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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXV (1980 / Heft 171)

1ann Jakob Ulrich. Mühle und Getrei- 
(asten im Salzburgischen. Bleistift, 
x 156 mm 
 
iann JakobUirichßalzburger Bauern- 
ls. Bleistift, 99 x 166 mm 
s hätte entfalten können. Der Blick, mit dem 
Aensch die Welt erfaßt, der Stil, durch den er 
vandelt, sind ein Verfahren, in dem Mensch 
Natur vereint ihr Heil verwirklichen. 
chen 1828 und 1830 geht für Ulrich eine ver- 
ete romantische Sehnsucht in Erfüllung: Zur 
an Zeit wie Corot weilt er in Italien und intensi- 
das Studium von Licht und Farbe. Seine Bil- 
arache bekommt ihren höchst eigenen Aus- 
k: die Weite des Raumes fasziniert dort, wo 
uren im Duft der Atmosphäre verschwimmen 
alles in raffiniert gestuften Nuancen zusam- 
rlingt. Auf der durcharbeiteten Oberfläche 
zr Ölbilder tauchen jetzt einzelne Akzente 
: unvermittelt auf, sondern sie werden vorbe- 
t, wachsen gleichsam organisch aus Ihrer 
ebung. Gefühl vereinigt sich mit durchdach- 
aturbeobachtung zu einem spezifischen Rea- 
JS. Anders als bei Caspar David Friedrich, der, 
lgen von der Sehnsucht nach dem All, neben 
an herausragenden melancholischen Natur- 
lchtungen oft auch gedanklich-symbolische 
.ulationen malt, anders als bei William Turner, 
seine Ideen in rauschhaften Farbspieien ge- 
et, erhält in Ulrichs Bildern mittels der Dichte 
des tonigen und graphischen Ausdrucks die Natur 
ihre kompositionelle Rundung. Ulrich repräsen- 
tiert mit seinen Werken gerade ein Bindeglied zwi- 
schen den Polen des norddeutschen Naturmysti- 
zismus und der arkadischen italiensehnsucht. Es 
geht ihm um die atmosphärischen Erscheinungen 
der Licht- und Farbwerte der Natur, er spürt dem 
Wechsel der Tages- und Jahreszeiten der sich 
ständig verändernden und erneuernden Wirklich- 
keit nach. Ulrich sucht nicht die schöne Ordnung 
klassischer Gebilde, sondern empfindet die Natur 
als Widerhall menschlicher Gefühle, ein Vorgang, 
bei dem der Abstand zwischen Mensch und Ding 
aufgehoben ist. 
1837 läßt sich Ulrich auf Dauer in Zürich nieder. Er 
gründet eine Zeichenakademie und nimmt als ät- 
zender Karikaturist regen Anteil am politischen 
Leben. 1855 wird der Künstler, der wie kein ande- 
rer die französische Landschaftsmalerei in der 
deutschsprachigen Schweiz vermittelte, Profes- 
sor für Zeichnen am Eidgenössischen Polytechni- 
kum. Bis zu seinem Tode 1877 führen Ihn immer 
wieder Reisen nach Frankreich, Belgien, Holland, 
England, Deutschland und Italien, denn er wollte 
nie den Kontakt zu den großen europäischen 
 
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Kunstzentren und den ihm besonders teuren frem- 
den Gegenden aufgeben. 
Wie viele Romantiker liebt Ulrich den Bleistift, 
denn er ist für ihn das Mittel, sich aufs Wesentli- 
che zu konzentrieren. Er beherrscht das Reper- 
toire von der leichten Umrißzeichnung bis hin zur 
präzisen Herausmodellierung der Form durch 
scharfe Linien und kräftige Schattierungen. Durch 
dauerndes Studium der Natur und unentwegtes 
Zeichnen vor dem Objekt kommt Ulrich zur Größe 
und Kraft seines Stils. Wie wenige andere versteht 
er, das Gerüst der Landschaft, ihre geheime Tek- 
tonik deutlich zu machen. Die Natur war für Ulrich 
die Quelle unendlicher Inspiration. Schopenhauer 
vergleicht den "unendlichen Naturgelstu, den "be- 
harrlichen Willen zum Lebenii mit einem Maler: Al- 
les, jede Form des Lebens, "ist nur ein flüchtiges 
Gebilde mehr, das er spielend hlnzeichnet auf sein 
unendliches Blatt, Raum und Zelt und eine gegen 
diese verschwindend kleine Weile bestehen laßt, 
dann auslöscht, Neuem Platz zu machenu. im Be- 
wußtsein dieser Melancholie ist der Wille zur 
Schönheit verborgen. Der Mensch, den Hölderlin 
"König der Endlichkeit" nennt, vermag den flüchti- 
gen Augenbiick zu bannen.
	        
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