Gregor Martin Lechner OSB
Johann Andreas Wolffs
Hochaltarbild in Göttweig
Die Darstellung der itAssumptio B.M. Virginisii im
Hochaltar der Stiftskirche von Göttweig vom kur-
fürstlichen Hofmaler Johann Andreas Wolff (1652
bis 1716) in München gehört laut Ludwig Waagens
Münchner Dissertation1 vom Jahre 1932 der
2. Schaffensperiode des Malers an, die als vom
"plastischem Stil geprägt bezeichnet wird. Auf
diese Phase folgt ab 1696- 1704 die sogenannte
"dramatischen. Das Göttweiger Altarblatt steht
mit seinem Vollendungsdatum 1694 laut ligierter
Signatur an der Nahtstelle beider "Stilen. Voraus
gehen mit demselben Thema 1691 das zweiteilige
Hochaltarbild für Kloster lndersdorf und das Sei-
tenaltarblatt mit der Darstellung des Todes des
hl. Joseph in der Klosterkirche von Garsten. Das
Göttweiger Altarbild fällt in die Zeit der Arbeiten
Woiffs für die Münchner Residenz, in der der
Künstler zusammen mit Francesco Fiosa aus So-
azza (ab 1679-1701 in München tatig nachgewie-
sen) im sogenannten Steinzimmerl und im Vier-
schimmelsaai arbeitet, wo sich seine Farben
durch lebhafte Helligkeit auszeichnen. im selben
Jahr wie das Göttweiger Hochaltarbild stehen der
iiTriumph des hl. Erzengels Michael" für Berg am
Laim," später von Franz lgnaz Öfele an vier Seiten
erweitert, weiters die heute zerstörte "Himmel-
fahrt Mariensu für die Karmeliterkirche in Mün-
chen und die Darstellung der Flucht nach Ägypten
in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen
in München. Vorn Jahre 1694 stammt auch die
vBergung der hl. Katharina von Alexandrientd für
die Münchner Frauenkircheä und 1695 das Altar-
blatt vorn Münchner Rupertiaitar mit der Darstel-
lung der Gründung der Wallfahrt von Altötting
durch St. Rupert} beide heute vorübergehend im
Erzbischöflichen Diözesanmuseum in Freising.
Die lmmakuiata der St-Georgs-Kirche in Amberg
von 1696 und ein Jahr danach der Lanzenstich am
Kreuz Christi für Heilig Blut bei Erding gehören be-
reits der dritten, der "dramatischen" Phase Wolffs
an.
Das Göttweiger Altarblatt Wclffs befindet sich
nicht nur in Nahe dieser Zäsurstelle, sondern wird
als klassisches Beispiel seines plastischen Stils
bezeichnet und steht unmittelbar in der Beeinflus-
sung durch die Kunst des Federico Barocci aus
Urbino (1535-1612). Zudem tritt Wolff mit dem
überdimensionalen Göttweiger Bild, Formati von
H. 5,82 m x Br. 3,93 rn, erstmals aus dem Kreis
zeitgenössischer österreichischer Meister, wie
Martino und Bartolomeo Altomonte, Karl Reslfeld,
Daniel Seiter (1649-1705), Michael Fiottmayr und
Peter Strudel, ferner Wenzel Halbax (1661 - 1711)
und Franz Karl Ftemp (1674-1718), an die erste
Stelle. Als Abschluß steht das Fiiesenformat der
"Verklärung Christiii am Hochaltar der Stiftskir-
che Kremsmünster" von 1712. Auch hier ist
Barocciß noch als Vorbild durchzuspüren, etwa die
Darstellung der nFürsprache des hl. Franz von As-
sisii- von 1581 in San Francesco zu Urbino. Den
Nachstich überliefert 1588 Francesco Villamena
(1556 -1624).
Für Göttweig dienten als Vorbilder die iiMadonna
del Popolou in den Uffizien zu Florenz," 1579, und
die w-Assunzio della Vergineu" einer italienischen
Privatsammlung. Die Rezeption erfolgte weitge-
hend über Stiche, da Barocci bedacht war, den
Ruhm seiner Werke durch das Medium der Radie-
rung möglichst zu verbreiten. Die vielen Studien
und Zeichnungen weisen Baroccis strenge Selbst-
kritik aus. Darin ist auch Johann Andreas Wolff
verwandt, der stark um seine Bildentwürfe gerun-
gen hat. Sein Biograph weiß zu berichten, daß er
Anmerkungen 1- 15 s. S. 30
ein Altarblatt oft zwei- bis dreimal gezeichnet hat,
bevor er mit dem Malen anfing. Auch dann sei al-
les wieder anders skizziert worden, denn die Men-
ge seiner Eingebungen und Gedanken ließ ihn
nach den wirkungsvollsten Effekten suchen. So
haben sich auch seit Waagens Aufstellung mehre-
re Skizzen Wolffs für sein Göttweiger Hochaltar-
bild erhalten, deren Zuordnung trotz gleichem Su-
jet, wie 1701 im Dom zu Passau und 1708 zu Wald-
sassen, immer noch kontrovers ist." Die Staatli-
che Graphische Sammlung in München verwahrt
unter der lnv. Nr. 236 eine Himmelfahrt Mariae in
brauner Feder, farbig laviert (H. 33,8 x Br. 17,6 cm),
die in der Ausstellung" "Kurfürst Max Emanuel,
Bayern und Europa um 1700i: mit Göttweig in Ver-
bindung gebracht wurde. Zwar stimmen die Maß-
einheiten auf dem Blatt, angegeben mit v-G Schuh
3 Zoll breitu und whoch 10 Muenchen Schuh-i nicht
mit den Göttweiger Endmaßen überein, denn eine
Umrechnung auf heutige Maße ergibt nur 292 crn
1 Göttweig, Hochaltarbild der Stiftskirche, i-Aufnahme
Mariens in den Himmel-x. Ol auf Leinwand. 1694 von Jo-
hann Andreas Wolff
an Höhe. Als Lösung dieser Diskrepanz wird eine
Planänderung des Auftraggebers Abt Johann V.
(1672 bis 1689) nicht ausgeschlossen. In diesem
Zusammenhang wird mit dem Hinweis auf Dr. P.
Volk eine weitere Federzeichnung Woiffs im Wall-
raf-Flichartz-Museum zu Köln, lnv. Nr. 7310, apo-
strophiert, die, ursprünglich unsigniert, die nach-
trägliche alte Aufschrift vChristoff Stuben" trägt.
Die Zeichnung hat die beachtlichen Maße von H.
80 x Br. 49,5 cm und ist in brauner Feder mit
Grau- und Braunlavierungen sehr sorgfältig aus-
geführt. Eine dritte Zeichnung verwahrte die Gra-
phische Sammlung zu Aschaffenburg (lnv. Nr. Hz
i, 62), bei Waagen unter Nr. 1, S. 137, angeführt.
Auch Dieter Graf" kennt diese Zeichnung nicht
einmal im Foto, da sie 1932 abhanden kam und
bisher nicht mehr aufgetaucht ist. Somit bleibt
Waagens Identifizierung der Münchner Zeichnung
mit dem Göttweiger Altarbild zu überprüfen. Im
Fall einer Hinzunahme einer weiteren Zeichnung
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