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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXV (1980 / Heft 169)

Wir leben in einer Kultur, die beständig die funda- 
mentale Endlichkeit und Begrenztheit der 
menschlichen Existenz verdrängt. Der Tod eines 
Menschen wird zumeist kompensatorisch durch 
Grabreden und Versprechungen ausgeglichen, 
und alsbald stellt sich die Routine des Alltags mit 
ihrem lähmenden Vergessen wieder ein. in einer 
Weit, die die vbiologischeii Abschaffung Gottes 
propagiert und ebenso das npositivistische Ver- 
botu der Beschäftigung umit den letzten Dingen-i, 
leben die meisten Menschen bloß von einem Tag 
zum anderen. Weitere Fragen werden nicht ge- 
stellt. 
Die folgenden Bemerkungen zu Leben und Tod 
des Friedrich Maximilian Welz sollen nicht als 
"Nachrufe: mißdeutet werden. Es geht nicht dar- 
um, den Weg vom Lehrling des GIaser- und Rah- 
menhandwerks im väterlichen Betrieb in der Sig- 
mund-Haffner-Gasse nachzuzeichnen, bis zum 
Doyen der österreichischen Kunsthändierschaft, 
bis zum Stifter und Rektor "der modernen Galerie 
und graphischen Sammlung Rupertinum"; auch 
die Aufsummierung seiner Ehrenkreuze, Ver- 
dienstzeichen und Ehrentitel bringt nicht viel. Man 
muß die Gefahr der Entstellung und Übertreibung 
vermeiden, die in zwei Jahrzehnten gesammelten 
subjektiven Eindrücke und Erlebnisse mit dieser 
Persönlichkeit hintanstelien. Es geht vielmehr um 
ein Nachzeichnen der Bemühungen eines willens- 
starken Menschen, das es zu verstehen gilt. im 
Zentrum des Wollens von Friedrich Maximilian 
Welz stand die Kunst, und sein Vermächtnis be- 
zieht sich vielfältig auf sie. 
1. Die Vermittlung von Kunst, zumal bildender, war 
das Anliegen des Galeristen und Verlegers Welz. 
ln den Werken der Kunst, im Bild - so nach seiner 
Überzeugung - werden die unlösbaren Probleme 
unserer Existenz sichtbar. Das durch und durch 
Fragende war für Welz das Wesen der Kunst. Vor 
allen anderen Werten und Funktionen, wie Deko- 
ration, "ästhetischer-i Genuß, Freude, Geldanlage 
und so fort, betonte er immer ihren Erkenntnischa- 
rakter. Die Weltgeltung der österreichischen Klas- 
siker der Moderne ist mit dem Namen des Galeri- 
sten und Verlegers Welz aufs engste verbunden: 
Kokoschka, Klimt, Schiele, Kubin, Wotruba. Durch 
ihn gelangten in die internationale Kunstszene 
Hundertwasser, Hrdiicka, Hradil und viele andere. 
Die bildende Kunst war für Welz vorweg Brücken- 
schlag zum Neuen, Werbung für Verständnis. We- 
sentliche internationale Kunstströmungen dan- 
ken seinen Ausstellungen ihr mittleniveile beacht- 
liches Ansehen in Österreich, wie der deutsche 
Expressionismus und die italienischen Meister 
des 20. Jahrhunderts. Bei all diesen Bemühungen 
gab sich Welz nie zufrieden, weder mit Erfolgen, 
wo andere längst eitel und satt befriedigt waren, 
noch mit Mißerfolgen, wo andere endgültig resi- 
gniert hätten. 
2. Ein weiteres Vermächtnis Weizens ist die winter- 
nationale Sommerakademie für bildende Kunst-x, 
die er gemeinsam mit Oskar Kokoschka begrün- 
det hat. Nach dem Ausscheiden beider hat sich 
das Wesen dieser Akademie geändert, wurde sie 
eher ein touristisch-ausbildnerisches Ereignis. 
Hier gilt es, den fundamentalen Anspruch zu "re- 
konstruieren", wie er in Kokoschkas "Schule des 
Sehensit formuliert wurde. Nicht die Ausbildung 
zu Mini-Künstlern war die programmatische Richt- 
schnur, sondern die Ausbildung des Auges zu im- 
mer tiefer begreifendem und schauendem Den- 
ken. Die Begründer der Akademie sahen im Auge 
vor allern ein Instrument der Weltverwandiung: es 
wandelt die bildliche Erscheinung zu unzerstörba- 
rem Sinngehalt, in vgeistigeu Bilder. Es legt tiefere 
Dimensionen frei als der Begriff. (Erfahrungsge- 
mäß sind 80"!" der im Gedächtnis bewahrten Sinn- 
eindrücke optischer Natur.) Die Begriffe als instru- 
mente des Verstandes sind nur in einem mühsa- 
men Nacheinander zu gebrauchen, während das 
Auge in den von ihm ergriffenen Bildern der Wirk- 
lichkeit die Fülle der Gegensätze und des Wider- 
sprüchiichen erfaßt und aus dem Vielgestaitigen 
die Einheit bildet. Dieser zutiefst humanistische 
Anspruch sollte für diese Ausbildungsstätte die 
verpflichtende Grundlage bleiben, will man den 
Geist ihrer Gründer nicht mißachten. 
3. Als weitere Aufgabe trifft die Stadt, die Welz- 
sche Stiftung der "Modernen Galerie und Graphi- 
schen Sammlung Rupertinumu zu einem gediege- 
 
nen und forschungsintensiven Museum und Kul- 
turzentrum auszubauen. Ein wesentlicher Be- 
standteil dieser Stiftung ist das lückenlose Vor- 
handensein des gesamten druckgraphischen Wer- 
kes von Oskar Kokoschka. Insofern erscheint die 
Anregung von Max Kaindl-Hönig, einen For- 
schungsschwerpunkt besonders auch im Bereich 
der bibliographischen Sammlung dem Werk von 
Oskar Kokoschka zu widmen, mehr als einsichtig. 
Was den Ausbau der Sammlung betrifft, wäre dar- 
auf Bedacht zu nehmen, den bereits vorhandenen 
Fundus an klassischer Moderne aufzustocken, 
und dies so lange, bis die neuesten Tendenzen in 
Ihrer historisch-genetischen Entwicklung darge- 
stellt werden können. Zwischen modernen Klassi- 
kern und Zeitgenössischem klafft in Österreich 
überhaupt eine enorme Lücke. Auch wäre eine 
künftige Zusammenarbeit zwischen Rupertinum 
und dem Kunsthistorischen Institut der Universi- 
tät Salzburg wünschenswert. Vor allem wird aber 
ein künftiger Leiter dieses Museums den Welz- 
schen Antibürokratismus brauchen, seine poltern- 
de Hartnäckigkeit in Fragen der Dotation und sein 
Einfühlungsvermögen für das "momentan Not- 
wendigen. 
4. Ein weiteres zentrales Anliegen von Welz war ei- 
ne wÖsterreichische Akademie der Küfiäiett in 
Salzburg. Er wollte für einen derartigen Verwen- 
dungszweck Schloß Eisenheim am Fuße des Ka- 
puzinerberges stiften. im wunderbaren Park befin- 
den sich zwei Gebäudekomplexe: das Schioß 
selbst, das in seiner Grundsubstanz aus dem Jah- 
re 1429 stammt, und das Kavallershaus, das zwi- 
schen 1680 und 1690 errichtet wurde. Ein Blick in 
Österreichs Kulturlandschaft bringt ja die ernüch- 
ternde und definitive Klarheit darüber, daß in un- 
serer Republik eine Akademie der Künste nicht be- 
steht und keine öffentliche Einrichtung, die analo- 
ge Zwecke erfüllt. Keines unserer Nachbarländer 
mit einer vergleichbaren kulturellen und politi- 
schen Tradition hat einen derartigen Mangel zu 
beklagen. Dieser Zustand ist nicht nur bedauer- 
lich, sondern zeigt, daß eine solche Akademie so- 
wohl in traditionellen wie auch in aktuellen Kultur- 
zusammenhängen längst überfällig ist. Erste Plä- 
ne zur Ausführung einer solchen Akademie waren 
bereits gediehen und die Zustimmung der kompe- 
tenten politischen Instanzen einhellig. Wiener 
Proselytengeist, engbrüstiger linker Literatenhaß 
und eine unglückliche Presseaussendung im Na- 
men Weizens, die er, wie er dem Schreiber dieser 
Zeilen versicherte, "so niemals wollten, stellten 
sich diesem Projekt in den Weg. (Bekanntlich er- 
trug Welz ein schweres Augenleiden durch über 40 
Jahre geduldig.) Es kam bis zum Tod von Welz zu 
keiner Stiftung - so sehr er auch die zuständigen 
Politiker drängte -. und Eisenheim fiel an die 
Welz Ges. m. b. H., somit anteilig an den Nachiaß. 
Je nun, die von Welz angeregte Idee einer "Öster- 
reichischen Akademie der Künsteii bleibt im Rau- 
me stehen. Der Sache nach wäre eine solche Aka- 
demie in der Tat längst überfällig, und Iildßek heißt 
ja nach dem Philosophen Hegel, nwas zur Wirk- 
lichkeit drängt-i. 
5. Letztlich ist ein verpflichtendes Vermächtnis 
die Haltung des whomo politicusii Friedrich Maxi- 
miiian Welz. Er gehörte zu jener raren Sorte von 
Menschen, die ihre Meinung zu sagen versuchten, 
solange das Sagen noch die Dinge andern kann, 
anstatt durch Schweigen im nachhlneln es besser 
zu wissen und recht zu behalten. Als Nonkonfor- 
mist orientierte er sich niemals zuerst an der poli- 
tischen Ideologie, sondern an den Sachfragen und 
den Lüsungsvorschlägen der Politiker. Partei, der 
er gehorchte, war einzig und allein seine eigene 
Überzeugung. Sein Eintreten für das "Fest in Hell- 
brunnu, seine federführende Tätigkeit bei der Peti- 
tion für Rolf Liebermann - als Warnung gegen ei- 
ne einfallslos gewordene Festspielführung ge- 
dacht -- sind Belege, daß sich Welz niemals nach 
opportunen Mehrheiten richtete. Mit polterndem 
Charme und sanfter Gewalt strapazierte Welz Be- 
amte und Politiker vor allem dort, wo es um die Er- 
haltung des harmonischen Aitstadtbiides ging. Et- 
iiches wäre noch zu erwähnen an Aktivitäten, so 
auch die Stiftung der Plastiken für den Furtwang- 
ierpark und anderes mehr. Viele Anekdoten ließen 
sich erzählen über die bärbeißige Liebenswürdig- 
keit des Mannes, über die einmalige Verbunden- 
heit der Stadt Salzburg und seiner Person, die 
nicht immer ohne wechseiseitiges Ärgernis ab- 
ging. 
Uber den Sinn des vielfältigen Engagements von 
Friedrich Maximilian Welz für die Kunst In dieser 
Stadt wird die Chronik berichten müssen. Sie wird 
beschreiben, ob sein Vermächtnis und sein Wille 
auch künftig die notwendige Berücksichtigung ge- 
funden haben. Den Weg hat auf jeden Fall Leben 
und Werk von Friedrich Maximilian Welz gewie- 
sen. Was den Tod selbst anbelangt, seine Unent- 
rinnbarkeit, hat er für den Menschen, der mit 
Kunst lebt, wenig Erschreckendes. Als in unvor- 
denkiichen Zeiten der vanimalischei: Gieichmut 
gegenüber dem Tod erlosch, wurde da nicht mit 
dern ersten Grab ein erstes Bildwerk geschaffen? 
Bei den uns bekannten ältesten Gräbern ist der 
Kopf der Toten gegen Sonnenaufgang ausgerich- 
tet, dem aufgehenden und erweckenden Licht ent- 
gegen... Michael W. Fischer 
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