lichlß
Eines der wenigen festen Daten im Werk Lückes,
vor allem in der Skulptur großen Formats, haben
die lebendig-reizvollen, in der Oberfläche wie in ih-
ren Bewegungsmotiven sehr differenziert behan-
delten, ca. 101-105 cm hohen Sandsteinfiguren
der vier Jahreszeiten als Putten, die - heute im
Staatlichen Museum Schwerin - ehemals vor
dem Teepavilion im Burggarten Tür und Treppe
flankierten (Abb. 34, 35, 36V". J.C. L. Lücke hatte
offenbar nach den seit 1742 geführten, am Ende
gescheiterten Verhandlungen auch noch weitere
Figuren für den Herzog von Mecklenburg-Schwe-
rin (nach Boitzenburg in den Park) liefern sollen,
an deren Steile in Schwerin dann später 16 Sta-
tuen der Permoser-Werkstatt von vor 1700l1720
aus Hamburg traten, die dort bis 1754 den Behr-
mannschen Garten geschmückt hatten)" - Für
Lücke sind typisch die in ihrem Stand, ihrer Hal-
tung keineswegs exaitierten, sondern ruhig, fast
behäbig posierenden Kinderfiguren, deren Phy-
siognomien äitiich-erwachsen wirken, deren mimi-
scher Ausdruck zwischen dem Ernst und der Be-
deutungshaftigkeit allegorischer Aussage und zu-
gleich ironisierender Distanzierung angesiedelt
erscheint. Dazu gehören die auch technisch vor-
zügliche Behandlung und Kennzeichnungvon strah-
nig-dünnem Haar und verschiedenartiger Kostüm-
teile, die Liebe zum Detail, z. B. bei den Attributen
des Sommers (Abb. 35) das Lamm, Sichel und Äh-
renbüschel, Bänder, Blüten und Schleifen, der
kecke "Dreispitzu oder beim Frühling (Abb. 34) das
zarte Muster des Mieders, die auf der Rückseite
mit einer Schleife gebundene blütengeschmückte
Haube, die an das elfenbeinerne Kinderprofil den-
ken iaßt (Abb. 14). Für diese Schweriner Statuen
wie für die sicher späteren Jersbecker Putten, de-
ren exakte Prototypen anderer Art zu sein schei-
nen, sei hier auf Balthasar Permosers steinerne
Wiederauer Putten von 1724m und Johannes Chri-
stian Kirchners allegorische Puttenserien in Joa-
chimstein von 1721 -32 verwiesen - etwa die
Gruppe der r-Zeit, die die Wahrheit enthüllt-r oder
die Allegorie auf den Tag (Abb. 37V" -, die zuge-
gebenermaßen noch barocker wirken und noch
nicht den ausgesprochen bürgerlich-biederen, da-
bei aber auch fast sich selber persiflierenden Cha-
rakter haben wie diese Schöpfungen J.C.L.
Lückes, die Schweriner Jahreszeiten.
In welchem Maße neben Balthasar Permoser, des-
sen expressiv bewegte, oft das kleine Format be-
vorzugende Darstellungen - z. B. eine erst kürz-
lich erworbene allegorische Puttenfigur aus ge-
flecktem Marmor in der Dresdner Skulpturen-
sammlungm - Lücke im Formaten beruhigte, im
inhaltlichen, z. B. im Bereich der komplizierten Ai-
legorie des Spätbarock, im Sinne der Aufklärung
eher vereinfachend und leichter einsehbar abwan-
delte, vor allem dessen Mitarbeiter und Nachfol-
ger am Dresdner Zwinger u.a. w. - Joachim
Kretzschmar (Abb. 11), Matthäus Oberschall, Ben-
jamin Thomae, Paul Heermann und Paul Egell für
J.C.L. Lücke von Wichtigkeit waren, wäre in einer
gesonderten Abhandlung zu untersuchen. Allen
ist mehr oder weniger deutlich eine ausgespro-
chen virtuose Behandlung naturgetreuer Details
bei ihren Figuren, den Kostümen wie Attributen zu
eigen, allen die Doppeltätigkeit im Bereich der
Groß- und Kleinplastik. So sei u.v.a. für Johann
Benjamin Thomae (1682-1751) und seinen Kreis
auf die -- dem Zeitgeschmack entsprechenden -
Kostümfiguren des ehemaligen Türkischen Gar-
38
Gärtner am Stadtpavillon des Dresdner Zwingers
von 1718I19 verwiesenf" dem noch ganz die
individuell-menschliche, aber auch andeutungs-
weise geistreich-witzige Interpretation, wie sie
Lücke hat, fehlt. - Paul Heermanns (1673 bis
1732) großenteils gedrungener proportionierte,
schwerfäliiger bewegte und in einer besonderen
Weise an antiker wie französischer Kunst orien-
tierte Figuren - er war auch Restaurator! -
scheinen, sieht man von den möglicherweise von
37 Johann Christian Kirchner, Allegorie des Tages. Stein.
1721132. Joachimstein, Schioß
Anmerkungen 124 - 142
l" s. Asche, Boettgarsteinzeug (Anm. 31), Abb. 2a e 30. - Dersel-
be, Zwinger (Anm. 120), Abb. 176-1110.
'15 S. Asche, Zwinger (Anm. 120), Abb. 310. Zu den Putten Kirch-
ners vgl. Anm. 125.
'" lnv. Nr. 231 (Frühling), 232 (Herbst). 233 (Sommer). Der Winter
iehit. Für die Abblldungserlanbrils danke ich Dr. H. StILltZ,
Schwerin. - Gerd Dettmanri: Permoser-Skulpturen. inC
Kunstchronik 5B, NF XXXIV, Nr. 8, 1922, S. 148-150. - Eine
Abb. aller vier Figuren bei Werner Burmoister: Mecklenburg.
Deutsche Lande, Deutsche Kunst. Berlin 1926, S. 47, 63,
Abb. 124.
"i Sigrried Asche: Balthasar Permoser, Leben und Werk. Berlin
1978, S. 1571., Nr. W. 37.
'" S. Asche, Permoser (Anm. 127), Abb. 285-289.
'" S. Asche, Zwinger (Anm. 120), Abb. 202-213, bes. Abb. 203,
209 (Der Tag, H. 120 cm). s. 32a.
m Ausführliche Publikation durch M. Raunschßssel steht bevor.
S. Ausst. Kit. 1700 - tal Fanke och rorm i rokokon, Nil. Mus.
Stockholm 1980, S. 2098, Kat. Nr. 611, Abb. - Ob nicht gerade
im Vergleich mit dieser Permoserschen Figur der Fulto als AI-
legorie des Winters aus geflecktem Marmor von nur 15 cm Ho-
he, ehem. in der Stadtblbliothek Leipzig, heute im Museum der
Bildenden Künste (lnv. N1. 250), von J.C. L. Lücke sein kann?
Ernst Micrialskl: Balthasar Permoser. Frankfurt a. M. 1927,
S. 21, Abb. 96. - S. Asche, Zwinger (Anm. 120), S. 307, Nr. 2c)
als Paul Heermann.
"' S. Asche, Zwinger (Anm. 120), Abb. 136-138.
"l S. Asche, Zwinger (Anm. 120), Abb. 1441.
"' S. Asche, Zwinger (Anm. 120), Abb. 266.
"' Vgl. Anm. 94 und J. Fiasmussen (Anm. 4), unter Kat. Nr. 205. -
St. Bursche (Arlm, 29), S. 55, Kai. N1. 27, Abb. S. 56.
'" S. Asche, Zwinger (Anm. 120), Abb. 258.
"t S. Asche, Zwinger (Arlm. 120), Abb. 186i.
i" s. Asche, Zwinger (Anm. 120), Abb. 19a - 201.
'"a H. Rückert: Der Hotnarr Joseph Frbhllch I. in: Kunst und Antl-
quitäten W80, S. 4211., Abb. 1 i.
"' S. Asche, Zwinger (Anm. 120), Abb. 214.
'" S. Asche, Zwinger (Anm. 120), Abb. 223.
"v Das Gesicht des Schweriner Frühlings, seine Behandlung der
Tracht unmittelbar vergleichbar. s. Asche, Zwinger (Anm. 120).
Abb. 23Df.
i" Es war rnir nicht mogllch, die Stellung der zwei Obsrlebensgro-
Ben Sendsteinllguran der nLisbeu und einer Hebe (Y) im Park
des Schlosses Groba bei Riese Zu überprüfen, die - um
1720i30 im Permoser-Kreis entstanden - Lücke verwandt
scheinen. (Jornelills Gurlitt: Kunstdenkmaler des Königreiches
Sachsen XXXVll, 1919, S. 74, Abb. 1241.
'" C. Gurlitt (Anm. 141), S. 75, 7711., Abb. 107, 112, 114.
Lücke mocnte man noch i-raui cgeiis (i
1752) "Spielende Nymphen von 1718119 a
ger nennenm, die in besonderer Weise Pe
Stil individualisiert abwandelt. Und Joha
stian Kirchners Büsten des Oberlandbaui
J.F. Karcher und seiner Frau von
Leubnitzmi z.B. oder seine vier großen Al
in der Sala Terrena des Schlosses zu J
stein von 1721l22m wie die dortigen zah
Puttendarstellungen scheinen nun in ihre
ternen Realismus, in ihrem scharfkantigei
stil, der liebevollen, aber trocken wirken
dung aller Details unmittelbare Vorausse
für J.C.L. Lückes Bildniskunst, seine
schen Darstellungen, für Werke wie das l.
Relief von 1728 z. B. zu sein, wobei allerd
letzte heroische Zug und der kühle Kias:
Kirchnerscher Figuren fast verschwindet.
legorische Büste wie die der wEuropaw (
bezeugt das. Lückes Auffassung vergleii
ihm früher sogar selber zugeschrieben, il
lem Gottlieb Kirchners um 1730 entstand
ße Meißner Porzellanbüste des Gottfried
del in der Dresdener Porzeilansamm
Kirchners Piqueur aus einer ganzen Reihe
und zahlreiche Putten als Handwerker u.ä
Terrasse am Schioß Moritzburg von etwa
seien stellvertretend für die Vorbilder im
des Themas Genrefigur genannt, die i
Lückes Straßenhändler (Abb. 16) im klei
mat und vor der Porzellanplastik das t
rocker Kleinplastik bedeutet, denn Gru;
z. B. die von "Zeit und Kunstu (Abb. 12) s
lich ein - allerdings verfeinertes - De
ähnlichen Kompositionen im Großen, e
J.C. Kirchners mythologischen Gruppen.
und Sentiment besonders nahe und Lüc
fassung dem Typ nach eng verwandt sii
ners Allegorien der Freigebigkeit und del
von 17301" am Kronentor des Dresdner 2
Solange jedoch kein für J.C.L. Lücke ge:
Steinbildwerk oder überhaupt eine Figur
großen Formats aus der Zeit vor 1733, s
sten Bewerbung als Hofbiidhauer in Dr
der Nachfolge Balthasar Permosers,
ist,'" wo er ja in Meißen 1728 auch Fertig
Können in diesen Bereichen zu haben als
setzung angab, müssen wir weiterhin an
daß Lücke bis dahin wirklich fast nur in
Format, in Elfenbein, Ton, Stein, in seine
len Wachs-Gips- oder Stucktechnik Aner
wertes leistete, was die Werke seit 1726l2
Die Schweriner Putten von 1742, sind sie
nur eine Umsetzung kieinformatiger Koi
nen ins Große? Oder haben so ähnlic
Lückes erste Modelle für Meißen 1728l29
hen, die nicht ausgeführt, akzeptiert wu
in Ton, nicht aus Holz gewesen sein müß
wäre es um so wünschenswerter, wenn l
als es die hypothetisch Lücke zugewies
iiefs (Abb. 27, 28) zeigen, über seine Täti
Holzschnitzer wüßten, als der er z. B. die
tung der Pfarrkirche in Gröba bei Ries:
1734"? übernommen haben soll. Wenige
zwei Putten geschmückte Kanzelaltar Ui'lt
Ende des 19. Jahrhunderts als Geschei
Kirche gekommene Putto als Träger de
sches als die vorzügliche Akanthusverzie
nördlichen Logenprospekts in weiß gesti
Holz bezeugen eine qualitatsvolle Techni
können u.a. mit dem Ornament des Bu
Pokals (Abb. 24) verglichen werden. Te