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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXVII (1982 / Heft 180 und 181)

durch Erzbischof Konrad verbrieft. Von seiten des 
Domkapitels gab es dagegen immer schwere Anfech- 
tungen. die im 15. Jh. einen Höhepunkt erreichten, 
1487 erfolgte wieder eine Entscheidung und dann 
1521 die wultima sententia definitiva contra Canoni- 
cosii. Unverbürgt, aber sehr bezeichnend ist die Nach- 
richt. daß Erzbischof Burkhard St. Peter nach Grödig 
verlegen wollte," Die Machtansprüche von diesen 
Seiten waren also permanente Gefährdungen der 
Substanz des Klosters. Alle Äbte des 15. und begin- 
nenden 16. Jhs hatten damit zu rechnen. Die Stadt 
Salzburg, vor allern ihre Patrizierschichte, hatte leb- 
haftes Interesse an dieser Begrabnisstätte. 1446 und 
1486" wenden sich die Bürger selbst an den Römi- 
schen Stuhl in dieser Sache. Man spürte also, daß hier 
im Herzen der Stadt eine Zentrierung gegen Erzbischof 
und Domkapitel möglich war. die schwache Aussicht 
auf Zweipoligkeit der Gewichte. (Kaiser Friedrich lll. 
hatte mit seinem Stadtbrief von 1481 vielleicht katalysa- 
torische Wirkung.) 
Hier steht nun seit dem Ende des Jahrhunderts unver- 
rückbar in Aussage der Gestalt die Margarethenkapel- 
le wie ein Denkmal mit Ausstrahlungskraft nach allen 
Aspekten zeitlicher Existenz. 
Das Innenprogramm forderte eine relativ lange Zeit, 
die Tympanonfiguren wurden erst 1503 bezahlt." Der 
Hochaltar wurde unter Abt Rupert in Auftrag gegeben 
und unter Abt Virgil 1500 aufgestellt. Auch hier zeigt 
sich straffe Traditionsverpflichtung im Programm. 
Meister der durchwegs gemalten Altarflügel war Ge- 
org Staber aus Rosenheim. Nach der Rekonstruktion 
durch Rohrmoser hatte der Altar dieses Aussehen": 
die Mitteltafel zum Chor hin - man konnte um den Al- 
tar herumgehen - zeigte hypothetisch Maria mit Kind 
oder den Salvator. Die Flügel (erhalten) zeigten den 
hl. Rupertus mit dem knienden Abt Keutzl, darüber die 
hl. Erentrudis. Der andere den hl. Benedikt mit dem 
Abt Virgil und darüber den hl. Amandus (7)31 Auf der 
Langhausseite war die Kreuzigung Christi, die Flügel 
mit den Schachern haben sich erhalten. Die Predella 
zum Chor hatte die Kirchenvater Gregor, Augustinus, 
Ambrosius und Hieronymus. Geweiht war der Altar 
Amandus und Margaretha. Der nördliche Seitenaltar 
hatte Sebastian, Florian und Apollonia, der südliche 
Erasmus, Mauritius und Ottilia zu Patronen." Die 
Programmtendenz ist einsichtig. 
Das Erlösungsmotiv des Hochaltars wird durch den 
Salvator im Tympanon aufgenommen und durch Ma- 
ria und Johannes vervollständigtßt Der Betreter der 
Kapelle unterschritt ihre Sockel. Dieses Motiv wird im 
ehemaligen Hochaltarretabel insofern weitergespon- 
nen, als nun Erentrudis und Amandus über einem illu- 
sionistischen Steinbogen vergleichbare Konsolen be- 
sitzen. Das tatsächliche Durchschreiten unter realen 
Steinbildungen wird im Altarwerk in anderer Ebene 
fortgeführt. Es ist ia auch eine Unterslcht. Der unmit- 
telbaren Gegenwart gehören nun die Äbte Rupert und 
Virgil in der unteren Schicht an, womit die Sphäre der 
Heiligen mit landschaftlicher Darstellung in die irdi- 
sche Welt gezogen wurde. Die beiden unteren Heili- 
gen blicken aus der Ebene der Bilder zum Verehrer. 
Wir haben hier Verschränkung, lneinanderübergieiten 
verschiedener Raumschichten - tatsächlicher und 
illusionistischer - fortgeführt. Nur wird dieser Zu- 
sammenhang erst durch das Erlebnis des gesamten 
Kirchenraums möglich. Erst im Betreten merke ich 
das Lebendigwerden räumlicher und bedeutungsmä- 
Biger Vielfalt. 
Die Bildnisse der Äbte Rupert und Virgil sind natürlich 
keinesfalls als Novum anzusprechen, aber doch eine 
Fortsetzung der bereits beim Chorbau angetroffenen 
Linie des historisierenden Hinweises. Wenn wir an- 
nehmen. daß die in Glasgemälderi noch vorhandenen 
Heiligen" einem für die Kapelle ursprünglich be- 
stimmten Zyklus angehörten, so erwies sich das 
vDenkmalii der Margarethenkapelle als transparent, 
als ein solches innerer Strahlkraft. Vergessen wir aber 
auch nicht, daß die Kapelle in einer vSakralland- 
schaftu stand: da war die Stiftskirche, dem hl. Petrus 
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geweiht, die Katharinenkapelle, die Marienkapelle ne- 
ben dem Kreuzgang, die Maximuskapelle in der 
Mönchsbergwand, an ihr die Gertraudenkapelle, die 
Ägidiuskapelle und schließlich die Kreuzkapelle. Die 
Bauten hatten alte Traditionen, wurden teilweise im 
15. Jh. und am Beginn des 16. Jh.s restauriert, d.h. 
neuer Aufmerksamkeit unterzogen. Bewußte Verdich- 
tung und geschichtlich begründete Verantwortlichkeit 
sind allenthalben in St. Peter mit seinem Kapellenneu- 
bau in einem ideellen Zentrum. 
Wir wissen wenig über die Fortführung der sogenann- 
ten Melker Reform in der zweiten Jahrhunderthälfte 
bis über 1500. Daß die Reform teilweise verblaßte, 
mag sicher stimmen, andrerseits kennen wir aber Ak- 
tivitaten verschiedener Benediktinerklöster in dieser 
Hinsicht. So etwa in Lambach, in Seitenstetten, in der 
bayerischen Abtei Tegernsee; St. Peter hatte einen 
sehr guten inneren Status: Abt Virgil schickt Mönche 
zur Reform in das Wiener Schottenstift, er selbst wur- 
de 1497 zur Wahl und zur weiteren Unterstützung der 
Äbtissin nach Gdss gesandt. 1496 visitierte er das Klo- 
ster Längsee, bei der Visitation von Ossiach ist aus- 
drücklich von einer wcharta visitationisu die Rede." So 
ist auch in dieser Hinsicht Kontinuität wahrscheinlich 
gewesen. 
Die Kunstpolitik des Klosters war also defensiv und 
aggressiv. Wieweit die Gestalt der Kapelle direkt dem 
Einfluß des Abtes bestimmende Momente verdankte, 
können wir nicht sagen. Sie zeigt eine eigenartige Mi- 
schung retrospektiver und in die Zukunft weisender 
Züge. Bezeichnend sind die retrospektiven im Innern 
starker vertreten. Dies gilt einmal vom System der ein- 
gezogenen Wandpfeiler; wenn auch dieses in der 
Salzburger Architektur eine sichere Stellung durch 
das Jahrhundert besessen hat, Beispiele dafür sind 
die Leonhardskirche in Tamsweg oder die Müllner 
Pfarrkirche, so bekommt der Typus im letzten Jahr- 
hundertviertel eine besondere Aktualität durch den 
sehr wesentlichen Neubau der Mondseer Stiftskirche 
und ihrer Annexbauten. Neben der soliden Mauerar- 
beit aus Nagelfluh ermöglichte gerade dieses System 
die blockhafte Bauweise, die Ablegung des gotischen 
Strebeapparates, Hier kam die Salzburger bodenstän- 
dige Neigung einer beginnenden Stilsituation ebenso 
entgegen wie im besonderen Fall dem aus vielen 
Komponenten erwachsenden Wunsch nach denkmal- 
hafter Kompaktheit im Außenbild. Vielleicht war der 
Vorgängerbau ebenfalls in dieser Richtung angelegt, 
die jetzige Kapelle konnte somit auch rückblickend 
memorierend verstanden werden. Wie spätere Bau- 
ten zeigen, bahnte sich hier eine gerade für diesen 
Bautypus verbindliche Lösung an. Man denke an die 
weitgehende Reduktion der Strebepfeiler zu dünnen 
Kantlisenen an den Anbauten der Pfarrkirchen in 
Kuchl, Vigaun oder Pfarrwerfen. Einen Paradefall die- 
ser Entwicklung stellt dann beispielsweise der Karner 
bei der Piarrkirche von Wartberg an der Krems dar, 
dessen Westportal in schöner Präzision in das Qua- 
derwerk eingearbeitet ist, wobei die Ebene der Wand 
keinerlei Störung erfuhr. (Aber 1527!) 
Für Salzburg selbst wird man nicht auskommen ohne 
die Annahme einer Auseinandersetzung mit dem Chor 
der Nonnberger Stiftskirche (sechziger Jahre), dessen 
retrospektive Anlage und Stilhaltung bereits angedeu- 
tet wurden. Auch bei ihm, wie beim gesamten Kir- 
chenbau, kann der Wunsch der Äbtissin wie auch der 
Kommunitat angenommen werden. Und dann ist 
schließlich noch der Chor der ehemaligen Pfarrkirche 
der Stadt, der Franziskanerkirche. Man darf aber 
nicht von einem Block im selben Sinn wie bei der Mar- 
garethenkapelle sprechen, viel eher von einer um ei- 
nen potenten lnnenraum gespannten Membran, die 
durch den Kranz der Blenden umgürtet wird, wie ja 
auch die Fenster in einer Ebene mit der Wand, die den
	        
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