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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXVI (1981 / Heft 174 und 175)

 
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Leipzig, nTeutsche Schauspiele" genannt werden, 
die 1726 erschienen und deren Schlüpfrigkeit und 
zotenhaft lockere verwilderte Sprache Gottsched 
u.a. zu seiner Reform bewegten: "Der Academi- 
sche Schlendrianu, iiDer Ertzt-Säufferii und "Die 
Weiber Proben." Von solchen, allerdings noch 
kaum als satirisch zu bezeichnenden Stücken aus- 
gehend, spielten in der Folgezeit Tugend und La- 
ster nicht nur als Ursprünge sprachlicher Stilisie- 
rung", sondern vor allem durch die durchgehen- 
den Charakterisierungsansprüche im moralischen 
Sinne eine Flolle, werden Forderungen an die Be- 
trachter und Zuhörer dieser Darstellungen von z.T. 
objektiver sozialer Stellung und typischer Eigen- 
schaften erhoben. Hier müßte man unsere zwei 
Typen - das naiv-raffinierte (?) Mädchen und den 
von ihr abgelehnten, verlottert haßlichen Auf- 
dringling mit vielleicht betrügerischer Absicht" - 
am ehesten finden, in der Theaterliteratur der Jah- 
re 1726 bis gegen 1740145. Es ist sehr gut möglich, 
daß auch der Profilkopf der Lachenden (Abb. 18) 
hier einzuordnen wäre und daß auch die drei fast 
kreisrunden Elfenbeinmedaillons mit Profilköpfen 
grimassierender Männer, die alle eine Kopfbe- 
deckung tragen, Im Grünen Gewölbe im Sinne der 
Berliner Büsten als Typen des Theaters zu bestim- 
men sind." - Eine Wurzel der Tradition dieser ty- 
pisierten Büsten, speziell des Mannes, geht, sieht 
man von den Commedia-Figuren, wie z.B. Lückes 
eigenem italienischen Poltrone (Abb. 10), ab, auf 
die bekannten Narrendarstellungen u.a. an den 
sogenannten Narrenzeptern bis ins späte Mittelal- 
ter zurück, vergleicht man beispielhaft die Exem- 
plare des Berliner Kunstgewerbemuseums Stif- 
tung Preußischer Kulturbesitz" oder eines aus 
dem frühen 17. Jahrhundert in der Sammlung 
J. Hunt". Hier wäre auch eine Serie von vier 
Frauen-und Männerbüsten unterschiedlicher Phy- 
siognomie - griesgramig, lachend, den Mund wie 
zum Kuß spitzend und eine grinsende Frau - im 
Museo degli Argenti in Florenz" zu nennen, die 
wohl im frühen 18. Jahrhundert entstanden. Der 
Künstler kann sogar ein Niederländer oder Deut- 
scher gewesen sein. -- Sicherlich nicht von J.C. L. 
Lücke selber, eher spät (!) entstanden, ist die erst 
1980 in London versteigerte" Specksteinbüste ei- 
nes Narren (11) auf halbiertem Balustersockel, 
während das Büsten-Paar eines fast zahnlosen 
Mannes oder einer Frau und einer solchem mit 
 
29 
(Abb. 22), das laut Zetlelaufschrift an der inneren 
Deckelfläche des Holzkästchens" die iitod zur 
Welt gebracht(e) 2. Kinder, weibliches Ge- 
schlechts, ..,4l des Pächters Johann George Sper- 
ling in der Dresdner Vorstadt zeigt, die am 12. No- 
vember 1742 geboren wurden. Lücke hat diese auf 
hellrotem, nun verblaßtem Samt liegenden, i-die- 
ses göttliche Welt Wunder diesfallß Gott zu Ehren 
und der Nachwelt zur Bewunderung, ins Kleine 
nachgeschnittenu, dazu auch, wie das Sächsische 
Curiositäten Cabinett, Aufs Jahr 1742 vermeldet," 
nein Original-Modell in Thon oder Gips-r angefer- 
tigt - 22 Zoll lang. Das ist für Lückes Arbeitswei- 
se typisch. - Abgesehen vom kuriosen wie auch 
naturwissenschaftlich interessanten Charakter 
dieser Darstellung, die man u. a. mit Lückes Toten- 
gerippe von 1743 im Grünen Gewölbe zusammen- 
sehen muß und die Lückes Stellung innerhalb die- 
ser frühaufklarerischen Jahrzehnte bezeichnet, 
sind zwei Gedichte zu den Zwillingen für seine 
kunstgeschichtliche wie reale Vita von Bedeu- 
tungßs Im ersten heißt es charakteristischerweise 
nach einer Relativierung der Kunst der Antike für 
Lysipp vBrich aus Deinem Aschen-Topff, prüf dich 
an Lückens Bildern, I wo Natur und Kunst und 
Witz sich in einem Bilde schildernwu. im zweiten 
Gedicht von ähnlich bombastischer Tonart steht 
nDeine Kunst, geprießner Lücke, braucht der Tich- 
ter Wort-Schmuck nicht, I Weil ihr acht und edles 
Wesen selbst von ihrem Werthe spricht: l Dreß- 
den, London, Petersburg rühmen deine Meister 
stückenu. Danach könnte Lücke, der ja wohl sel- 
ber vor oder spätestens 1726 - das erste Mal - 
in London war, auch - gerade vor 1742 - theore- 
tisch selber in Rußland gewesen sein, dort das 
Zarin-Bildnis geschnitten haben (Abb. 5). - 
An dieser Stelle seien noch einige weitere klein- 
plastische Kuriositäten zumindest erwähnt. Es ist 
eine Dose in Gestalt einer Hand mit der Gebarde 
der Fica im Bayerischen Nationalmuseum in Mün- 
chen," deren Deckel eine Fratze ziert und die als 
französisch, Ende 17. Jahrhundert gilt, möglicher- 
weise aber im Lücke-Kreis in Dresden entstand." 
Des weiteren möchte ich auch den ebenfalls aus 
Elfenbein geschnittenen Hund mit prächtigem 
Halsband in der Sammlung J. Hunt, heute in 
Leeds Castle (Abb. 23), mit der Werkstatt J.C.L. 
Lückes zusammenbringen," vergleicht man ihn 
u.a. mit den Tieren der Dresdner Narrengruppe 
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(vgl. Anm. 28), sei für dieses Kabinettstücl 
wiesen. 
Endlich muß hier ein Werk aus Elfenbein g 
werden, von dessen Einordnung und Da 
vor allem der Deutung des Monog 
wl.C.LF.u manch andere Hypothese 2 
(Abb. 24). Es ist der - ohne Deckelfigi 
29 cm hohe Pokal mit bacchantischen Sze 
ne Edelmetallmontierung, im lmparmüves 
zeum Budapest." Sein Aufbau - drei Pu 
dem Bodenstück mit Blattkranzsockel trat 
ebenfalls aus einem Blatterkelch aufste 
Zylinder, ein tanzendes Puttenpärchen 
den von Faunskindern, Laubwerk und F 
überzogenen Deckel - setzt sich in sein 
gedrückt untersetzten Proportionen wie ir 
ordnung der Einzelmotive zueinander, 2 
Schnürrandes oben, des symmetrisch-tri 
Blattkranzes neben dem harten Profil der l 
te, deutlich von der um diese Zeit schon 
fenden Tradition barocker Prunkgefäße in 
Material Elfenbein ab, denkt man u.a. ar 
vom Monogrammisten B.G., aus dem Krei: 
hann Caspar Schenck und von Johann B 
Strauss aus Markdorf am Bodensee in Aug 
oder an die des Joachim Hennen in Hamt: 
penhagen und Berlin". Kaum nach dem s: 
definierenden Figurenstil als nach der 
dung des dicklappigen und dünn, dürr u 
ausgezogenen Akanthus unten und ober 
man noch an eine Entstehung bis gegen 
denken. Die eher plumpe Zeichnung und l 
fen wirkende Bewegung und Anordnung v 
ren und Gegenständen auf dem realen B0 
- ohne feinere Stufungen und Übergang 
dem Fieliefgrund sowie die wenig über 
wirkende Verwendung der Putten als Trä 
ren" scheinen auf eine ihrer künstlerischi 
und ihrer Technik (noch?) nicht sicheren 
deuten. - ist das Monogramm also Johz 
stoph Lücke Fecit zu lesen? ist es ein früi 
von ihm, wobei auffiele, daß der Vorname 
fehlt? Führt - nach Typen, Stil und Te 
von hier ein Weg u.a. zu dem 1728 r 
Lukrezia-Flelief aus Stein, zur Terracotta 
trone von 1729 (Abb. 10), der Dresdner E 
gruppe des Chronos (Abb. 12) von 1736 I 
zahlreicher werdenden Wickelkinddarst 
der Zeit vor und um 1755l60? J. Rasmusse 
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