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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXVI (1981 / Heft 177)

ina Egger 
e Frage nach dem Inventor 
s Bildprogramms von 
ft Altenburg und die 
mographie der Sakristei 
Zusammenhang mit der Betrachtung des 
ist komplizierten, aber doch sehr einheitli- 
I Programmes der bildlichen Ausstattung des 
es Altenburg drängen sich zwei Fragen auf. 
zrste richtet sich nach dem "Inventor", also je- 
Manne, der das Gesamtprogramm ausgear- 
at hat, der von Anfang an Anweisung gab, wei- 
Zyklen, welche Allegorien in den jeweiligen 
ten und Räumen dargestellt werden sollten. 
1 daß eine solche Konzeption bestand, erwei- 
die in allen Trakten und Räumen des Klosters 
rer Bedeutung harmonisch ineinander überge- 
len Fresken. Stucchi und Plastiken. Die zwei- 
age gilt dem Inhalt und der daraus sich erge- 
Ien Bedeutung der Dekorationen - im einzel- 
und im ganzen. 
erlei Urkunden, Briefe oder sonstiges schrift- 
ES Material geben über den, der sich alles er- 
ite, Auskunft; außer einer sicherlich panegyri- 
in, lobrednerischen, aber doch auf Wahrhei- 
beruhenden Trauerrede auf Abt Placidus 
h aus der Feder des Klosterneuburger Kanoni- 
Gregorio Grueber! Heißt es doch dort, daß 
Abt Placidus Much die Tugenden der Gerech- 
lit, Weisheit, Mäßigung und Stärke, die in der 
e ihre Vollendung finden, zum Grundsatz sei- 
.ebenswandels und seines Denkens gemacht 
Dieses ausführend, erwähnt der Redner, daß 
Abtes Grundsatz von der Gerechtigkeit unter 
fung auf das Testament in dem Satz gipfelte 
Gott, was Gottes ist, dem Kaiser, was des 
ers Ist-l, jenem Satz also, der im Gleichnis 
Zinsgroschen eigentliche Aussage ist (Matth. 
. Gerade im ersten Nebenkuppelfresko der Bi- 
hek des Stiftes zu selten der Kirchenvater, 
Indung schaffend zur Darstellung des Gleich- 
es vorn Zinsgroschen, ist der Bienenkorb aus 
Wappen des Abtes dargestellt. Aber nicht in 
en und Gleichnissen allein bestand die Ge- 
tigkeit des Abtes Placidus, sondern in den 
ten, denn "selbige waren wie das Feuer, nicht 
"iell leichtend, sondern auch sehr würkendii, 
at ihm in all seinen Verrichtungen geleuchtet, 
i! mit Klugheit und Vorsicht durchführte? 
ar erfüllt von Weisheit - und der Lcbredner 
it dazu, "wenn blindes Heldentum noch zu 
arer' Zeit regierte, würde Placidus der Weis- 
einen Tempel erbaut haben, gleich Augustus 
er Egeria. Doch da er dies nicht konnte, errich- 
er eine Bibliothek, ,welche mehr ein Tempel 
NeisheitW ist als ein Ort für die Aufbewah- 
von Büchern Gelehrter. 
iheit führt zur Mäßigkeit, die Placidus in sei- 
_ebenshaltung bewies und die ihn zur Spar- 
(eit führte, die ihm verhalf, sein "Himmli- 
s Jerusalem-r zu gestalten! Die vierte seiner 
inden war, folgen wir weiter den Ausführun- 
ier Traueransprache, seine Stärke, unter dern 
lpYUCh Fortia agere, die zur Liebe führte, de- 
iöchste Stufe die Gottesliebe ist. "Was zeigen 
nit Marmor überzogenen Mauern der Kirche, 
1 der Kuppel und den Altären kostbarsten Ge- 
le  übereinstimmend mit dem so häuffig auf 
Nanden schimmernden Golde, diese, aufwei- 
ich stehe, kunstreiche Kanzel, das herrlich- 
ste Chorgestühl als ein Werk zur größeren Ehre 
Gottes, aber wer hat solches ausgeführt? Als 
eben Placidusmu Dem Prunk der Kirche, in dern 
die Herrlichkeit Gottes auf Erden erwiesen werden 
soll, wird entgegengestellt, daß Abt Placidus sich 
auch eine seinem Amt gebührende Wohnung er- 
richtete, den Prälaturtrakt, ndoch hat er solche 
nicht bezogen und sich mit der alten vergnühetli. 
Aus all den in der Rede des Kanonikers Gregorio 
Grueber zusammengefaßten Eigenschaften und 
Denkungsarten des Abtes Placidus kann - unter 
Einbeziehung zweier erhaltener Urkunden, nam- 
lich jener, in der Abt Placidus Paul Troger den Auf- 
trag gibt, ihm an der Decke über der Feststiege 
das schon im Stift Seitenstetten einmal gemalte 
Fresko zu wiederholen, und jener, in der er sagt 
"H. Schlederer verspricht mir eine Statuam sambt 
Schwan unter mein Stieg mit einer Muschel seiner 
Kunst gemäß zu verförtigenuß - vermutet werden, 
daß er der Inventor des Gesamtprogramms war, 
daß er von Anfang an wissend und bestimmend al- 
les lenkte und daß es seine, des Abtes Placidus 
Much, Idee war, den Gesamtkomplex des Stiftes 
mit Ausnahme von im Vergleich zum Ganzen weni- 
gen, nutzbaren Räumen zu einer Folge von Zen- 
tren der Meditation, der Einkehr und Besinnung in 
Hinblick auf den alles umfassenden Kosmos wer- 
.1. ovciile-t 
  
den zu lassen. Die Zahl vier, wohl zurückgenend 
auf eine barocke Idee der Wiedererrichtung des 
Tempels Salomonis, prägt die Gesamtkonzeption 
des Stiftes. 
Zunächst sind es die vier Elemente, die die Raum- 
konzeption der Gesamtanlage und ihrer Trakte be- 
stimmen. Das Element des Wassers ist in der Sala 
terrena faßbar gemacht. Die Erde ist im Marmor- 
und Kaisertrakt zu erfassen, die Luft in der Biblio- 
thek, das Feuer im Festsaal in der Prälatur. Die in- 
nere Gliederung der einzelnen Räume folgt dann 
der Idee der Darstellung der belebten Welt nach 
Jahreszeiten, Erdteilen, Temperamenten und Fa- 
kultäten, alle auf der Vierzahl basierend. Darüber 
steht die christliche Interpretation des Lichtes 
und seiner Erscheinungsformen. Das Lumen natu- 
ralis wird als das natürliche Licht der Sonne in der 
Prälatur dargestellt, wobei das Bild der Sonne am 
Himmel den himmlischen Ruhm, das Wissen um 
die göttlichen Dinge und den Glauben an Christus 
sowie die Schönheit der guten Sitten bedeutete 
Das Lumen fidei et sapientiae, das Licht des Glau- 
bens und menschlicher Erkenntnis, leuchtet über 
der Feststiege des Marmortraktes, das Lumen veri- 
tatis, Licht der Wahrheit, im Vorraum zur Biblio- 
thek, hinführend zum Lumen sapientiae divinae, 
Licht göttlicher Weisheit, in der Bibliothek. 
Der Sieg des alles umfassenden göttlichen Lich- 
tes, der letzten Wahrheit, aber wird in der Kirche 
im Triumph Mariens dargestellt, die in Gestalt des 
apokalyptischen Weibes als lmmakulata über die 
Mächte der Finsternis sich triumphierend erhebt. 
Dieses das ganze Kloster umfassende Programm 
ist dargestellt inmitten der Schöpfung. Denn am 
ersten Tag fand die Scheidung von Licht und Fin- 
sternis, die Ordnung im Chaos statt. Dies findet in 
der Gesamtanlage seinen Ausdruck, die den Ab- 
grund in der Krypta ebenso sichtbar macht wie die 
obere Welt In den übrigen Räumen mit Elementen, 
Erdteilen, Jahreszeiten und Lebewesen. Am zwei- 
ten Tag schuf Gott das Firmament "in medio 
aquarumii, inmitten der Wasser, ausgedrückt 
durch die Lage der Kirche zwischen Sala terrena 
und Krypta, die die Erscheinungsformen des Was- 
sers vor Augen führen. Zeigt doch die Sala terrena 
das Wasser als Quelle des Lebens, die Krypta das 
Wasser des Abgrundes, das Wasser als Quelle 
des Todes. Am dritten Tag entstand die sichtbare 
Welt, das Meer und das Land, die innere Ordnung. 
Ausgedrückt wird dies durch die Thematik der Sa- 
la terrena und in den Bildern der Raume des 
Marmor- und Kaisertraktes. Am vierten Tag ent- 
stand die Iichtbringende Sonne, dargestellt im 
Festsaal der Pralatur, im Sieg des Lichtes über die 
Finsternis, und in der Bibliothek, die das Licht 
göttlicher Weisheit erkennen läßt. Der fünfte und 
sechste Tag brachte die Belebung der Welt: Fi- 
sche und Vögel in den unteren und oberen Rau- 
men und schließlich den Menschen, der alles be- 
herrscht und die innere Ordnung setzen soll: Die 
Erdteile mit ihren Verschiedenheiten, die Tempe- 
ramente und Fakultäten als Ausdruck höchster 
menschlicher Fähigkeiten unter der Herrschaft 
der Sapientia humana. Die höchste Spannung in- 
nerhalb der menschlichen Ordnung liegt zwischen 
der Herrschaft des Kaisers und der kirchlichen, 
vertreten durch den Abt. Sie findet im Kaisertrakt 
und in der Prälatur ihren Ausdruck. In den Räumen 
des Marmortraktes und in der Sakristei, die später 
zu besprechen sein wird, wird die ideale Vereini- 
gung der beiden Ordnungsprinzipien dargestellt. 
Der siebente Tag aber, an dem Gott ruhte "et be- 
nedixitu, ist durch den kontemplativen Bereich 
des Konventes repräsentiert, der außerhalb des 
großen Konzeptes liegt und dem monastischen 
Leben und Gebet gewidmet ist. 
Ein letztes Mal zusammengefaßt werden all die 
Trakte und Räume durch die Liebe. Zeichen der ir- 
dischen Liebe ist die Figur der Leda an der Basis 
der Stiege im Marmortrakt, sichtbares Zeichen der 
himmlischen die Figur der Caritas unter der Präla- 
tur. Die geistige Liebe ist in der Verbindung von 
Religion und Wissenschaft dargestellt. im großen 
Festsaal der Prälatur aber, der dem Feuer und 
dem Licht gewidmet ist, erfüllt die Liebesthematik 
den Raum; es ist das brennende Feuer der Liebe, 
das den Bauherrn Abt Placidus Much auszeichne- 
te, das ihn In seiner Gottesliebe veranlaßte, dem 
Schöpfer der Welt eine würdiges Haus auf Erden 
zu errichten. 
In der Kirche, im Fresko der großen Kuppel mit der 
Darstellung des apokalyptischen Weibes, trium- 
phiert die Jungfrau Maria, die durch die unter dem 
ovalen Sims der Kuppel in den sich ergebenden 
acht Eckzwickeln angebrachten Stuckemblemata 
mit dem Triumph der Ecclesia vereint wird. Denn 
es bedeuten diese Emblemata acht Stufen der 
kirchlichen Hierarchie, das Lectorat mit Buch, 
Stola und Vortragekreuz, den Exorcist mit Altar- 
kreuz, Weihwasserkessel und Buch, den Akoluth 
mit Altargerät, den Diakon mit Lavabo und Pontifi- 
kalhandschuhen, den Priester mit Monstranz, das 
Bischofsamt mit Stab, Mitra und Weihrauchgefäß, 
die Erwählung zum Kardinal mit Kardinalshut und 
Der Seiner Leich-Besingnus. Gedruckt zu R611 bey Chrlsioph JO- 
seph Hueth. 
Es wurde zum Teil im zum besserer Vevständllchkell wegen In 
"klingen 1 - 6 eine moderne Sprachlorm (ranskrlplen. 
J Gruebev, Grsgorlo, Ehren und Trauerrade dem Weyland ' Vgl. dazu meln elnleitendes Kapilel zu x-Die Eilderwelt des S1"- 
l PISOIGO .. . Ab! und Fralaten Im Jahra1756 den 13, Sepiem- (es Altenburgu in: Hanne Egger- Gsrhart E999! - G189!!! 
Sohwelqnoler-Gerhurd Seshach. Still Allenhurg und seine 
Kunstschätze, sa. Pbltenbwlan 1951. s. am. 
ß ÖKT v, s. 261 sowie am Im Kat. Schatzkammer m der Prälatur 
von e. Schwelghofer s. so". publlzisrlen Regeslen. 
- Maszenlus 1., Spaculum lmaglnum verltatls occullae. Köln 1ae1, 
P. 7 . 
7
	        
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