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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIV (1979 / Heft 163)

. Österreichisches Museum für angewandte Kunst 
Blickpunkte 
An den Grundfesten des Hauses im wahrsten Sinne des 
Wortes rührt die momentan durchgeführte Sanierung 
des Teiles des Museums, den man das nNeue Hause 
nennt. Als Zusatzbau in Erweiterung des Stammbaues 
am Stubenring um die Jahrhundertwende, genau 1907 
bis 1909, von Baumann errichtet, führt er seit damals zu 
Recht den Namen uNaues Haus-r. lronie des Schicksals. 
gerade dieser doch iüngere Zubau ist infolge terrainbe- 
dingter Abschwemmungen dem Wienfiuß zu gefährdet. 
Regulierung, massives Betonbett können nicht hindern, 
daß die bautragenden Anschlußzonen, hauptsächlich 
Sand, nur ungenügend Festigkeit für die seinerzeit ge- 
rammten Piloten geben, Diese Situation, seit Jahren vi- 
ruient, verschlimmern merkbar deutliche Verschlechte 
rungen der allgemeinen Standfestigkeit des Baues, so 
daß man mit beträchtlichem finanziellem Aufwand eine 
wStützungsaktlon-r setzten mußte. Seit Dezember 1978 
bohrt eine Werkgruppe, international erfahren, soge- 
nannte vWurzeiptähIe-t, die mit Beton ausgegossen wer- 
den, in diese Gefahrenzone. Damit hofft man die Abrut- 
schung des Neuen Hauses zumindest auf einen Status 
quo bringen und somit hlntanhaiten zu können. Die Be- 
seitigung dieser baulichen Misere betrifft aber mehr 
oder minder nur das Museumspersonal, denn einzelne 
Raume sind teilgefährdet. im Zuge dieser Aktion und 
darüber hinaus sind Spione zur scharfen Kontrolle ein- 
gesetzt. Den Besuchern bleibt solches, Gott sei Dank, 
verborgen, die eigentliche Museumssphäre davon unbe- 
rührt. 
Großen Erfolg - nach außen geblickt - brachte die 
mehrmals zitierte Biedermeierausstellung in London, be- 
richtet Dr. Ch. Witt-Dörrlng. Die von dieser Epoche bis- 
her "unberührten-x Engländer waren begeistert von die- 
ser Schau, die unter dem englischen Titel rlVienna in 
the age oi Schubertu - The Biedermeier lnterior 1815 
-1848 bis 1.Aprii 1979 im Victoria E Albert Museum 
lief. Damit sind die doch starken Bemühungen der Wis- 
senschaftler, aber auch die Bereitschaft der Leihgeber 
sinnvoll gewesen. Eine Präsentation dieser Erfolgs- 
schau in Wien hatte starken Anreiz, doch scheint es 
eher, daß zu hohe finanzielle Kosten diese verhindern. 
Außenstellen: 
Einem Ritual ähnlich, die Vorbereitung auf die neue 
Saison. Auch dieses Jahr sorgfältige Durchführung des 
obligaten Frühlahrsputzes durch die besteingespieite 
wArbeltspartie-i an Objekten und in den Räumlichkeiten, 
Grundlage einer schönen Präsentation 1979. 
Geymüiler-Schlossel I Sammlung Sobek wartet weiter- 
hin mit seinen exquisiten Empire und Biedermeierein- 
richtungen sowie Alt-Wiener Uhren auf. 
Kunstgewerbemuseum SchioB Petroneii zeigt nach wie 
vor Möbel, Porzellan, Keramik, Glas, Elfenbein, Silber, 
Zinn und Eisen aus dem 15.- 18. Jahrhundert (Di- So 9 
bis 17 Uhr, Mo geschlossen). Nebenan das Donau- 
museum des NÖ-Landesmuseums. 
Schloßmuseum Fiiegersburg bekommt heuer neben den 
ausgestellten Möbeln, Tapeten, Kleinplastiken und Bil- 
dern der Barockzeit und des Klassizismus, der Ausstei- 
iung wReiigiöse Kleinpiastik des 16.- 18. Jahrhunderts" 
sowie dem Khevenhüiier-Familienmuseum eine selekti- 
ve Schau aus der Ostasiatischen Sammlung des 
Stammhauses. Unter dem Aspekt wTraumbild Ostasien. 
will deren Leiter, Dr. M. Fux, versuchen, die im 17. und 
18. Jahrhundert erfolgte wechselseitige Befruchtung 
und Übernahme von Motiven und Darstellungen anhand 
von Beispielen darzulegen. Solches geht bis in den di- 
rekten Vergleich und ist hochinteressant. Zu empfehlen 
daher, sich solche Kabinettstückchen an Exhibition, Mü- 
he und beträchtlichem Aufwand an Arbeit eriordernd, 
anzusehen und zu würdigen. Nicht immer findet man in 
den r-großenn Museen dergleichen, so daß diese kom- 
mende Extraschau auf Riegersburg neuerlich starken 
Anreiz bieten sollte, wieder einmal und gerne zur Kunst 
übers Land zu fahren. 
Ausstellungen: 
r-Neuaufsteliung der Ostasiatischen Sammlung-Ghlnaul 
Saal XX - Eröffnung 10. Mai 1979. 
r-Koiomen Moser-l (1568-1915) - Ausstellung der 
Hochschule für angewandte Kunt ab 15. 5.- 17. 7. 1979i 
Aussteiiungshaile, Neues Haus. 
"Anton Kling (1881 - 1963) und sein Freundeskreis-r ab 
23. Mai bis Oktober 1979IEiteibergersaai. 
nHerrengrunder Dosen und ihre Ornamentikv ab 31. 5. 
bis 30. 9. 1979iBlbllotheklAusstellungsraum. 
Seminare: 
Ab Herbst 1919 werden Dr. Waltraud Neuwlrth und 
Oberrat akad. Restaurator Ludwig Neustifter Abendvor- 
iesungen aus den Bereichen Keramik, Porzellan, Glas, 
Drucktechniken, Leder, Miniaturen abhalten. Jeden Don 
nerstag von 17.30 Uhr bis 19 Uhr, auch Praktika in Grup- 
pen nach Vereinbarung mdgiich. 
Auch die Fotoabteilung mit dem njungem Prof. Wladi- 
mir Narbutt-Lleven setzt die Seminare wie bisher In der 
bekannten Art und Abwicklung fort. I. n. 
58 
Graphiken von Marika Drechsler 
Schriften der Bibliothek 16 
Ausstellungsraum der Bibliothek 
und Kunstblattersammlung 
Altes Haus 1. Stock 
Wien 1, Stubenring 5 
24.11.1978-25.2.1979 
Mehr und mehr strapaziert man die volle Gültigkeit des 
Spruches "Der Zeit Ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheitu 
- an der Wiener Secession weithin sichtbar -, ratselt 
man über Grenzen einer Freiheit, die abrupt in dubiose 
Bereiche abzugieiten scheint. Was um die Jahrhundert- 
wende in einem gesunden Sinn echte Wahrheit in sich 
barg, scheint heute von drohender Gefährlichkeit, die 
überall einsickert und um sich greift. In Zeiten, wo man 
beginnt. Kunstwerke beschreibendervveise in den Raum 
zu stellen und Jedermann - quasi aus sich heraus - 
aufgefordert wird, dieses Kunstwerk (imaginär) mitzufor- 
men und nachzutasten, scheinen eben Grenzen über- 
schritten, die außerhalb aller wahrscheinlichen Freihei- 
ten liegen. Auf Biennalen, sonstigen Jahrmärkten der 
Kunst, in TV-Diskussionen werden immer wieder neue 
künstlerische Bezirke aufgerissen, fragt man plötzlich 
wie am ersten Tag: Was ist Kunst? - Wozu dient 
Kunst? - Wem nützt Kunst? - u.a. m. Jedoch in dem- 
breiten Strom solcher brodelnder Auf- und Umbrüche 
agieren Künstler zwischen den Extremen in gänzlich 
normalen Basispositionen der Kunst. Kümmern sich 
nicht um Philosophien, Ideologien, sinnverwirrende Fra- 
gen. Sie arbelten meist still, fast unbemerkt. Marika 
Drechsler ist eine unter diesen. Die Ausstellung von 
Graphiken dieser polnischen Künstlerin barg einige 
Überraschungen. Vor allem bezüglich der Differenziert- 
heit ihrer graphischen Techniken, aber auch wegen dem 
Nebeneinander einer äußerst realistischen Darstellungs- 
weise mit surrealen Diktionen, in die auch, ornamen- 
tlert, foikloristische Elemente hereinspielert. Eine All- 
rounderin in ihrer doch eigenen graphischen Weit. Sie 
be-zeichnet gekonnt ihre Umwelt, am besten aber die 
des östlichen Kreises lenseits der Karpathen und weiter 
drüben. Also die Bereiche des IOSÜSCPIBTN. Wenn sie 
p. e. sAlt Prag-r radiert, dann weht durch scheinbare Ver- 
rückthelt und Wackeiigkeit von Haus und Baum und 
Mensch der längst verflüchtlgte Atem dieser Goldenen 
Stadt, und das en miniature. Das Hintergründige, poe- 
tisch unterfütterte Wesen des Alt-Österreichischen ei- 
nes Kafka und Musii, das auch einen Fronius bedrängt, 
bildet auch Marika Drechslers natürliche Quelle an 
Inspiration. lKaZimiSYZC, das ist erspürte intrcvsrtiert- 
heit eines polnischen Dörfchens, das eng verschachtelt 
unter Hügeln daherschläft. Menschenleer, durchzogen 
von der lehmigen Straße, einzige Verbindung zum Au- 
ßen. der großen Welt hinter dem Berg. Ein Gleichnis voi- 
ier graphischer Suffizienz. Und wenn dann im nMäYZ in 
Harendaw ein Hund, riesig, nebst Wunderblumen und 
Wundervogei aus dem Dörfchen sugt, staunt man ob 
der unkonventionellen Verflechtung realer und symboli- 
scher Elemente. 
Jetzt lebt Marika Drechsler in Italien. Seit Jahren schon. 
Und arbeitet hier künstlerisch weiter. Erste Eindrücke 
davon: zuviei Dunkles, zu dicht die Schraffierungen, um 
diese so fröhliche, südliche Gaiete zu charakterisieren. 
Ob Sant Angelo d'lschie, Kalabrisches oder die wreineu 
Landschaft Italiens. Trotz Sonnengrelle und Schatten 
und natürlichen Kontrasten daselbst, das Wesen sol- 
cher Paysagen haben wir nicht lange vorher von der al- 
ten Dame Marianne von Werther sicherer erfaßt gese 
hen - bei aller künstlerischen Freiheit natürlich -, 
lichter, wsüdllcheru. souverän. bis In die hellen Himmel 
um die Engelsburg, über die Dächer von Rom. 
Marika Drechsiers vielschichtiges Fabulieren mit Feder, 
Stift, Nadel und Pinsel führt nicht In die tiefsten Bezir- 
ke, entbehrt des echten Hohenflugs. Gleich ihren 
nOstern in der BukowIna-r reitet sie auf mehreren Hah- 
nen. Aber ihre Domäne, das nOStlSCHSu, ist ihr auf den 
Leib geschrieben. Auf Ferien, zeichnend in ihrer Heimat, 
zwingt Ihr die Stimme des Blutes alle Atmosphäre, alle 
Unergründlichkeit, alles Verborgene und Schwermütige 
dieser ungeheuren Landstriche in Griffel und Feder. 
Hundertwasser 
Tapisserlen 
Katalog Neue Folge Nr. 54 
Neues Haus, Ausstellungshalie 
Wien 1, Welskirchner Straße 3 
8. 12. 1978- 25. 2. 1979 
Vom Plakaitltel her konnte man über diese Ausstellung 
etwas irregeführt werden. Nur der Name r-Hundertvvas- 
serl war als Hauptträger sichtbar, dieser, nur als Maler 
bekannt. zeigte im Österreichischen Museum für ange- 
wandte Kunst aber seine Tapisserlen. Auch gut Einge- 
weihte wuBten wenig vom reichen Hundertwasserschen 
Oeuvre in der Textiikunst. 
im Vordergrund der lockeren Schau - ihm (Hundert- 
wasser) waren sie unendlich wichtig - stand Baum- 
chen über Bäumchen im lichten, durchdachten Spalier. 
Verstellten sie wirklich die Sicht auf das Eigentliche, 
die Tapisserien, wie teils kritisch vermerkt wurde? 
Kunstwerke zwischen Bäumen! Warum nicht? - Sicht 
konnte man immer finden auf jene r-Hundertwassersir, 
die eigentlich ebensolche Hilde Absaions oder solche 
Fritz Riedls sind. Denn diese beiden Künstler haben sie 
in der Mehrzahl gewebt. Beide setzten auch vorzüglich 
des Künstlers bekannte Bildwelt in ihre charakteristi- 
sche Textilsprache urn. Hundertwasser hat auch einen, 
einen einzigen Biidteppich gewebt. Die weitere Entwick- 
lung dieses Textilmediums revolutionierte er damit 
nicht, wenngleich er mit Händen und Füüen daran arbei- 
tete. Der absoiuteste aller Baumlreunde tat's am Ende 
fast resignierend. Einmal aber nur, aus purer (Wett-)Lusi 
- und niemals wieder. Der Pinsel blieb ihm doch liebe- 
res Werkzeug (weil nicht so kompliziert und beschwer- 
iich zu führen). 
Hundertwasser ist als Künstler zwar eine seltsame, aber 
starke Erscheinung, die im unbedingten umweltschütze- 
rischen Engagement kontrastiert. Seine unverwechsel- 
bare Bildsprache führt auch immer wieder zur Natur zu- 
rück, wie p. e. wDie Häuser hängen unter den Wiesen-r. 
Hier drückt der Künstler Aussage und Wollen zusam- 
men total aus. in einer Art "zurück zur Natura von be- 
zwingender Diktion, nachgerade ein Kernstück seines 
im Grunde vegetativen Wesens. Hundertwasser ist Glo- 
betrotter, deutlich sichtbar aus seinem Werk. Künstleri- 
scher Weltbürger mit bestem Pubiicityvermögen, tritt er 
mit seinen Schöpfungen "hin vor jedem. Rastet in den 
tiroiischen Bergen ebenso wie schöpferisch im Wald- 
viertei am Rande der Welt. Zieht aus nach Neuseeland 
(Domizil), Hongkong, Jokohama, Sao Pauio oder Rio de 
Janeiro, um irgendwo von Tahiti her oder sonstigen 
Südseearchipelen zurück anzusegein. Sportiv, zieht er 
auch gelegentlich Kreise im Wiener Dianabad. 
Hundertwasser kennt die Weit, die Weit kennt aber 
auch wirklich Hundertwasser. Nur so ist der ansehnli- 
che Besucherboom, die dichte Betrachtergemeinde vor 
seinen Tapisserlen zu erklären, fast ein Phänomen. 
Hilde Absalon und Fritz Riedl sind die eigentlich konge- 
nialen Partner des Künstlers. Jeder auf seine Art so gut 
wie ideal. Nicht nur, daß der Maler Hundertwasser vor- 
zügiichst in die zu webende tex ' e Materie umsetzbar 
ist, iaßt er von Natur aus den n' igen Spielraum offen 
- zu deren Schafferrsfreude -, läBt die Umsetzer ihre 
ganz spezifische Webeart und Sprache anwenden. So 
lassen sich auch mühelos - modernem Quiz ähnlich -, 
auch ohne Beschriftungstext, die Urhsberschaften der 
nachwebenden Textilkünstler erkennen. Absalons subti- 
me, schummernde feine Webweise gegenüber dem sehr 
intensiven, die grafischen Elemente verstärkenden chro 
matischen Fortissimo Riedls Gobelinos Mexicanos. 
Alles in allem, die Hundertwasserschau war sozusagen 
ein voller Erfolg. Man hatte des Künstlers gelegentliche 
öffentliche (unglückliche?) Auftritte, einen unrühmlichen 
Publikumsaffront im Dorotheum gegenüber seinen 
Schöpfungen entweder vergessen oder abgetan. Oder 
als stimulierend empfunden. Was tat es auch. - Die 
Kassen klingelten auch bei freiem Eintritt. Man ergatter- 
te Kataloge, Poster, Kunstkarten, Tücher und Bücher. 
Wer also wollte. nahm seinen rrkieinem reproduzierten 
Hundertwasser in der Manteltasche mit nach Hause. Ei- 
ner sogar - der Ordnung halber sei es angemerkt - 
vergaß sich in seiner r-Begeisterung. für diese Kreatio 
nen so weit, daß er eine davon auf schier unerklärliche 
Weise entwendete. Ein aus Privatbesitz geliehenes Ob 
jekt als Gegenstand eines attraktiven Diebstahls. Die 
Folgen waren unangenehm, was aber den Erfolg nicht 
schmäierte. Wir registrieren den regsten Publikumszu- 
spruch aus allen Altersschichten seit langem, eine ech- 
te Begegnung und Auseinandersetzung von Besucher 
und künstlerischem Werk. 
Jerusalem - Lebendige Vergangenheit 
Eine Photodokumentation 
Gemeinsam veranstaltet mit der 
Botschaft des Staates Israel 
Altes Haus, Säuienhoi 
Wien 1, Stubenring 5 
18.1.- 4. 2.1979 
Die Veranstaltung dieser Ausstellung, als Ausnahme 
nicht wegen ihres hohen Obiektewertes, bereitete vor- 
erst doch ein wenig Sorge. Jerusalem, die Stadt im 
Brennpunkt politischen Tageskempfes, im Kreuzfeuer 
noch immer schwelenden Kriegszustandes, also Gefah- 
renherd erster Größe, sollte tief aus ihrer Vergangenheit 
her bioßgeiegt werden. Jerusalem, diese Stadt 
ohnegleichen, in einem gar nicht mehr so gelobten
	        
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