Im Frühling oder Herbst desJahres 1 181 wurde ein Glo-
vanni Baptista, genannt nach Johannes dem Täufer,
dem RuterinderWüsteundVorläuferJesuChristi,gebo-
ren. ErwarderSohndes reichenTuchhandlersvon Assi-
sl, Pietro Bernardone, der mit einer aus der Provence
stammenden Dame, Donna Pica, vermählt war. Der
französischen Mutter wegen rief der Vater das Kind
Francesco - so riefen ihn die Freunde -, und den Na-
men behielt er für die Welt.
Rund ein Jahrzehnt später, nämlich 1194 wurde Fried-
rich geboren, der als Friedrich ll. von Sizilien bemüht
war, neuerdings ein Kaisertum reichsrömischer Art zu
errichten mit allem Prunk und aller Schönheit. um ro-
misch-kaiserzeitliche Kunst im Sinne einer Erneuerung
wieder erstehen zu lassen. Bedingt durch den frühen
Tod seines Vaters, Kaiser Heinrichs Vl., der 1197 ge-
storben war, und der unglücklichen Ehe seines Vaters
mit Konstanze von Sizilien, verbrachte er seine Jugend
in den Gossen von Palermo, bemüht, alles Leben zu er-
fassen. Auf Grund diplomatischer Beziehungen seiner
Mutter war es gelungen, Papst lnnozenz Ill. zu seinem
Vormund zu erwählen.
ZujenerZeit,seiesnundie, inderFranziskus,derreiche
Bürgersohn, in Wohlhabenheit aufwuchs, oder Fried-
rich, der Kaisersohn, die Begegnung mit der Armut
suchte, war die Kirche in eine große Krise geraten.
Papst lnnozenz lll. hatte sich mit den ketzerischen Be-
wegungen der Waldenser, Albigenser und der Geißler
ebenso auseinanderzusetzen, wie mit dem regel- und
traditionsbewußten Orden der Benediktiner, den Chor-
herren, die die sogenannte Regel des hl. Augustinus für
sich beanspruchten, wie auch mit den dem hl. Bernhard
von Clairvaux nachfolgenden Zisterziensern. Sie alleer-
richteten - mit mehroderwenigeren Einschränkungen
- prunkvolle Bauten zur höheren Ehre Gottes, um der
Majestät des göttlichen, die Menschheit in seine Fülle
der Gottesgnade erlösenden Herrn zu dienen.
Franziskus wuchs in einer kleinen italienischen Stadt
auf. Enge Gassen, hohe Türme - Zeichen der Mächtig-
keit der Geschlechter - bestimmten das Stadtbild.
Franziskus, der gefühlvolle und feurige Jüngling, hatte
sich für Heldengedichte und Ritterromane begeistert.
Minnesänger oder Ritter zu werden war sein Ziel. Viel-
leicht begleitete er seinen Vater auf Geschäftsreisen
und begegnete großen Herren und bezaubernden Da-
men bei Festen in jenen Hausern, die nach außen ver-
schlossen erscheinen, im Inneren aber dem Gast eine
Augenweide von Prunk und Geschmack, begleitet von
Musik, bieten.
Die Kultiviertheit des Franziskus, seine liebenswürdige
Art und nichtzuletzt sein Reichtum brachten es mitsich,
daß sich die elegante Jugend Assisis um ihn scharte, er
war der bewunderte und angesehene Troubadour und
Ritter.
In den Jahren 1 199 bis 1202 erschütterten Kriege Assisi
und das benachbarte Perugia - Kriege, durch die sich
das Bürgertum mehr und mehr seiner Macht bewußt
wurde und sich gegen den Adel erhob. Franziskus. der
junge bürgerliche nRitterri, kämpfte mit Eifer mit, bis er
1203 in Gefangenschaft geriet und von einer langen
Krankheit heimgesucht wurde.
Gelage und Festlichkeiten hatten ihr Ende.
Im Herbst 1205 betete Franziskus indem kleinen Kirch-
lein San Damiano inbrünstig zu Gott dem Herrn um Er-
leuchtung. Vom Kruzifix kam sanft und gütig die Ant-
wort: nGeh hin, Franziskus. baue mein Haus auf, das am
Einstürzen istß Franziskus verstand, verließ Wohl-
stand, Freunde und Eltern und zog sich, verlacht, unver-
standen und verstoßen, zurück, legte ein Eremitenge-
wand an und baute kleine verlassene Kapellen der Um-
gebung von Assisi wieder auf. So auch die wegen ihrer
winzigen Ausmaße vPortiunculau genannte Kapelle.
Dortvernahm Franziskus am 24. Februar 1209 den end-
gültigen Ruf Gottes: "So geht denn hin und verkündet:
Das Himmelreich ist nahe! Erwerbet kein Gold und kein
Silber, keineMünze,nehmtnichtzweiRücke, keineSan-
dalen, denn der Arbeiter ist seines Lohnes wertm
Franziskus war hingerissen. Arm und glühend vor Eifer
begann er sein Leben der Nachfolge Christi: In Beglei-
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Der Poverello von Assisi - wahrer Diener
Gottes in der Nachfolge Christi
Graduale aus dem Klarissinnerikloster St. Jakob am Anger.
München, Bayerische Staatsbibliothek Cod. lat. 23042!Fol 72 v.
iiDer Bischof überreicht in Anwesenheit des hl. Franziskus den
Palmzweig der hl. Klarair. Augsburg, 1494 -1497.
tung von 11 Brüdern trat er im Frühling des Jahres 1209
vorPapstlnnozenzlIl., umihnumdie Bestätigung seiner
neuen Form zu leben, zu wirken und zu predigen zu bit-
ten. Der Papst, dem es nicht gelang. Franziskus zurAn-
nahme einertraditionellen Ordensregel zu bewegen, to-
Ierierte zunächst, ohne aber zu bestätigen.
Franziskus setzte sein missionarisches Wirken fort,
durchstreifte mit seinen Brüdern betend und das Lob
Gottes singend nicht nur sein Vaterland, sondern dehn-
te sein Wirken weit überdie umbrischen Grenzen hinaus
aus. Die tranziskanische Gemeinschaft wuchs mehr
und mehr. Franziskus sah sich gezwungen, eine Regel
abzutassen. In der Einsamkeit von Fonte Colombo
schrieb er jene Regel, die im Jahre 1223 von Papst Ho-
norius lll. bestätigt wurde und die den franziskanischen
Orden begründete.
Mehr und mehrwar Franziskus bestrebt, Christus in sei-
nem evangelischen Leben nachzufolgen, arm und gü-
tig, den Menschen in Liebe begegnend, sie hinzuweisen
aufdie Güte des Vaters, sie zur Umkehr zu einem Leben
in Gebet und Betrachtung bewegend. Der Trasimeni-
sche See wurde ihm zum See Genesareth und gleich
Christus wirkte er als Menschenfischer.
Nicht nur, daß seine Gemeinschaft von Brüdern, die
gleich ihm in voller Armut aus Gottesliebe zu leben be-
reit waren, gewaltig gewachsen war, in Klara, derToch-
Ier aus dem reichert und vornehmen Hause Offreduc-
cio, besaß er eine geistige Schwester. Schon in früher
Jugend war Klara entschlossen, ihr Leben Gott zu wei-
hen, und als sie Franz inden Kirchen von Assisi predigen
hörte, empfand sie für ihn eine solche Bewunderung,
daß sie entschlossen war, ihm nachzufolgen. Die Fami-
lie wollte sie zu einer günstigen und standesgemäßen
Heirat zwingen, ohne Verständnis für Klaras tiefe Got-
tesllebe. In einer gewaltsamen Lösung sah Klara allein
ihre Chance. Und so floh sie eines Nachts zu den Min-
derbrüdern in die Portiuncula. Franziskus schnitt ihr die
Haare ab und kleidete sie in Bußgewänder aus grobem
Tuch. Klara versprach ein Leben der Buße und gelobte
Franziskus Gehorsam. Franziskus wies ihr das Kloster
San Damiano, wo sie, in totaler Abgeschiedenheit von
der Welt, im Kreise von sehr bald ihr nachfolgenden
Schwestern, ein Leben der totalen Armut und der Be-
trachtung leben sollte. Der nackte Boden war ihr Schlaf-
platz, in heiliger Armut begegnete sie im Gebet dem ge-
liebten göttlichen Bräutigam.
Nachdem Franziskusden Orden äußerlich und innerlich
gefestigthatte, drängte es ihn mehr und mehr, sich in die
Einsamkeit zurückzuziehen und im betrachtenden Ge-
bet, im Ansehen der Natur, in der Fülle ihrer Schönheit,
ihrer elementaren Gewalt und ihrem hohen Zauber Gott
nahe zu sein. Thomas von Celano, Mitbruder und Bio-
graph des hl. Franziskus, berichtet, wie Franziskus aus
seinertiefen Liebe zur Natur und allen Geschöpfen Got-
tes heraus, selbst zu Vögeln zu sprechen vermochte.
Im Jahre 1 223 zog Franziskus ins Rietital, entschlossen,
das Weihnachtsfest, das ihm so sehram Herzen lag, be-
sonders festlich zu begehen. Daher ließ er in Greccio, ei-
nervon seinen Einsiedeleien, die Grotte von Bethlehem
wieder erstehen, mit Krippe, Ochs und Esel und unter
großer Beteiligung des Volkes wurde die Mitternachts-
messe gesungen.
Auf jenem Platz entstand bald ein Kloster, geprägt von
Kleinheit, Einfachheit und Bescheidenheit.
Zehn Jahre waren schon vergangen, seitdem der Conte
Orlando Franziskus den Felsen von La Verna geschenkt
hatte, zu dem es ihn im Jahre 1224 mächtig zog. In den
abschüssigen Höhlen dieses zerklüfteten, schwer er-
reichbaren Felsens wollte Franziskus nur noch im Ge-
bet leben, doch im Einklang mit der von ihm selbst ver-
faßten Regel, die von den Einsiedlern ein Leben in zeit-
weiliger Gemeinschaft verlangte. Er nahm daher seine
drei Gefährten Leo,Angelus und Rufinus und Brüder, die
sein besonderes Vertrauen besaßen, mit. In 40tägigem
Fasten, in Askese und Gebetwollte er nurdas Leiden Je-
su betrachten und in voller Liebe zum Gekreuzigten sei-
ne eigene Passion erleben. Am Fest der Kreuzerho-
hung, dem 14. September 1224, erschien Franziskus
ein strahlender Seraph mit sechs Flügeln. Er hatte ein
Menschengesicht und war gekreuzigt. Franziskus emp-
fand darüber mächtige Freude und furchtbaren
Schmerz zugleich. Als der Seraph verschwunden war,
stellte er fest, daß seine Hände und Füße die Wundmale
des Herrn trugen, seine Seite blutete. Sein Leib und sei-
ne Seele waren Jesus angeglichen. Zum ewigen Ge-
dächtnis dieses Wunders beten seither die Mönche von
La Verna um 15 Uhr das Stundengebet, ziehen hinaus,
in feierlicher Prozession. zum Platz der Stigmatisation,
hören die Beschreibung des Ereignisses, die Thomas
von Celano gab, und singen die Allerheiligenlitanei.
Ende September verließ Franziskus unter Tränen La
Vernaund wollte in Begleitung von Bruder Leo heimkeh-
ren nach Assisi. Franziskus geschwachter Körper war
den Strapazen dieses Weges nicht mehr gewachsen,
viele Ruhepausen mußten eingelegt werden. So weilte
er auch wieder in seiner Einsiedelei von Celle, einer
Höhle naheeinem Wasserfall, überder und um die Zelle
um Zelle angeschlossen wurden, bis ein Kloster ent-
stand, in dem heute noch Kapuziner in strengsterArmut
und Entbehrung dem hl. Franziskus nachfolgen.
Todkrank zog sich Franziskus zu Klara nach San Damia-
no zurück, wo ihm im Gärtlein eine ärmliche Schilfhütte
errichtetwurde. Gequält von turchtbarsten Schmerzen,
verfaßte er jenen Lobpreis der Liebe und der Freude,
den er das "Lied des Bruders Sonnen nannte.
Im Oktober 1226 starb Franziskus in der Portiuncula,
wohin man ihn auf seinen Wunsch gebracht hatte.
Zwei Jahre späterverkündete Papst Gregor lX., daß der
Poverello von Assisi unter die Zahl der Heiligen aufge-
nommen worden sei. Bruder Elias von Cortona wurde
damit beauftragt, überdem Grab des seraphischen Hei-
ligen eine prächtige Basilika zu erbauen.