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Sabine Czymmek
Wiener Seidenkunst im
Kölner Schnütgen-Museum
1 Meßornat der Kaiserin Maria Theresia, Pluviale, 1773.
Schnütgen-Museum, Köln
2 Meßornat der Kaiserin Maria Theresia, Dalmatik, 1773.
Schnütgen-Museum, Köln
4 Meßornat der Kaiserin Maria Theresia, Stolen, Mani-
peln und Kelchvelum, 1773. Schnütgen-Museum, Köln
Anmerkungen 1-4
dazu M DIGQBI, Einewiedergelundene Strcktechnlk. lfl Zeitschrift
lur christliche Kunst, xix. isos. Sp um
2 DES Schnulgsn-Museum (Auswahlkatalog). KOIVÜ 1968, N7. 187 (mit
weiterer Literatur zum großen Meeerrren
dazu M Braun - Ronsdorl. Aus der Geschichte der nsterreichi-
schen Seidenindustrie, m; 1954,
s. 41794196
zu den genannten Vergleichsstüuken siehe D. Heinz, Meisterwerke
barocker Textllkunst, Ausstellungskatalog, Schloß Gebets-
burglWien 1972. Nr. 34-37
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Gina-Rundschau, 114,
1962 durfte sich das Kölner Schnütgen-Museum
glücklich schätzen, seine reiche Sammlung vor al-
lem mittelalterlicher Skulpturen, liturgischer Gerä-
te und Paramente um ein bedeutendes Werk Wie-
ner Seidenmanufaktur des Barock bereichern zu
können: es war gelungen, einen von Kaiserin Ma-
ria Theresia gestifteten großen Meßornat über den
Kunsthandel zu erwerben.
Der Paramentenschatz geht in die Zeit des Dom-
kapitulars Alexander Schnütgen (1843- 1918), des
Begründers der Sammlung, zurück und erhielt nun
einen vielbewunderten Glanzpunkt, dem die Neu-
gestaltung des Museums im Jahre 1977 einen Ak-
zent setzte.
Der Ornat besteht aus einem Pluviale (oder Chor-
mantel), dem Obergewand eines Priesters, das au-
Ber bei der Messe während liturgischer Handlun-
gen getragen wird (Abb. 1), zwei Dalmatiken, die
einem Bischof oder Diakon als liturgisches Ober-
gewand dienen (Abb. 2), zwei Kaseln, die ein Prie
ster als Meßgewand trägt (Abb. 3), zwei Stolen, die
von Bischöfen und Priestern als Hoheitszeichen
um den Hals gelegt werden und am Körper herun-
terhängen (Abb. 4 links), zwei Manipeln, die wäh-
rend der Messe am linken Arm herunterhangend
getragen werden (Abb. 4 oben), sowie einem
Kelchvelum, das Patene und Kelch vor und nach
der Transsubstantiation bedeckt (Abb. 4). Alle
zehn Teile haben sich in ihrer Gewebestruklur und
in ihrer strahlend frischen Farbigkeit überaus gut
erhalten.
Über festem (erneuertem) Leinen als Futter ist für
die Stücke Moireseide verwendet. Dabei handelt
es sich um einen in bestimmter Weise behandel-
ten Seidenstoff mit changierendem, unregelmäßig
schimmerndem Ton-in-Ton-Effekt, der entsteht, in-
dem man die Schußfäden der Gewebelagen wel-
lenartig verschiebt und schließlich preßt. Auf die-
sem derart reichen Fond sind die liturgischen Ge-
wänder rnit kunstvollen Appliken und Stickereien
geschmückt. Als Fiandumrahmung dienen ketten-
artig verschlungene Goldborten, die von einer
dichten Folge von Goldplattchen eingefaßt sind
und in gedoppelter Form auch die Binnenflächen
gliedern. Der verbleibende Seidengrund ist durch
applizierte Blumen abwechslungsreiohster Farb
gebung verziert. Von einem Lindgrün über ein kräf-
tiges Dunkelgrün bis hin zu einem Blaugrün sind
die Blätter in zartester Abstufung gegeben, wäh-
rend die Blüten der Tulpen, Flosen, Nelken und vie
len anderen Blumen von einem feinen Weißrosa
bis hin zu einem tiefen Rot, in Violett, Blau und
Gelb verschiedenster Tonnuancen erstrahlen. Sie
sind, wie auf dern Chormantel, den Stolen und Ma-
nipeln, einzeln über den Grund gestreut oder aber,
wie bei den Dalmatiken und Kaseln, in Buketts,
Girlanden und Ranken miteinander verbunden und
füllen so in dichter Abfolge die Seidenbahnen.
Stengel, Blätter und Blüten bestehen aus ombrier-
ten Seidenbändern, d.h. aus farbigen Borten, de
ren Tönung behutsam in ihrer Intensität abnimmt
oder gar in eine andere Farbe übergeht.
Die Applikation ombrierter Seidenbänder setzt ein
verhältnismäßig kompliziertes Verfahren voraus,
das eine hohe manuelle Fertigkeit erfordert und
das im dritten Viertel des 18. Jahrhunderts vor al-
lem in den österreichischen Landen beliebt gewe
sen istl. Zunächst gilt es dabei, auf festem Papier
eine Vorlage herzustellen. Das gewünschte Motiv
wird gezeichnet und alle Konturen, in unserem
Fall etwa die einzelnen Blütenränder, ausge
sohnitten. Daraufhin werden die ausgewählten
Abschnitte ombriert gewobener Bänder auf die
Rückseite der Vorlage geklebt und durch die Kon-
turschlitze nach vorn hindurchgezogen, das seit-
lich überstehende Papier abgeschnitten und
schließlich die Bortenränder mit ebenfalls om-
briertem Seidengarn dicht überstickt.
Pluviale, Dalmatiken und Kaseln tragen in einem
blattartig umrissenen Feld auf Silberfolie in Gold
gestickt das Monogramm MT und die Jahreszahl
1773. Dieses Monogramm weist Kaiserin Maria
Theresia als Stifterin aus. Sie hat den großen
Meßornat 1773 möglicherweise für das adelige
Fräuleinstift in Prag anfertigen lassen, dem Erz-
herzogin Maria Anna, ihre älteste Tocher, in dieser