man sechs gereihte kleine Zapfen, abwechselnd
ein dünnerer aus Kupfer und ein stärkerer aus Ei-
sen. Von der Aussparung des Riegels und der Ord-
nung dieser Zapfen her ist die Bedienung und das
Funktionieren des Schlosses bestimmt.
Über byzantinische Schlösser bzw. Verschlüsse
ist aus der bisherigen Forschung ziemlich wenig
zu ersehen. S0 können auch an dieser Stelle nur
einige Hinweise gegeben werden. Ph. Kukules hat
die beiden wichtigsten Typen so unterschieden:
r-Auf zwei Arten schlossen die Türen der byzantini-
schen Häuser: entweder durch metallene Schlös-
ser, Kutivuylu genannt, die Schlüssellöcher hat-
ten und die man daher mit einem eisernen oder
ehernen Schlüssel (Kwerölov), damals auch
uuromtugloui genannt, öffnete - oder durch große
hölzerne Riegel, die von Wand zu Wand reich-
ten...u1 (Übersetzung aus dem Neugriechischen
von P. Schreiner).
Mit der Feststellung, daß es sich bei dem Schioß
in der Berliner Frühchristlich-Byzantinischen
Sammlung offensichtlich um den Karäwctyiowji
genannten Typ handelt, ist freilich noch nichts
zum technischen Funktionieren gesagt. Dazu las-
sen sich einer Studie jüngster Zeit einige Anhalts-
punkte entnehmen. Sie ist Gary Vikan zu verdan-
ken, der die wesentlichen byzantinischen Ver-
schlußtypen von der Verwendung des sog. rrslid-
ing keyri oder des vturning keyu her bestimmt
(Abb. 3)." Für das Berliner Bronzeschioß wird aller-
dings nicht klar deutlich, an welcher Steile und in
welcher Weise der gleitende Schlüssel angesetzt
werden sollte, der durch eine rotierende Bewe-
gung die von einer Feder festgehaltenen kleinen
Zapfen hob und dadurch den Verschiuß löste. Viel-
leicht wird das Funktionieren unseres Schlosses
näher geklärt von einem Beitrag her, den W. Diem
den Türschiössern in der arabisch-islamischen
Welt gewidmet hat! Der uns besonders interes-
sierende Verschiußtyp wird hier als wFaiiboizen-
SGhiOBu bezeichnet. Doch auch bei der techni-
schen und philologischen Untersuchung der ver-
schiedenen Spielarten dieser Schlosser bleiben
offensichtlich einige Fragen offen. immerhin kann
gesagt werden, daß ein von W. Diem abgebildetes
Faiiboizenschloß (Abb. 4) dem Berliner Bronzever-
schluß im Typus recht nahe kommt, wenn auch
daran zu erinnern ist, daß die arabischen Tür-
schiosser in ihrer Mehrzahl aus Holz gearbeitet
sind. Anderseits wird ein bei Diem erwähntes, in
einer Quelle des 8. bis 9. Jahrhunderts beschriebe-
nes Beispiei aus Metall kennzeiohnenderweise als
vgriechischrr bezeichnet}
Es mag aufschlußreich erscheinen, daB das so-
eben erwähnte Faiiboizenschioß aus San'a (Je
men) auf der Vorderseite auch eine Diagonaikreuz-
zeichnung trägt, wie dies schon auf dem neuen
Berliner Schloß ähnlich der Fall war. Wenn zwar
bei dem arabischen Objekt ein christlicher Cha-
rakter kaum anzunehmen ist, drängt sich ein sol-
cher bei der fünffach wiederholten Diagonaikreuz-
ritzung auf kreuzgestaltigem Riegel unmittelbar
auf. in dezidierter Weise wird eine christliche,
wohl auf die Verwendung an einem Kirchengebäu-
de gerichtete Bestimmung unseres Verschlusses
bekräftigt durch eine figüriiche Darstellung, die in
punzierter Arbeit auf den Riegelhaiter aufge-
bracht worden ist. Sie zeigt ein Chrismon, mit Ai-
pha und Omega als Pendiiien im doppelt gezeich-
neten Kreise, flankiert von den Dreiviertelfiguren
von zwei (heiligen?) Kriegern. Ihre frontalen Ge-
stalten erscheinen gepünktelt, mit knappster An-
gabe der Umrisse und der Binnenzeichnung. Beide
Krieger halten einen dünnen Stab bzw. Speer In
der Rechten und einen troptenförmig gebildeten
Schild in der Linken. Die Blnnenzeichnung der Ge-
wänder und die Angabe der Köpfe und Gesichter
sind in feinerer Punzierung gegeben, so daB die
Zeichnung in sich differenziert erscheint.
14
Allgemein ist zu sagen, daß die Darstellung der
Krieger(heiligen) in ihrer schematislerten Art auf
eine Entstehung in mittel- bis spätbyzantinischer
Zeit weist. Zwei recht überzeugende Biidhinweise
darauf können der Sammlung von Steatit-Klein-
ikonen der Frühchristiich-Byzantinischen Samm-
iung entnommen werden, die auch schon ins 13.
bis 15. Jahrhundert datiert werden. Bei dem ersten
der genannten Beispiele stimmt auch die Form
der Schilde überein, bei dem zweiten der frontale
Paraiielismus der Figuren! Daß der Typus weiter
zurückreicht, zeigt etwa der Vergleich mit einem
Steatitrelief aus dem Kloster Watopedi! Es mag
irritieren, daß auf unserem Schloß die Krlegerheili-
gen keinen Nimbus tragen. Gleichwohl dürfen sie,
in Verbindung mit dem Chrismon, als solche ange-
sehen werden: als Begleiter des christlichen
Heiiszeichens und als ideelle Wächter des mit
dem Schloß gesicherten Heiligtums.
Der zweite hier zu besprechende Gegenstand aus
dem Alitagsieben der Byzantiner steht dem ersten
in der Zweckbestimmung nahe. Es handelt sich
wieder um ein Hilfsmittel zum Verschließen, einen
Schließbügel, wohl weniger für eine Haustür als
für einen Kasten bzw. eine Truhe gedacht. Das
wiederum aus Bronze verfertigte Objekt ist von
langiicher, aber im Durchmesser wechselnder
Form (Gesamtlänge 25,3 cm) (Abb. 5)." Die schma-
iere Hälfte des Stückes verbreitert sich zu einem
gerundeten Ende, das eine viereckige Durchbre-
chung aufweist. Die Knickung dieser Hälfte ver-
mittelt ferner einen Hinweis auf die Gestalt des
Objektes, zu dessen VerschiuB der Bügel be-
stimmt war. Die breitere Hälfte wird dem Ende zu
abrupt fast zungenartig schmal, mit Andeutung ei-
nes abschließenden Kreuzchens. Auf die Mitte
des Bügels, die sich - an der Rückseite gut fest-
stellbar (Abb. 6) - auf 6,2 cm verbreitert, ist eine
in der Mitte durchbrochene kreisrunde Scheibe
aufgelegt, mit mehreren Nieten befestigt. Die Aus-
sparung iäßt Platz für eine punzierte Aufschrift,
deren Text kreuzförmig geordnet ist. im übrigen
ist die ganze Vorderseite des Schiießbügels mit
eingeritzten bzw. gepunzten Augenkreisen ver-
ziert, teilweise in gereihter Ordnung.
Für die praktische Verwendung des Stückes gibt
es nur wenige, aber ausreichende Anhaltspunkte.
An dem sich verjüngenden Ende des Bügels sind
an Vorder- und Rückseite Reste von vier Nägeln
festzustellen, mit denen er offenbar am Kasten
oder am Deckel des Bestimmungsobjektes befe-
stigt war. So war unser Schließbügei wohl das fe-
ste, nicht das bewegliche Element eines Ver-
schlusses, für den sich Vergleichbares bzw. ähnli-
ches vielfach finden iäßt." Die schlichte, jeden-
-falls provinzieile Mache des Stückes erschwert ei-
ne Datierung. Allgemeine Beschaffenheit, Mate-
rial, Zierformen und Duktus der Schrift weisen am
ehesten auf eine Entstehung in spätbyzantini-
scher Zeit.
Die Inschrift, die in das zentrale Krelsmedaillon
eingetragen ist, läßt sich wie folgt lesen:
EPFON i. I FINOW KOPEZOW
Sie könnte übersetzt werden: wWerk (des H). Du
mögest zufrieden sein-r." Herbert Hunger, der
sich in liebenswürdiger Weise ebenfalls mit dem
Text beschäftigt hat, schlägt diese Lesart vor:
EPFON A l Pi NOWN OPEOZ (Egyo äysl vmlrv
ögalöe)" Es fragt sich, welche Bedeutung dem
wirklich recht alltäglichen Werk mit mehr Berech-
tigung gegeben werden mag, aber auch, ob die Le-
sung nicht besser der kreuzformigen Anordnung
der Schrift folgen sollte. Eines darf man vielleicht
noch vermuten, daß eben diese Anordnung einen
apotropäischen Sinn einschließt.
Die abschließend vorgestellte, ebenfalls bronzene
Arbeit gehört einer anderen Gerätgattung zu. Es
handelt sich um ein deckelähniiches Objekt von
5 Schließbügel aus Bronze, mit Inschrift. Vcrderar
MIttel- bis spätbyzantinisch. Berlin, Stiftung l
scher Kulturbesitz. Staatliche Museen. Frühchrl
Byzantinische Sammlung
6 Schließbügel aus Bronze, mit Inschrift. Rücl
Mittel- bis spätbyzantinisch. Berlin, Stiftung l
scher Kulturbesitz. Staatliche Museen. Frühchri
Byzantinische Sammlung
7 Baikenkopf aus Bronze, mit Kreuz und Hängeo:
teibyzantinisch. Berlin, Stiftung Preußischer Kl
sltz. Staatliche Museen. Frühchristiich-Byzantl
Sammlung
B Balkenkopf mit Hängeschäle (Versuch einer
schauiichung). Mittelbyzantinisch. Berlin, S
Preußischer Kulturbesitz. Staatliche Museen.
christlich-Byzantinische Sammlung
Anmerkungen 2 -14
1 Ph. Kukules, Byzantinon biOS kii politismos, Bd. lv. Athr
D. 255. Dün Hinweis auf diesen Text verdanke ich der l
würdigkeit von Prof. Dr. Peter Schreiner, Köln.
' G. Vikan (und J. Nesbilr), Security in Eyzantlum. Lockir
ing und Welghing. Dumbarton Oaks, Byzantine Coiiectir
catlons 2. Washington 1980, p. Zff. Für den Hinweis
schulde ich den Herren Kollegen Prof. DDr. Herbert
Wien, und Prof. Dr. Harry Kühnoi, KremsIDünau, eufr
Dank. Mr. Gary Vikan, Washington, war so freundlich,
Exemplar seiner Arbeit zu übersenden.
' W. Diem, Untersuchung ZU Technik und Terminolo
arabisch-Islamischen Türschlosser, in: Der islam. Zei
Gesch. u. Kultur d. islam. Orients 5üll973, p. 9ßli., v.a.
und Abb. Ilil. Auch auf diese Arbeit hat Herr Prof. Dr. P. Sl
mich aufmerksam gemacht.
l ebda. p. i33.
' inv. Nr, 6725 und 6835. - Vgl. O. Wulfl, Die altchrietilci
mittelalterlichen byzantinischen und italienischen Bll
Ergänzungsband. BerilnILeipzig 192a, p. 44.
' F. Dölger, Monchsland AthDS. MDfichSn 1943, Abb. B5. -
mein ZU Kriegerheiligen A. Clißllllllkülüll, VOX Heilige, I
lax. byz. Kunst il. Stuttgart 1971, v.a. Sp. 1052ff.
' lnv. Nr. lßI78. Als Geschenk in die Frühchrlstlich-Byzan
Sammlung gelangt (S. Motamed). Aus Anatolien stamme
her unverülfentlicht.
' Vgl. mittelalterliche Kastenverschlüsse wie bei H. r
Briefiaden aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfale
mund1l371, v.a. Abb. 10-12, 1B, 21.
"' D81 Elnzelbuchslabe Ä (oder u?) ist vielleicht Kürzel
Handwerker (z. B. "Leonnl.
" Als ungefähre Ubersetzung schlägt er vor: Opus menle
exccllt (trahit). Erleflich am 13. 2. 1981.
1' lnv. Nr. 9177 - Bisher unverüiienliicht.
f! IBBikGilkODf heißt das in oder auf einer Wand ruhende
ende. Bleiben vorgekregte Baikenkcpie sichtbar, S0 erh:
durch Profilierung, Schnitzerei und Bemalung eine m6
minder reiche Ausbildung... m: Wasmuths Lexikon der e
I. Berlin 1929, p. 301. - Vgl. einen Ealkenkopfbesch
2. Jahrhunderts bei H. v. Pelllkovrfs, Das rümische an
Archloiog. Forschungen seit 1945. AG r. Forsch. a. Lr
Geisteswlss. H. B6. KöInIOpIaden 1960, p. 99f. Eine zus
fassende Studie Zu diesem Eauglled scheint noch nlchtr
gen.
" Die hier mitabgebildete Hängeschele ist eine ebenfalls r
verofientlichte Neuerwerbung der Frühchristlich-Bl,
schon Sammlung, lnv. Nr. ßl77, von ebenfalls kleinasl
Herkunft.