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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXV (1980 / Heft 169)

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dern Fehlen der Staffage zugunsten eines unge- 
genständlichen graubraunen Grundes am meisten 
ins Gewicht fällt, ist - bei übereinstimmender 
Wendung des Gesichtes in ein beginnendes Halb- 
profil - die unterschiedliche Drehung des Kör- 
pers im Verhältnis zum Kopf. Im Akademiebild 
wendet sich der Oberkörper leicht nach links zu- 
rück, so daß das Haupt kräftig zur rechten Schul- 
ter gedreht ist; obwohl nicht unglaubwürdig in der 
Darstellung, wirkt doch die Beziehung zwischen 
Kopf und Oberkörper unter der statuarischen 
Manteldraperie unnatürlich, die wohlgeformten 
Hände wie aus Einzelstudien eingefügt - der übli- 
chen Herstellungsweise solcher Repräsentatione- 
bildnisse allzu sichtbar entsprechend. Im Brust- 
bild dagegen stellt sich die Schulterpartie im Pro- 
fil nach links dar, wobei der Kopf über die linke 
Schulter blickt. Wendung und Haltung, Kontur 
und Farbharmonie sind aus einem Guß. In unmit- 
telbarer Porträitsitzung im privaten Bereich des 
Modells muß das Brustbild entstanden sein, des- 
sen Züge dann in die allgemeinverbindliche Ge- 
stalt des Würdentragers eingetragen und in die Di- 
stanz von Rang, Amt und Orden geruckt wurden. 
Dennoch ist das Brustbild alles andere als ein im 
bürgerlichen Sinn privat-inoffizielles Porträt. In 
den meisten von Johann Baptist Lampi d.Ä. (1751 
bis 1B30)29 gemalten Bildnissen liegt die Augenhö- 
1h 
he des Betrachters um ein geringes unter der des 
Dargestellten, wodurch jener kaum merklich in 
den Abstand des respektvollen Aufblicks verwie- 
sen wird - zuweilen um den Preis, daß etwas Her- 
ablassendes von dem Bildnis ausgeht. Manchen 
Kunden kam das vielleicht sogar ganz gelegen. 
iiDen älteren Lampi hat man gelegentlich den 
,Wiener Largilliere' genannt, aber dies bezieht 
sich mehr auf die vornehme Kundschaft als auf 
die Malereiii, schreibt Ludwig Hevesißo und atte- 
stiert den beiden Lampi, Vater und Sohn, daß bei 
ihnen iider Vertreibepinsel (englisch bezeichnend 
sweetener genannt) das Hauptwerkzeugir gewe- 
sen sei. Aber an einem Modell, wie es der Akade- 
mieprofessor Lampi an seinem Tiroler Landsmann 
und Protektor Sperges hatte, konnte diese mo- 
disch geglättete Vortragsweise ihre Qualitäten 
entwickeln. 
Der seidene Schultersockel mit seiner kultiviert- 
mürben Oberfläche und Farbigkeit ist ohne Starr- 
heit; er ist in vornehmer Zurückhaltung nur schim- 
mernde Materialisierung von Würde. Der Pinsel 
folgt äußertich-charakteristischen Linien der 
Mund-Kinn-Partie, ja auffallenden Unebenmäßig- 
keiten der Haut an Augenlid, Stirn, Nase und Wan- 
ge; die von innen heraus belebte Geistigkeit des 
Gelehrtenkopfes aber spricht aus dem eindringli- 
chen Blick, der völlig ernst, doch ohne eine Spur 
von abweisender Unfreundlichkeit auf dem Be- 
schauer ruht. 
Andreas Cremes, der von Sperges testamenta- 
risch bestimmte Herausgeber seiner lateinischen 
Briefe, Gedichte und lnschriften, setzt sein eige- 
nes vorzügliches Latein dazu ein, der Latinität und 
dem höfischen Humanismus des Freundes einen 
angemessenen Rahmen zu schaffen. In der Vorre- 
de zu der Edition fügt er dem biographischen Ab- 
riß eine Beschreibung von Sperges' Erscheinung 
beißt. iiSperges war von großer, wohlgebildeter 
Statur und festem, seiner außerordentlichen Ar- 
beitsamkeit angemessenem Körperbau, mit ern- 
stem Gesicht, voll Ernsthaftigkeit im Auftreten, 
das Auge auf den ersten Blick gestreng anzuse- 
hen, jedoch wie von einem Wölkchen verhüllt, das 
die Aufrichtigkeit seines Herzens und die wache 
Schärfe seines Geistes wie die Sonne durch Wol- 
ken hervorbrechend zeigte, von nicht überfließen- 
der und wohlgesetzter Beredtsamkeit, sondern 
eher zur bedächtigen Wiederdurchnehmung ge- 
neigt und sich selbst zu wiederholten Malen korri- 
gierend, wovon er auch anderen gegenüber Ge- 
brauch zu machen pflegte, so daß er mit seinem 
ganzen Erscheinungsbild einen vernunftbestimm- 
ten Geist verrietß Wie in der Schilderung durch 
die barockrhetorische Naturmetapher von Sonne 
und Wolken die durch die oberflächlich sichtbare, 
strenge Haltung hindurchscheinende Humanität 
bezeichnet wird, so macht das Gemälde mit der 
Eloquenz der malerischen Mittel augenfällig, wie 
äußere Erscheinung und inneres Wesen einander 
durchdringen. Gerade ohne das aufwendig instru- 
mentierte Beiwerk trägt sich hier die Identität von 
Rollenrepräsentation und starker, in sich ge- 
schlossener Individualität im Bildnis von Sperges 
vor, völlig der internationalen Tradition des Adels- 
bildnisses im 18. Jahrhundert entsprechend und 
doch ausgezeichnet durch die Kongruenz von 
Charakter des Dargestellten und Charakter der 
Darstellungsweise. 
Nicht allein im äußerlich-modischen Sinne ergie- 
big ist die Frage, iiwie man sich trägt", Kaum ein 
Saeculum kommt dem achtzehnten gleich an der 
Bedeutungsvielfalt dessen, was iiMode-i war in der 
Spanne von Würde und Torheit, Grazie und Skurri- 
lität. Eben in diesem Jahrhundert wird die iiModeir 
ein alles durchdringendes Prinzip des individuell 
Sublimen und gleichzeitig verbindlichen, so daß 
Anmerkungen 34 - 38 (Anm. 39, 40 s. S. 12) 
1' Beispielsweise in den Bildnissen des Andreas Perula (l7s3l und 
des Dr. Joseph Barth (1786), abgebildet bei Altred Stix 
(vgl AnmSCl), Tf 12 bzw 20. 
Ehemals wien. Sammlung Figdor 
Johann liiinczoiisky wurde 1725 in CzechlMahren geboren. wah- 
rend seines Medizlnstudlums und auch wahrend seiner ratigkeit 
am Gumpendorrer Militarsoital betand er sich VlEl auf Reisen (Ita- 
lien, London, Frankreich). Er war ein bedeutender Chirurg (Leib- 
eriirurg Leopolds ll l und Verfasservon Facriwerkenausseinem Er- 
lahrungsbereich seine Lebensbeschreibung bei constant 
v. Wurzbach, Biograph. Lexikon des Kaiserlhums Oslerreicti, 
Bd.9, 11363. S.42Bfl., enthalt rolgende charakteristische Passa- 
gen. i-Als Operateur war er ausgezeichnet und im Ganzen glubk- 
lich, aberein paar Operationen, ungeachtet welcher die operirten 
nlCht zu retten waren. hatten ihn angstlibh gemacht und er wich 
spater in zweitelhatten Fallen alten uber Leben und Tod entschei- 
denden großen Operationen aus. .. Dar Tod ereilte ihn im schon- 
sten Manneselter von 4c Jahren, u z. starb er in seinem Beruie an 
den Folgen einer Fingerirerletzung. die er SlCh bei einer chirurgi- 
schert Operation zugezogen hatte ln seinem Nachlasse betanden 
sich kostbare Sammlungen von selbst vertertigten Praparaten, von 
eiicriern, Mineralien, und da erein großer Freund der kunst war, 
von Gemalden und Kuptsrstichen- 
" Ehemals wien, Sammlung Figdor Entstanden Anlang der neunzi- 
ger Jahre, eine zweite Fassung in der Österreichischen Galerie. 
Abgebildet bei Alrred stiir (vgl Anm. aal. Tl. 37. 
1' Lili charldtte Heinemann, Johann Georg Edllnger ein Munchener 
Pcrtratmaler vom Ende des 18.Jahrhunderts Masch. Diss. Mün- 
chen 1924. 
Edlingerwar zwar von seinem 30 Lebenstahran in München tatig. 
kam aber in Graz zur Welt und tand neben einer mehr handwerks- 
mäßigen Ausbildung seine unakademiscl-ie Ausdrucksweise auto- 
didakiisch in Wien und aut Reisen in osierreich und Ungarn in 
München leitete ihn Franz lgrlaz Oelele (war-sei an. und als Hpf- 
maler (17at) wurde er der Nachfolger von George Desmarees 
(169771775. ubrtgerls ein Vetter van Meyterlst, von dessen lranlo- 
sisch-elsganier Hufkurtst der nokokeiradiiicn sich edtingers siil 
Immßf weiter entfernte. 
1' salzburg. Priuatbesiiz. Versteigert bei woirimuller, Muncherl, Auktion 
Nr. 113, 1967. Es handelt SlCh um das eild, das L. cri Helnemann (vgl 
Anm. a7) s. 471. erwatint i-oas nur aus einem Stich bekannte original 
(ist) nicht mehr nachweisbar." Nachstiche befinden sich in der Malllin- 
ger-sarnmlung, Mlincilner Stadtmuseurri, Ml, 1533 und 226a. Der Ste- 
cher ist Friedrich John (1769-1943).
	        
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