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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIV (1979 / Heft 166 und 167)

mens Vll. gestifteten Ewigen Anbetung im unun- 
irochenen Wechsel von Stundengebet und See- 
nessen. Dieser kultische Bereich ist selbstver- 
ldlich nicht von allem übrigen ablösbar, die 
ze Kapelle muß unter dem Aspekt ihrer kulti- 
en Bestimmung gesehen werden. 
is Endeder Zeit, das typologisch im Patrozinium 
Auferstehung angesprochen ist. 
verhalten sich diese Formen der Zeitlichkeit zu- 
lnder, gibt es auch in diesem ikonologlschen Be- 
h Verhältnisse, die analog dem formalen Phä- 
wen der Interferenz zu sehen sind? 
l zur ersten der eben aufgezählten Erschei- 
gsformen der Zeit. Die oben beschriebenen Ver- 
ränkungen -moderner- und r-altertiimlicher-t 
rißsysteme und ihrer ornamentalen instrumen- 
.lng stellen eine historische Synopsis, eine Zu- 
lmenschau des mdiceischen Kunstpatronats 
leisten Viertel des 15. Jh.s bis zum ersten Viertel 
16. Jh.s dar. Dieser Zeitraum erscheint verkürzt 
aildewordene geschichtliche Zeit, die nicht zu- 
g deckungsgleich mit jener zwischen Beginn 
Höhepunkt der Renaissance in Italien ist. Diese 
sthistorische Einschätzung ist nicht erst uns 
:h den Abstand von über vierhundert Jahren 
ilich geworden. sondern war der damaligen Zeit 
:haus bewußt, wenngleich sie dieses Wissen in 
eren Begriffen als wir und vor allem in Bildern 
i Ausdruck brachte. Um 1520, als die Neue Sakri- 
eben begonnen wurde, setzte mit dem frühen 
lierismus eine Revision der Renaissance über- 
pt, ihrer Leistungen und Möglichkeiten ein. in 
lr auffallenden Parallele zu dieser allgemeinen 
isionsstlmmung wurden eben zur selben Zeit die 
llcipäpste durch das Aussterben ihrer Familie zu 
lr Revision der Geschichte ihres Hauses ge- 
ngen. Leo X. läßt nicht nur den Memorlalbau der 
in 
6 Michelangelo, Capella Medicea, Entwurf für ein freiste- 
hendes Grabmal der Neuen Sakristei der Kirche von San 
Lorenzo. London, British Museum. 
7 Michelangelo, Cepella Medicea, Entwurl für ein Wand- 
grabmai der Neuen Sakristei der Kirche von San Lorenzo. 
London, British Museum 
Anmerkungen 4. 5 
' Verqi. dazu die Aufslltxl von Theodor Hetzer: Vom Plastischen In 
der Malerei. und: Über das Verhältnis der Malerei zur Architektur. 
Wledarabgedruckt in: "i'll, i-i., Aufsätze und Vorlrlqe. so. li. Leipzig 
1957. 
' Heinrich Klotz. Die Frühwarke Brunelieschilund die mittelalterliche 
rroaiiion. Berlin 1910. S. u. 
7 
Neuen Sakristei errichten. sondern erteilt gleichzei- 
tig, 1520, Niccolo Macchiavelii den Auftrag, eine Ge- 
schichte von Florenz zu verfassen. So wie mit dem 
Tod Lorenzos und Giulianos als Herzöge von Urbino 
und von Nemours die Geschichte der Mediceer auf 
dem Höhepunkt ihrer weltlichen Ehren abbricht, so 
schließt Macchiavellis Florentiner Geschichte mit 
dem Höhepunkt der realpolitischen Macht der Fami- 
lie unter Lorenzo dem Prächtigen. Zum Grabmal ge- 
"hört das Geschichtswerk; so wie in diesem die Taten 
der Medici als Politik dargestellt werden, erscheinen 
dort ihre Leistungen als Stilschöpfungen: Die wma- 
niere- sind die r-fatti- der Kunst, und beidesind ma- 
diceisch geprägt. 
in Michelangelos Grabmälern steht die historische 
und die vitale Zeit still. Das wird nicht nur unmittel- 
bar in der Starre, der Kühle und Härte ieder Form an- 
schaulich, sondern auch in der Aussage des Orna- 
ments, z.B. in den Widderschädeln und den Mu- 
scheln auf den Sarkophagfüßen (Abb. 8). Schon die 
Motive sind in seltsamer Ausdrücklichkeit starr und 
tot: Es sind Skelette, an denen die Geschichte ihres 
Wachstums, die Verzahnung der Knochenplatten, 
der Hornringe und Wachstumsschichten bewahrt 
ist. Das Lebendige ist hier nur als Vergangenheits- 
form gegenwärtig, es erscheint in Reiikten, deren 
spröde Stofflichkeit Ausdruck der Lebensferne ist: 
in ihrem gemeinsamen kristallinen Kalkweiß werden 
Konchen - Muschel - Marmor identisch. Diese 
Dinge sind mit einem Äußerstsn an wnaturalisti- 
scher-t Objektivität gegeben, sie wirken wie Natur- 
abgüsse und sie bewahren die Erinnerung an das 
Leben, das sie prägte, aber es ist nicht die Erinne- 
rung an den künstlerischen Formungsprozeß, son- 
dern an den der vitalen Natur, die gleichsam abge- 
flossen ist von den Relikten der Skelette und Gehäu- 
se. die sie getragen hatte. Nirgends läBt sich dieser 
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