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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXVI (1981 / Heft 177)

man sechs gereihte kleine Zapfen, abwechselnd 
ein dünnerer aus Kupfer und ein stärkerer aus Ei- 
sen. Von der Aussparung des Riegels und der Ord- 
nung dieser Zapfen her ist die Bedienung und das 
Funktionieren des Schlosses bestimmt. 
Über byzantinische Schlösser bzw. Verschlüsse 
ist aus der bisherigen Forschung ziemlich wenig 
zu ersehen. S0 können auch an dieser Stelle nur 
einige Hinweise gegeben werden. Ph. Kukules hat 
die beiden wichtigsten Typen so unterschieden: 
r-Auf zwei Arten schlossen die Türen der byzantini- 
schen Häuser: entweder durch metallene Schlös- 
ser, Kutivuylu genannt, die Schlüssellöcher hat- 
ten und die man daher mit einem eisernen oder 
ehernen Schlüssel (Kwerölov), damals auch 
uuromtugloui genannt, öffnete - oder durch große 
hölzerne Riegel, die von Wand zu Wand reich- 
ten...u1 (Übersetzung aus dem Neugriechischen 
von P. Schreiner). 
Mit der Feststellung, daß es sich bei dem Schioß 
in der Berliner Frühchristlich-Byzantinischen 
Sammlung offensichtlich um den Karäwctyiowji 
genannten Typ handelt, ist freilich noch nichts 
zum technischen Funktionieren gesagt. Dazu las- 
sen sich einer Studie jüngster Zeit einige Anhalts- 
punkte entnehmen. Sie ist Gary Vikan zu verdan- 
ken, der die wesentlichen byzantinischen Ver- 
schlußtypen von der Verwendung des sog. rrslid- 
ing keyri oder des vturning keyu her bestimmt 
(Abb. 3)." Für das Berliner Bronzeschioß wird aller- 
dings nicht klar deutlich, an welcher Steile und in 
welcher Weise der gleitende Schlüssel angesetzt 
werden sollte, der durch eine rotierende Bewe- 
gung die von einer Feder festgehaltenen kleinen 
Zapfen hob und dadurch den Verschiuß löste. Viel- 
leicht wird das Funktionieren unseres Schlosses 
näher geklärt von einem Beitrag her, den W. Diem 
den Türschiössern in der arabisch-islamischen 
Welt gewidmet hat! Der uns besonders interes- 
sierende Verschiußtyp wird hier als wFaiiboizen- 
SGhiOBu bezeichnet. Doch auch bei der techni- 
schen und philologischen Untersuchung der ver- 
schiedenen Spielarten dieser Schlosser bleiben 
offensichtlich einige Fragen offen. immerhin kann 
gesagt werden, daß ein von W. Diem abgebildetes 
Faiiboizenschloß (Abb. 4) dem Berliner Bronzever- 
schluß im Typus recht nahe kommt, wenn auch 
daran zu erinnern ist, daß die arabischen Tür- 
schiosser in ihrer Mehrzahl aus Holz gearbeitet 
sind. Anderseits wird ein bei Diem erwähntes, in 
einer Quelle des 8. bis 9. Jahrhunderts beschriebe- 
nes Beispiei aus Metall kennzeiohnenderweise als 
vgriechischrr bezeichnet} 
Es mag aufschlußreich erscheinen, daB das so- 
eben erwähnte Faiiboizenschioß aus San'a (Je 
men) auf der Vorderseite auch eine Diagonaikreuz- 
zeichnung trägt, wie dies schon auf dem neuen 
Berliner Schloß ähnlich der Fall war. Wenn zwar 
bei dem arabischen Objekt ein christlicher Cha- 
rakter kaum anzunehmen ist, drängt sich ein sol- 
cher bei der fünffach wiederholten Diagonaikreuz- 
ritzung auf kreuzgestaltigem Riegel unmittelbar 
auf. in dezidierter Weise wird eine christliche, 
wohl auf die Verwendung an einem Kirchengebäu- 
de gerichtete Bestimmung unseres Verschlusses 
bekräftigt durch eine figüriiche Darstellung, die in 
punzierter Arbeit auf den Riegelhaiter aufge- 
bracht worden ist. Sie zeigt ein Chrismon, mit Ai- 
pha und Omega als Pendiiien im doppelt gezeich- 
neten Kreise, flankiert von den Dreiviertelfiguren 
von zwei (heiligen?) Kriegern. Ihre frontalen Ge- 
stalten erscheinen gepünktelt, mit knappster An- 
gabe der Umrisse und der Binnenzeichnung. Beide 
Krieger halten einen dünnen Stab bzw. Speer In 
der Rechten und einen troptenförmig gebildeten 
Schild in der Linken. Die Blnnenzeichnung der Ge- 
wänder und die Angabe der Köpfe und Gesichter 
sind in feinerer Punzierung gegeben, so daB die 
Zeichnung in sich differenziert erscheint. 
14 
Allgemein ist zu sagen, daß die Darstellung der 
Krieger(heiligen) in ihrer schematislerten Art auf 
eine Entstehung in mittel- bis spätbyzantinischer 
Zeit weist. Zwei recht überzeugende Biidhinweise 
darauf können der Sammlung von Steatit-Klein- 
ikonen der Frühchristiich-Byzantinischen Samm- 
iung entnommen werden, die auch schon ins 13. 
bis 15. Jahrhundert datiert werden. Bei dem ersten 
der genannten Beispiele stimmt auch die Form 
der Schilde überein, bei dem zweiten der frontale 
Paraiielismus der Figuren! Daß der Typus weiter 
zurückreicht, zeigt etwa der Vergleich mit einem 
Steatitrelief aus dem Kloster Watopedi! Es mag 
irritieren, daß auf unserem Schloß die Krlegerheili- 
gen keinen Nimbus tragen. Gleichwohl dürfen sie, 
in Verbindung mit dem Chrismon, als solche ange- 
sehen werden: als Begleiter des christlichen 
Heiiszeichens und als ideelle Wächter des mit 
dem Schloß gesicherten Heiligtums. 
Der zweite hier zu besprechende Gegenstand aus 
dem Alitagsieben der Byzantiner steht dem ersten 
in der Zweckbestimmung nahe. Es handelt sich 
wieder um ein Hilfsmittel zum Verschließen, einen 
Schließbügel, wohl weniger für eine Haustür als 
für einen Kasten bzw. eine Truhe gedacht. Das 
wiederum aus Bronze verfertigte Objekt ist von 
langiicher, aber im Durchmesser wechselnder 
Form (Gesamtlänge 25,3 cm) (Abb. 5)." Die schma- 
iere Hälfte des Stückes verbreitert sich zu einem 
gerundeten Ende, das eine viereckige Durchbre- 
chung aufweist. Die Knickung dieser Hälfte ver- 
mittelt ferner einen Hinweis auf die Gestalt des 
Objektes, zu dessen VerschiuB der Bügel be- 
stimmt war. Die breitere Hälfte wird dem Ende zu 
abrupt fast zungenartig schmal, mit Andeutung ei- 
nes abschließenden Kreuzchens. Auf die Mitte 
des Bügels, die sich - an der Rückseite gut fest- 
stellbar (Abb. 6) - auf 6,2 cm verbreitert, ist eine 
in der Mitte durchbrochene kreisrunde Scheibe 
aufgelegt, mit mehreren Nieten befestigt. Die Aus- 
sparung iäßt Platz für eine punzierte Aufschrift, 
deren Text kreuzförmig geordnet ist. im übrigen 
ist die ganze Vorderseite des Schiießbügels mit 
eingeritzten bzw. gepunzten Augenkreisen ver- 
ziert, teilweise in gereihter Ordnung. 
Für die praktische Verwendung des Stückes gibt 
es nur wenige, aber ausreichende Anhaltspunkte. 
An dem sich verjüngenden Ende des Bügels sind 
an Vorder- und Rückseite Reste von vier Nägeln 
festzustellen, mit denen er offenbar am Kasten 
oder am Deckel des Bestimmungsobjektes befe- 
stigt war. So war unser Schließbügei wohl das fe- 
ste, nicht das bewegliche Element eines Ver- 
schlusses, für den sich Vergleichbares bzw. ähnli- 
ches vielfach finden iäßt." Die schlichte, jeden- 
-falls provinzieile Mache des Stückes erschwert ei- 
ne Datierung. Allgemeine Beschaffenheit, Mate- 
rial, Zierformen und Duktus der Schrift weisen am 
ehesten auf eine Entstehung in spätbyzantini- 
scher Zeit. 
Die Inschrift, die in das zentrale Krelsmedaillon 
eingetragen ist, läßt sich wie folgt lesen: 
EPFON i. I FINOW KOPEZOW 
Sie könnte übersetzt werden: wWerk (des H). Du 
mögest zufrieden sein-r." Herbert Hunger, der 
sich in liebenswürdiger Weise ebenfalls mit dem 
Text beschäftigt hat, schlägt diese Lesart vor: 
EPFON A l Pi NOWN OPEOZ (Egyo äysl vmlrv 
ögalöe)" Es fragt sich, welche Bedeutung dem 
wirklich recht alltäglichen Werk mit mehr Berech- 
tigung gegeben werden mag, aber auch, ob die Le- 
sung nicht besser der kreuzformigen Anordnung 
der Schrift folgen sollte. Eines darf man vielleicht 
noch vermuten, daß eben diese Anordnung einen 
apotropäischen Sinn einschließt. 
Die abschließend vorgestellte, ebenfalls bronzene 
Arbeit gehört einer anderen Gerätgattung zu. Es 
handelt sich um ein deckelähniiches Objekt von 
5 Schließbügel aus Bronze, mit Inschrift. Vcrderar 
MIttel- bis spätbyzantinisch. Berlin, Stiftung l 
scher Kulturbesitz. Staatliche Museen. Frühchrl 
Byzantinische Sammlung 
6 Schließbügel aus Bronze, mit Inschrift. Rücl 
Mittel- bis spätbyzantinisch. Berlin, Stiftung l 
scher Kulturbesitz. Staatliche Museen. Frühchri 
Byzantinische Sammlung 
 
7 Baikenkopf aus Bronze, mit Kreuz und Hängeo: 
teibyzantinisch. Berlin, Stiftung Preußischer Kl 
sltz. Staatliche Museen. Frühchristiich-Byzantl 
Sammlung 
B Balkenkopf mit Hängeschäle (Versuch einer 
schauiichung). Mittelbyzantinisch. Berlin, S 
Preußischer Kulturbesitz. Staatliche Museen. 
christlich-Byzantinische Sammlung 
Anmerkungen 2 -14 
1 Ph. Kukules, Byzantinon biOS kii politismos, Bd. lv. Athr 
D. 255. Dün Hinweis auf diesen Text verdanke ich der l 
würdigkeit von Prof. Dr. Peter Schreiner, Köln. 
' G. Vikan (und J. Nesbilr), Security in Eyzantlum. Lockir 
ing und Welghing. Dumbarton Oaks, Byzantine Coiiectir 
catlons 2. Washington 1980, p. Zff. Für den Hinweis 
schulde ich den Herren Kollegen Prof. DDr. Herbert 
Wien, und Prof. Dr. Harry Kühnoi, KremsIDünau, eufr 
Dank. Mr. Gary Vikan, Washington, war so freundlich, 
Exemplar seiner Arbeit zu übersenden. 
' W. Diem, Untersuchung ZU Technik und Terminolo 
arabisch-Islamischen Türschlosser, in: Der islam. Zei 
Gesch. u. Kultur d. islam. Orients 5üll973, p. 9ßli., v.a. 
und Abb. Ilil. Auch auf diese Arbeit hat Herr Prof. Dr. P. Sl 
mich aufmerksam gemacht. 
l ebda. p. i33. 
' inv. Nr, 6725 und 6835. - Vgl. O. Wulfl, Die altchrietilci 
mittelalterlichen byzantinischen und italienischen Bll 
Ergänzungsband. BerilnILeipzig 192a, p. 44. 
' F. Dölger, Monchsland AthDS. MDfichSn 1943, Abb. B5. - 
mein ZU Kriegerheiligen A. Clißllllllkülüll, VOX Heilige, I 
lax. byz. Kunst il. Stuttgart 1971, v.a. Sp. 1052ff. 
' lnv. Nr. lßI78. Als Geschenk in die Frühchrlstlich-Byzan 
Sammlung gelangt (S. Motamed). Aus Anatolien stamme 
her unverülfentlicht. 
' Vgl. mittelalterliche Kastenverschlüsse wie bei H. r 
Briefiaden aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfale 
mund1l371, v.a. Abb. 10-12, 1B, 21. 
"' D81 Elnzelbuchslabe Ä (oder u?) ist vielleicht Kürzel 
Handwerker (z. B. "Leonnl. 
" Als ungefähre Ubersetzung schlägt er vor: Opus menle 
exccllt (trahit). Erleflich am 13. 2. 1981. 
1' lnv. Nr. 9177 - Bisher unverüiienliicht. 
f! IBBikGilkODf heißt das in oder auf einer Wand ruhende 
ende. Bleiben vorgekregte Baikenkcpie sichtbar, S0 erh: 
durch Profilierung, Schnitzerei und Bemalung eine m6 
minder reiche Ausbildung... m: Wasmuths Lexikon der e 
I. Berlin 1929, p. 301. - Vgl. einen Ealkenkopfbesch 
2. Jahrhunderts bei H. v. Pelllkovrfs, Das rümische an 
Archloiog. Forschungen seit 1945. AG r. Forsch. a. Lr 
Geisteswlss. H. B6. KöInIOpIaden 1960, p. 99f. Eine zus 
fassende Studie Zu diesem Eauglled scheint noch nlchtr 
gen. 
" Die hier mitabgebildete Hängeschele ist eine ebenfalls r 
verofientlichte Neuerwerbung der Frühchristlich-Bl, 
schon Sammlung, lnv. Nr. ßl77, von ebenfalls kleinasl 
Herkunft.
	        
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