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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 130 und 131)

ven Schnitt war, ähnlich der Batiktechnik, ein 
Abdecken der nicht zu färbenden Partien mit 
einem Reisstärkekleister, der mit dem Absud von 
Meeresalgen bereitet wurde, notwendig. Der 
getrocknete Stoff kam dann in die Farbe, die 
also nur die früher von der Schablone bedeckten 
Stellen angreifen konnte, während die vom Stär- 
kekleister bedeckten ungefärbt blieben. Mischun- 
gen beider Möglichkeiten, z. B. die mit Positiv- 
und Negativschnitt im Schachbrettmuster wech- 
selnden Schablonen oder die freien, in vielfälti- 
ger Mischung entstandenen, ergaben besonders 
reizvolle Wirkungen. Subtile Reize wurden auch 
dadurch erzielt, daß das schon in der Sahablone 
manchmal komplizierte Muster-Grund-Prinzip 
noch auf Gewebe mit ripsartiger Bindung oder 
mit leicht erhobenem Prägemusfer gesetzt wurde. 
Sicherlich waren oft Schablonenschneider und 
Entwerfer und Erfinder der Muster ein und die- 
selbe Person, ähnlich wie viele Halzschnittmei- 
ster Web- und Stickereientwürfe zeichneten. Die 
erste historisch faßbare Persönlichkeit, in der 
sich Textil- und Holzschnittkunst Verschränkte, 
war Hishikawa Moronobu (17. Jh.). Auch er be- 
gann als Zeichner von Stoffmustern wie sein 
Vater, wurde aber dann zum Urahn des japa- 
nischen Holzschnitts. Bis in die Spätzeit des ja- 
panischen Farbholzschnitts stand in seinem Mit- 
telpunkt die menschliche Gestalt, umhüllt von 
den Meisterwerken der Textilkunst. Der Japa- 
ner bewundert die bekleidete, nicht die nackte 
Gestalt, und die Kleidung spielt eine Rolle, die 
fast schon an Fetischismus grenzt. So wird eine 
blühende Industrie, ein Stoffluxus ohnegleichen, 
erklärlich, wie auch andererseits in der bilden- 
den Kunst die Vernachlässigung des Studiums 
menschlicher Körperformen begreiflich. 
Das Florieren von Handel und Gewerbe in der 
Tokugawa-Zeit brachte eine Flut von Holzschnit- 
ten und Blockbüchern, aber auch eine große 
Zunahme von Textilien für das einfachere Volk. 
Die „Demokratisierung" der Kultur drückt sich 
jedoch oft nicht in der Entwicklung neuer For- 
men aus, sondern es werden vergröberte, ver- 
billigte oder simplifizierte Varianten aristokra- 
tischen Kulturguts übernommen. (In Mitteleuropa 
wurden z. B. die Tapeten der Palais und Bürger- 
höuser anachronistisch und zweckfremd zu den 
Zimmermalereien in den Sozialbauten „demo- 
kratisiert".) In Japan bestand nun eine ständige 
Wechselwirkung zwischen der Technik des Holz- 
schnitts, der Malerei und der Kunst der Stoff- 
muster. An der Fülle der japanischen Holz- 
schnitte und ihrer Darstellungen von bekleide- 
ten Frauen und Männern ist der Reichtum der 
Textilmusterungen, seien sie jetzt gewebt oder 
gedruckt, abzulesen. Da keine Stoffe mehr er- 
halten sind, sind die Holzschnitte die Muster- 
bücher der Textilindustrie. 
Die adelige Kunst Moronobus wurde bürgerlich, 
an den mit undurchsichtigen und lebhaften For- 
ben bedruckten Gewändern fällt die Größe der 
Muster auf: man liebte in jener Zeit einen gan- 
zen Schwarm ziehender Kraniche, mächtige Iris- 
sträuße, Kirschblüten- und Koniferenzweige usf. 
Der nächsten Generation, die durch Kiyonaga 
und Utamaro vertreten wird, ist dieses Geprönge 
zu laut, sie zieht zurückhaltendere Töne vor, 
setzt an Stelle der naturalistischen Ziermotive 
mehr und mehr neutrale geometrische Muste- 
rungen, z. B. die schlicht gestreiften Kimonos 
vieler Frauen Utamaros. 
Die in den europäischen Sammlungen vorhan- 
denen Färberschablonen stammen alle aus dem 
19. Jahrhundert und sind damit schon die ab- 
schließende Summe einer viele Jahrhunderte al- 
ten Stoffmustertradition. Die Muster bewegen 
sich vom strengen geometrischen Rapport (Wie- 
derkehr der Einheiten eines Musters; derjenige 
Ausschnitt aus einer gemusterten Fläche, durch 
dessen regelmäßige Wiederholung eben jene 
Musterung entsteht) bis hin zur veristischen Wie- 
dergabe von Lebewesen und Naturgestalten. Der 
Wechsel von Klein- und Großmuster, das Auf- 
setzen von einfachen Formen vor einem Rapport, 
all diese Mustergrundprinzipien wurden von den 
Japanern mit einer Perfektion beherrscht, die 
der europäischen Kunst der Jahrhundertwende 
zahlreiche Anregungen vermittelte. 
Zu Ende des vergangenen Jahrhunderts bestand 
ein reger Austausch kultureller Werte zwischen 
Europa und Ostasien. 1895, zwei Jahre vor der 
Gründung der Wiener Secession, machte die 
japanische Sezession ihre erste Ausstellung. Gu- 
stav Klimt besaß eine reiche Sammlung japani- 
scher Kimonos und No-Gewänder, und er be- 
nutzte Farbholzschnitte, Malereien und Färber- 
schablonen als Vorbilder. Auch der Gedanken- 
austausch mit einem anderen österreichischen 
Maler, Hans Böhler, der 191011911 Ostasien be- 
reiste, war fruchtbar. Klimt benutzte in seiner 
Malerei das Muster-Grund-Prinzip genauso, wie 
es die japanischen Textilkünstler vermittelten: 
Großmuster vor Kleinmusterung. Seine Gestal- 
ten werden Teil des Ornaments. Klimt, Adolf 
Böhm, Franz Zülow, Emil Orlik, die Expressio- 
nisten Erich Heckel und E. L. Kirchner und auch 
andere Künstler haben die Färberschablone ge- 
kannt und ihre Eigenart verwendet. Damit fan- 
den die unbekannten japanischen Schablonen- 
entwerfer und -schneider und ihre Produkte, die 
„nur" Stoffmuster sein wollten, Eingang in die 
WeltkunstlSiehe S. Wichmann, Kunstdidaktische 
Bildreihen zum Japonismus, S. 50.) 
L] Unser Autor: 
Dr. Friedrich Czagan 
Elisabethallee 95b, 
' A-IIQO Wien 
18
	        
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