunderts handelte, die Franz Steiger-
wald vertrat. Der internationale Absatz dieser Firma
forderte das höchstmögliche Qualitätsniveau.
Für unsere Untersuchung ist es wohl ebenfalls kaum
zufällig, daß es vor allem gerade diese vom interna-
tionalen Publikum anerkannten Glasschneider wa-
ren, die sich in einzelnen Versuchen der komplizier-
ten Wiedergabe von Bildwerken auf Gläsern an-
nahmen. Da diese Tendenz freilich von der Eignung
der Vorbilder ebenso abhängig war wie von der Ge-
schicklichkeit der Glaskünstler, hielt sie nur für eine
kurze Blütezeitzwischen 1830 und 186D an, um dann
wieder völlig in Vergessenheit zu geraten.
3 Anschrift des Autors:
Prof. Dr. Brigitte Klesse
Direktor des Kunslgewerbemuseums
der Stadt Koln
Eigelstelntorburg
0-5000 Koln 1
41