1 Der Evangelist Johannes am Schreibpult sitzend. Hoch-
relial, Lindenholz. Rückseite gehöhlt. Höhe 90 cm. Breite
49,5 cm. Tiefe 24,5 cm; Fassung verloren. Oberschwaben
(Ulm), um 1480, Kreis des Michel Erhan.
2 Thronender König. Zirbelholz, Höhe 98 cm (ohne das er-
gänzte untere Sockelbrett), Breite 55 cm. Tiefe 33 crn;
Rückseite stark gehöhlt; Reste alter Fassungen und
Grundierung zumeist übergangen; Tirol. um 1410.
Richard Edwin Oertel (1865-1943) ist auf einem
herrschaftlichen Landgut in der Nähe von Leipzig
geboren worden. Nach seinen juristischen und dann
mit der Promotion beendeten kunstgeschichtlichen
Studien begann er, finanziell unabhängig, in gro-
Bern Stil alte Gemälde zu sammeln. Die meisten die-
ser Bilder veräußerte er, als um 1B92l93 sein Inter-
esse an spätgotischer Hclzplastik erwachte. In den
folgenden zwei Jahrzehnten baute er eine Sammlung
auf, die nicht zuletzt als Spiegel von Oertels Streben
nach umfassender Kenntnis der süddeutschen und
österreichischen Skulptur des 15. und frühen 16.
Jahrhunderts verstanden sein will. Am 6. und 7. Mai
1913 wurden diese 213 Meisterwerke bei Lepke in
Berlin versteigert; Theodor Demmler vom Kaiser-
Friedrich-Museum bearbeitete den opulent ausge-
statteten Katalog. Das wohl glanzvollste Objekt, die
Dangolsheimer Madonnades Nicolaus Gerhaertvon
Leiden von etwa 1460, kam über den Frankfurter
Handel als Geschenk von James Simon an das Kai-
ser-Friedrich-Museum, das Bayerische National-
museum erwarb neben sechs anderen Skulpturen
Hans Leinbergers monumentale Magdalena aus
Marklhofen, Stuttgart ersteigerte Kaschauers l
gismundfigur aus dem Freisinger Hochaltar v
1443; an das Kunstmuseum Düsseldorf kam spä
der aus Babenhausen stammende Christophoi
des Memminger Bildhauers Hans Thoman sov
eine schöne ulmische Madonna aus dem Umkr
des Daniel Mauch. Mehrere, darunter einige hot
bedeutende, Objekte erreichten jedoch nicht c
gestellte Limit und blieben in Oertels Besitz. 2
sammen mit Skulpturen des 18. Jahrhunderts u
einigen Gemälden bildeten sie sozusagen ei
zweite "Sammlung Dr. Richard Oertelu - am 5.l
vember 1979 wurden die 67 Katalognummern z
Namen und für Rechnung der Erbengemeinsch
Oertelu durch das Münchner Kunstauktionshz
Neumeister versteigert. Die ausführlichen Angal:
zum schönen Katalog waren diesmal Alfred Schi
ler vom Bayerischen Nationalmuseum zu dankt
auf ihnen und auf Demmlers Nachrichten fußt am
dieser Beitrag.
Wichtig ist noch die Feststellung. daß derqualital
Querschnitt - von den erwähnten Spitzenstücl
abgesehen - durchaus dem Angebot von 1913 e