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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXV (1980 / Heft 171)

nes Steuerzahlers als Ladeninhaber kann die Ho- 
he der Abgabe dienen. Auffällig ist jedoch die 
Dichte dieser Berufsgruppe, die 1292 annähernd 
59,37., und 1296 59,770 der Steuerzahler des 
Grand-Pont ausmachte. Demgegenüber war der 
Anteil der Geldwechsler 1292 mit 17,1 "lo und 1296 
mit 125m beinahe bescheiden. ihr Anteil konnte 
sich 1292 noch bis auf 19-2OVo erhöhen, wenn 
man die Mindestbesteuerten hinzurechnet, die ai- 
lerwahrscheinlichkeit nach keine Laden besaßen. 
Außerdem kamen einzelne Börsen- und Truhenma- 
cher und Emailhandwerker, die vorwiegend fiuß- 
aufwärts angegeben sind, vor. Auf dem südlichen 
Brückenabschnitt vom Schiffahrtsbogen bis über 
das Citeufer ragte 1292 die Tuchhändlergruppe 
mit 106V.- und 1296 mit ca. 1404 hervor. Daneben, 
mehr auf dem Ufer, trat eine kleine Gruppe von 
Krämern und Schneidern auf (Tabelle 1). Die Auf- 
stellung der Berufsstruktur macht deutlich, daß es 
sich hier um ein überwiegend gehobenes Waren- 
angebot handelte. Der hohe Anteil an Goldschmie- 
den, die aliein 1292- 1296 ca. 60"lu aller Steuer- 
zahler des Grand-Pont einschließlich des Brücken- 
kopfes auf der Cite ausmachten, dokumentiert die 
enge Verbindung zum Palast als Auftraggeber und 
Warenabnehmer. Unbestritten ist, daß eine solche 
Berufsauszählung erhebliche Lücken hat: Berufs- 
angaben und Familiennamen lassen sich nicht im- 
mer sauber trennen. Ob der Grand-Pont wirklich 
106 selbständige Goldschmiede gehabt hat oder 
ob ein Teil Lohnarbeiter war, muß cffenbielben. 
Ebenso ungeklärt ist die Stellung der Mindestbe- 
steuerten, die besonders flußaufwärts, also bei 
den Wechslern, häufig anzutreffen sind. 
Aus den Tresorrechnungen von 1299 geht eindeu- 
tig hervor, daß auf der neuen Brücke 33V: Wechs- 
ler und 43 Werkstätten für Goldschmiede einge- 
richtet waren." Zwei Drittel der 34 aufgeführten 
Wechsler besaßen vor 1296 eine Wechseistelle 
auf dem Grand-Pont. Ihre Inhaber wohnten nach 
den Steuerbüchern von 1299 - 1300 nicht auf der 
Brücke, sondern überwiegend auf dem rechten 
Ufer. in den Rechnungen von 1305 meldete das kö- 
nigliche Tresoramt für die 23 Wechsleriäden (mit 
18 Inhabern) und 40 Goldschmiedewerkstätten 39 
Inhaber. 
Die Veränderung des Standortes der Brücke sowie 
die noch im Bau befindlichen Ladenzelien des 
Grand-Pont machten sich auch in anderen Pfarr- 
bezirken des Grand-Pont bemerkbar. So wies die 
5. Kollekte des Pfarrbezirkes St.-Jacques-de-la- 
Boucherie in ihrer Steuerrubrik i-La Draperie sur 
Grand-Pontu im Jahre 1313 nur noch zwei Steuer- 
zahler mit dem Vermerk nsolvitit (aufgelöster 
Haushalt) auf." Um 1317 - 1318 vergab der König 
Philip V. eine Reihe von Läden auf der Fahrbahn- 
seite stromaufwärts an Wechsler und Gold- 
schmiede. 
1325 beschioß Karl iV., den EriaB von 1305 zur 
Festlegung der Geldwechsier auf dem Grand-Pont 
zu erneuern." Damit dokumentiert sich die Wich- 
tigkeit der Börsenfunktion von Geldwechsel und 
Goldwaren für die königliche Domäne. Bereits Phi- 
lip lV. ließ die Krämer in der nach ihnen benannten 
nGalerie des Merciersu des Palastes zu. Von den 
zahlreichen Gewerbearten auf dem Grand-Pont- 
aux-Changeurs im 14. Jh., wie Töpfer, Gold- 
schmiede, Ziseieure sowie Pergamentherstelier, 
Buchmaler, Schreiber und Buchbinder, die Jean 
von Jandun in seiner Stadtbeschreibung von Paris 
angab, waren im 15. Jh. neben dem Buchgewerbe 
nur noch wenige vorhanden." Seit dem Beginn 
des Hunderjährigen Krieges zwischen Frankreich 
und England verminderten sich die Verdienstmög- 
lichkeiten der Wechsler und Goldschmiede. 1343 
wurden auch Klagen laut, daß die Geldwechsler 
sich nicht an die bestehende Verordnung 
hielten." Neue Bestimmungen wurden von König 
Johann ii. und Karl V. 1379 erlassen. Danach durf- 
Oft 
ten die Goldschmiede das Wechseigeschäft nicht 
betreiben, auch die Herstellung von goldenem Ge- 
schirr wurde für ein Jahr verboten. Nach den fi- 
nanziellen Lasten von 1343 und 1358 wurden die 
Wechselläden nach dem Erlaß vom 30. April 1360 
nicht mehr vererbt, sondern zum Verkauf angeord- 
net. Man wies in diesem Zusammenhang darauf 
hin, daß die Wechseistelien der königlichen Do- 
mäne als Zinsgut gehörten." Durch die Beschrän- 
kungen im Geidwechselgeschäft gingen die 
Wechsler zum Handel mit Gold- und Siiberwaren 
über. Denisot Mariete, Jehan de ia Fontaine, 
Pierre i'Uillier, Jehan Tarenne und Symonnet de 
Dampmartin, die zu den reichsten Wechslern auf 
dem Grand-Pont-aux-Changeurs zählten, verkauf- 
ten um 1390 - 1410 Becher, Humpen und Sliberge- 
schirr den Herzogen von Turaine, Orleans und von 
Berry." Die unsichere Finanzlage in der zweiten 
Phase des Hundertjährigen Krieges verschlechter- 
te auch das Wechsel- und Goidwarengeschäft auf 
dem Pont-aux-Changeurs. 
Über die Zahl der Läden des Grand-Pont-aux- 
Changeurs im 15. Jh. gibt es unterschiedliche An- 
gaben. Während Guillebert von Mets in seiner Be- 
schreibung der Pariser Stadt aus dem ersten Vier- 
tel des 15. Jh.s 68 Wechsierbuden auf einer 
Brückenseite und 72 Goldschmiedewerkstätten 
auf der anderen Seite der Fahrbahn sah, d.h. 140 
Ladeneinrichtungen, bestätigen die Akten im Jah- 
re 1403 50 Wechseistelien und 51 Goldschmiede- 
läden im Zusammenhang mit einem Fientenprivi- 
leg der Ste-Chapeiie." Die 101 Läden bezogen 
sich auf den Brückenabschnitt bis zum Schif- 
fahrtsbogen. Der andauernde Krieg verminderte 
die Erwerbsmöglichkeiten für Luxusartikel wie 
Silber- und Goldwaren." 
Zwar ergaben die Rentenrechnungen der Ste.-Cha- 
pelie etwa 101 Läden, doch die Steuerrolien von 
1423 und 1438 führten z.B. jeweils 43 und 26 
Wechsler und 33 bzw. 11 Goldschmiede auf. in der 
fiskalischen Hierarchie der Berufsgruppen, die 
J. Favier für 1421 -1438 aufgestellt hat, nehmen 
die Wechsler nach der Steuerrolle von 1423 den 
1. Platz, die Goldschmiede den 6. Platz ein. 1438 
waren sie auf den 5. und die Goldschmiede auf 
den 12. Platz heruntergerutscht." Vergleicht man 
die Angaben des Zinsbuches der Ste-Chapelle 
von 1440 - 1450, so ergeben die Rechnungslisten 
leicht unterschiedliche Angaben über die 48-53 
Wechseistelien und 51 Goldschmiedeläden. 
Die wirtschaftliche Lage verbesserte sich erst um 
1450-52 vor allem für die Goldschmiede, die 41 
von 50 Werkstätten wieder mieten konnten. Dem- 
gegenüber setzte sich der schon vorher aufgetre- 
tene negative Trend für die Wechslerbranche un- 
verändert fort. Nach 1455 kamen mehr Puppenma- 
cher als Wechsler auf dem Grand-Pont-aux-Chan- 
geurs vor. 
Baugeschichtiiche Bedeutung und Funktion 
Die Verschiebung des Schwerpunktes des Ver- 
kehrs von der römischen Verkehrsachse (Pont No- 
treDame-Petit-Pont) zur Straßenkette vor dem Pa- 
last erfolgte erst 1138 - 1141 nach der Eröffnung 
eines Straßensystems auf dem Westteil der Cite. 
Von hier aus verband der neuerbaute Grand-Pont 
den königlichen Palast mit dem Chäteiet, Sitz des 
Prevbt von Paris, sowie mit dem Handelszentrum 
am Brückenkopf des rechten Ufers und dem Markt 
von Champeaux. Diese Kombination von Herr- 
schersitz und Handelszentrum mit einem ständi- 
gen Pendelverkehr zwischen den beiden großen 
Magneten wirkte sich als sehr förderlich für die 
Überbauung des Grand-Pont aus. 
Aus der Analyse des geschichtlichen Entwick- 
lungsganges, die nach mehreren Aspekten der 
baulichen und der Nutzungsstruktur sowie den be- 
ruflichen Kategorien erfolgte, ergeben sich fol- 
gende charakteristische Merkmale: 
1. Überragende Bedeutung der Verkehrsfunktion 
für Borsengeschäft, Geldwechsel, Goldwaren- 
und Tuchhandei. 
2. Die Linearität des Grand-Pont begünstigte die 
Zlrkulationsbewegung der Käufer sowie das 
Ein- und Ausströmen der Fußgänger. 
3. Die Sonderform der überbauten Brücke hat, im 
Gegensatz zu einer Geschäftsstraße auf dem 
Ufer, keine Konkurrenz der Nebenstraßen. 
Da zur Überquerung des Flusses (in einem be- 
stimmten Stadtbereich) der Grand-Pont als 
Brückenstraße für alle Verkehrsträger unvermeid- 
bar war, errang die Überbauung mit ihrer Vielzahl 
von Geschäften eine erhebliche quantitative Nut- 
zung. Die Brückenstraße übte somit einen echten 
Zwang auf die Verkehrsteilnehmer aus. 
Dabei spielte die Nähe des Palastes für die Bör- 
senfunktion auch beim zweiten Bau des Grand- 
Pont-aux-Changeurs im 14.-15. Jh. eine überra- 
gende Roile. Beide ergänzten sich funktionell und 
sind bis ins 15. Jh. ein wichtiger Bestandteil des 
Geschäftszentrums, des iiCentre d'Affairesu, von 
Paris. im Hofe des Palastes, der seit dem Ende 
des 15. Jh.s uPlace de Change-i genannt wird, tra- 
fen sich die auswärtigen Kaufleute des Fernhan- 
dels zu Tauschgeschäften. Dort bestand am Ende 
des 14. Jh.s die nGalerie des Merciersii, wo neben 
Luxus- und Modeartikein auch Goldwaren, Juwe- 
len und Edelsteine verkauft wurden. Nach den ur- 
kundlichen Angaben können wir erkennen, daB die 
Überbauung des Pont-aux-Changeurs als ein Pro- 
visorium ohne architektonisches Programm ent- 
standen war." Trotzdem war dieser Bau nicht 
mehr von einer regeliosen, erst allmählich wach- 
senden Überbauung gekennzeichnet. Die entlang 
der Fahrbahnseiten durchgehenden Reihen mit 
101 Ladeneinheiten wurden in den Akten nach ei- 
ner Ordnungszahi geführt. insgesamt lassen sie 
sich als Vorstufe einer regelmäßigen Anlage er- 
kennen. Hier wird deutlich, daß der Verkehr nicht 
Selbstzweck war. Daß der Pont-aux-Changeurs 
keine tote Verkehrsfläche blieb und mit den La- 
denzelien eine räumliche, einheitliche Wirkung er- 
zielte, das zeigte noch die zusätzliche Feststra- 
ßenfunktion als Via Triumphaiis, wo die Könige in 
einem Triumphzug in die Stadt einzogen. Die 
Fluchtlinienwirkung, durch Dekorationen gestei- 
gert, wurde konsequent für die Repräsentatione- 
bedürfnisse als Festraum ausgenutzt. Johann ii. 
der Gute, der 1350 vom Stadttor SL-Honore auf 
dem Weg zur Kathedrale von Notre-Dame kam, 
passierte den mit Tuch drapierten Grand-Pont- 
aux-Changeurs; ihm folgte 1389 die Königin lsabel 
von Bayern, Ehefrau Karls Vi. von Frankreich. 
Nach Corrozet war der Brückenraum mit blauem 
Taft überspannt." Die ersten provisorischen De- 
korationsfiguren kommen im 15. Jh. unter ande- 
rem beim Empfang Heinrichs Vi. von England 1431 
vor. Beim feierlichen Einzug König Ludwigs Xi. 
von 1441 ließen die Vogelhändler zweihundert 
Tauben frei." 
Anmerkungen 18 - 30 
" Comptes Hoyaux (1285 -1S14), Hrsg. Fi. Fawtier, p. 67-69 
" Michaelsson, op. cit., 1313, p.36-37, 150 
I" Laurlere, op. cit., i, p. 789 
1' Leroux de Lincy, Paris et ses hisiorlens, p. 54-55 
a Arch. NeL, JJ 74, N01S7 
" Ordcnnancss des rols, lll, p. 10, 106 
" Blbl. NEL, MS. 11.8.Il.Cl238,N0115,121,172,17B 
" Lelouit de Lincy, op. cit., p. 161i A. Vidiei, NIJieS et documents 
 sie Chepeiie, in: MSHP, 2a, p. 252 
1' R. Favreeu, Les changeurs sous ie regne de Louis Xi, in: Bibi. de 
PEOOIG de Chartes, 122, (1964), p. 225 
1' J. Faigizer, Las contribuabies pariaiens ä I3 firi de la guerre de1OO 
ans, 
1' J. Vlard, Documenis ..„ p. 92 
1' G. COHOZGI, Antiquitez de Paris, Aufl. 155D, VDI. 124! 
ß J. Guenee et F. Lahoux, Les entrees royaies frangaises, p. 4a, es, 
115
	        
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