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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 12)

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mehr viel Einfluss auf diese Gebilde ausübte, ist die geringe Strenge und 
Folgerichtigkeit der Gedanken, die zur Darstellung kamen, leicht erklärt. 
Beginnt die Heuchelei, so folgt, mit dem Judenhule angedeutet, der Un- 
glaube, der ja oft durch Heuchelei seine Lehensfrist, wenigstens im Mittel- 
alter, zu verlängern weiß. Folgen drei Thiere: Löwe, Adler, Taube. Beim 
Löwen wie heim Adler ist es für die mittelalterliche Symbolik wichtig zu 
unterscheiden, ob sie in Thätigkeit sind oder nicht; sie können ganz ver- 
schiedene"), ja gerade entgegengesetzte Sachen je nach ihrer Haltung 
bedeuten. Hier stehen Löwe, Adler, Taube ruhig nebeneinander: kein r 
Kampf, es ist wie eine paradiesische Ruhe. Wäre das richtig, dann bezeichnet 
der Löwe den Wächter des paradiesischen Heiligthums der Kirche; der Adler 
bezeichnet die Erneuerung des sündhaften Menschen durch Untertauchen in 
der Quelle des ewigen Lebens (u; m2, 5) renovabitur ut aquilae iuventus 
tua, und die Taube symbolisirt die zornlose Einfalt der Gläubigen. Mit 
der vorangehenden Gruppe ist ein sehr loser Zusammenhang, den übrigens 
Jedermann sich selber machen kann. Noch näher an die Thlir heran- 
tretend, sehen wir eine Gestalt, die mit einer Narrenprilsche ausgestattet" 
ist, durch eine Bocksgestalt mit Hörnern, wahrscheinlich den Teufel, 
fortgezogen: also wohl einen Religionsspötter; ganz nahe am Thlirpfosten 
ein Affe mit Apfel. Der Affe") erscheint als ein Abbild des Teufels, des 
Lucifer, der dem Throne Gottes am nächsten gestanden und durch Stolz 
vom Himmel gefallen ist, des Nachäffers Gottes. Wir hätten also, wenn 
wir eine Gedankenfolge linden wollen, hier die Heuchelei, den Unglauben, 
daneben Beruhigung in der Kirche gegenüber dem Spötter, den der Teufel 
an sich reisst, und dem Stolze des Teufels. Aber ich muss gestehen, dass 
ich selber auf solche Gruppirung nicht viel gebe. 
Rechts oben, beginnend irn Winkel, den die gothische Vortnauer 
bildet, glaube ich die tanzende Herodias zu erkennen, wobei zwei Leute 
musiziren, während Herodes zusieht. Ein Bild der leichtfertigen Sinnen- 
lust und ihrer Folgen (Tod des heil. Johannes). Daneben ein aufrecht- 
stehendes Thier mit Doppelschwanz, dessen Enden in je einen Hundskopf 
ausgehen. Das dürfte wohl eine Sirene sein, ein Meerweib; hier an der 
Kirchthür bedeutet es die Versuchung durch den Häretiker (Lauchert, 
S. 18). Und folgt man dem heil. Basilius, so kommt man ähnlich auf 
die Darstellung des Teufels, der durch Lüste die Seele anlockt und 
") Löwe: Siehe Heider, Ueber Thiersymbolik und das Symbol des Löwen in der 
christlichen Kunst. Wien X849. (Vorläufer des Werkes über Schongrubern.) 
") Der Affe erscheintjm lat. Physinlogus, welchen Heider 185i aus einer Gött- 
weiger Handschrift herausgegeben hat, nicht, aber die beiden althochdeutschen Hand- 
schriften, die Heider verglichen hat, kennen wohl die Aeffin; so auch die mittelalter- 
liche deutsche Uebersetzung, welche Lauchert S. 180 abdruckt. Da unser Bildhauer 
dem Alfen einen Apfel gibt, der wohl an Eva, oder noch richtiger an die verführende 
Schlange erinnern mag, so liegt e: nahe, an eine Aeffin zu denken und an den Stolz 
ader die Eitelkeit. Ueber den ägyptischen Ursprung dieses Symbols s, Laucbert S. 36.
	        
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