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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIV (1979 / Heft 163)

1 Umfang angestellt. Ansätze zur Archäologie 
dem Theater hatte es aber auch bereits zu En- 
les16. Jhsz gegeben. Auf der Bühne erfuhr die 
torie die plastisch-lebendige Verdeutlichung, 
er sich andere Bildungseinrichtungen zum 
ihteil ihrer Beurteilung nicht bedienen konn- 
hier findet die Kunst den Übergang zum vollen 
en. 
i große Vorbild in der Bewältigung der Historie 
Shakespeare (1564 - 1616). Wie er Plutarch 
chrieba, so bediente sich Adolf Wilbrandt in 
nandraii historisch belegter Worte Sokrates". 
ser Anspruch aul Authentizität behielt nur dort 
ien humanen Wert, wo das Zentrum der drama- 
hen Aussage nicht einer verbindlichen Moral 
erworfen wurde, wo in der Funktion zwischen 
die Bühnenkleidung unter zahlreichen Kompro 
missen mit den Wünschen der Schauspieler ech- 
ten historischen Vorbildern angepaßt. Die Deutun- 
gen von Philipp Stubenrauch (1784 -1B48) zu Be 
ginn oder Heinrich Lefler (1863-1919) zu Ende 
des 19. Jh.s wirken in der Handschrift sachlicher 
als die Figurinen von Gerolamo Franceschini 
(1820-1859) oder Franz Gaul (1837-1906), obwohl 
bei all diesen Bühnenausstattern des Burgthea- 
ters whistorische Richtigkeit und Geschmack" 
als Maximen galten. Vergleicht man die Ko- 
stumbehandlung in berühmten Hoftheatern im 
frühen und späten 19. Jh. miteinander, um mögli- 
cherweise eine Entwicklung abzulesen, so zielten 
beispielsweise Vorstellungen von Hans Makart 
(1840 - 1884) zur Bühnenkleidung der großen Tra- 
bzw. 1817. Zu diesem Stück war schon 1805 ein 
Kupfersfich mit dem Kronungszug nach lfflands 
Inszenierung erschienen, um einen anschaulichen 
Begriff von der Vollkommenheit des Berliner Thea- 
ters zu vermittelna. War ein solcher nHSUPUVIO- 
menfu auf einem papierenen Ausschneidebogen 
für die Jugend angeboten, dann konnte damit der 
prächtige Aufzug nachgestellt werden. Solches 
Material gab der Verlag Trentsensky zu nHein- 
rich Vlllm und dem vwintermärchenu, knapp nach 
Keans Inszenierungen, in Wien heraus. Auch hier 
sind es großartige Aufzüge: w-The train ot Wolseyu 
im ersten und wthe procession to Queen Anne 
Boleyn's coronationu im vierten Akt, die Hein- 
rich Vlll. zum vmost wonderful spectacleu mach- 
ten, das jemals auf Londons Bühnen zu sehen 
bürgerlich-romantischen Horizonten des da- 
aufklärerisch bedingten Individualismus und 
glaubend angenommenen, absolut repräsen- 
en politischen Formen die Einkleidung nicht 
Dominanz behielt. Einen Höhepunkt vermit- 
der Geschichtsdeutung erreichte auch Vol- 
a (1694 - 1778). Er kam vom Theater und wand- 
ich mit seinen historischen Betrachtungen der 
der späten Renaissance zu, der Zeit Shake- 
ares. An diese Quelle hatte Herder (1744 bis 
3) zur Vermittlung eines lebendigen Ge 
ichtsbildes auch Goethe (1749 - 1832) ge- 
'15. Seither setzten viele Kulturbetrachtungen 
erlich bei diesem Schnittbild an. 
ithe stellte einmal fest, Shakespeare hätte aus 
Kenntnis um die innere menschliche Einklei- 
g das äußere, materielle Kostüm verachtet; da- 
en war Oscar Wilde (1856 - 1900) überzeugt, 
es keinen Dramatiker der französischen, eng- 
nen oder athenischen Bühne gab, der zur Illu- 
iswirkung auf das Kostüm seiner Schauspieler 
riel Gewicht gelegt hätte wie Shakespeares. 
r besitzen noch für die drei großen Prozessio- 
in ,Helnrlch dem Achten seine szenischen 
schritten, die durch minutiöse Genauigkeit im 
all, bis herab zu den Kragen Seiner Eminenz 
den Perlen im Haar Anna Boleyns ausgezeich- 
sindii; ein Hofbeamter habe sich "aus morali- 
en Gründenii über diesen Realismus beklagt. 
ließ sich nachweisen, daß schon zu Shake 
ares Zeit für Historiendramen Kostüme aus 
l Londoner Tower zur Verfügung gestellt wor- 
waren. 
Jahre später verwendete das Burgtheater Ko- 
ne aus dem Besitz des Hofes, auch hier wurde 
gödin Charlotte Wolter (1834 - 1897) weniger auf 
historische Akribie als auf den prächtigen Effekt, 
sie waren dafür von ausgepragterer Eigendynamik 
als zum Beispiel extrem historisch orientierte Ent- 
würfe nach den Forderungen des Grafen Brühl 
(1772 - 1837). Unter seinem Einfluß wurden Zeug- 
nisse des Bemühens um historische Richtigkeit 
der Kostüme auf Nationaltheatern als umfangrei- 
che druckgraphische Serien schon vor 1802 bis 
1812 in Berlin herausgegeben, und in Wien folgte 
ein solcher Versuch von 1807 bis 1813. Noch 1888 
bemerkte Daniel Spitzer: w... die Costüme sind 
von solcher historischer Genauigkeit, daß man 
künftighin hervorragende Archäologen zu corre 
spondierenden Schneidern des Burgtheaters er- 
nennen wird?" 
Charles Kean (1811 - 1868) steht mit seinen Shake- 
spearian Revivals als theaterhistorischer und 
historisch theatralischer Blickpunkt zeitlich zwi- 
schen den der Romantik zugeordneten lnszenie 
rungen in Berlin unter dem Grafen Brühl und Karl 
Friedrich Schinkel (1781 - 1841) einerseits und 
den Regieleistungen des Herzogs Georg ll. von 
Meiningen (1826 - 1914) andererseits. Kean such- 
te mit Bildern aus der Zeit Heinrichs Vlll. in der 
Inszenierung des gleichnamigen Stücks 1855 und 
auch mit ntableaux vivants of the private and pu- 
blic life of the ancient Greeksii im nWintermär- 
chentt (1856) die Verschmelzung von ninstruction 
and amusementii. Großen Reiz sollte oft das schö- 
ne Bild der Dekoration mit einem antiken oderzeit- 
lich naherliegenden Stadtbild ausüben, so zum 
Beispiel mit Friedrich Beuthers oder Schinkels Ab- 
bildung der Kathedrale von Reims in der Weimarer 
bzw. Berliner "Jungfrau von Orleansu von 1815 
 
war. Zu diesem Eindruck verhalf auch die romanti- 
sche, mit besonderen Lichteffekten gestaltete 
Szene mit Katharinas Vision und den darin tanzen- 
den Traumgestalten. Mehr Möglichkeit zu dekora- 
tivem Prunk als beim "Sommernachtstraum" 
(1856) fand Kean im selben Jahr beim "Wintermär- 
chenii; da konnte sogar mit der Allegorie der Zeit, 
Frau Luna, die auf einem barocken Wolkenwagen 
über die Bühne schwebte, oder mit der historisch 
peniblen Verdeutlichung des Lebens in Syracus 
um 330 v. Chr. der Idee vom englischen National- 
theatermitweltgeltung weitererAuftrieb gegeben 
werden. 
Das Publikum sollte im "Wintermarchenu vor al- 
lem durch das ausgelassene Treiben der Diony- 
sier, durch das große Winzertest überwältigt wer- 
den, das sich unter Beteiligung von über dreihun- 
dert Satyrn, Männern, Frauen und Kindern in ur- 
wüchsigen Masklerungen, in organisierter Venivir- 
rung, in rasendem Ausbruch über die Bühne er- 
goß. Solch eine ilperiect revivification of Comusau 
ist ein lnszenierungsfaktor, der als Merkmal zur 
Begriffsbildung des Historismus auf der Bühne 
herangezogen werden könnte. Damit war der 
Nährboden am FuB des Olymps gekennzeichnet, 
dem die maßgeblicheren Kräfte apollinischer Kul- 
tur und Regelkunde gegenübergestellt werden 
konnten. Das plastische Abbild einer dionysl- 
schen Gruppe, der "Zug des Bacchus und der 
Ariadne" von Rudolf Weyr, bezeichnet auch die 
Front des Burgtheaters am Ring. Es steht als 
Sinnbild eines theatralischen Ausdrucks, dem 
sich eine Bühne mit dem Schwergewicht auf der 
gehobenen Konversation, der ästhetisch veredel- 
ten Darsteliung des öffentlich Zulässigen aller- 
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