ven Schnitt war, ähnlich der Batiktechnik, ein
Abdecken der nicht zu färbenden Partien mit
einem Reisstärkekleister, der mit dem Absud von
Meeresalgen bereitet wurde, notwendig. Der
getrocknete Stoff kam dann in die Farbe, die
also nur die früher von der Schablone bedeckten
Stellen angreifen konnte, während die vom Stär-
kekleister bedeckten ungefärbt blieben. Mischun-
gen beider Möglichkeiten, z. B. die mit Positiv-
und Negativschnitt im Schachbrettmuster wech-
selnden Schablonen oder die freien, in vielfälti-
ger Mischung entstandenen, ergaben besonders
reizvolle Wirkungen. Subtile Reize wurden auch
dadurch erzielt, daß das schon in der Sahablone
manchmal komplizierte Muster-Grund-Prinzip
noch auf Gewebe mit ripsartiger Bindung oder
mit leicht erhobenem Prägemusfer gesetzt wurde.
Sicherlich waren oft Schablonenschneider und
Entwerfer und Erfinder der Muster ein und die-
selbe Person, ähnlich wie viele Halzschnittmei-
ster Web- und Stickereientwürfe zeichneten. Die
erste historisch faßbare Persönlichkeit, in der
sich Textil- und Holzschnittkunst Verschränkte,
war Hishikawa Moronobu (17. Jh.). Auch er be-
gann als Zeichner von Stoffmustern wie sein
Vater, wurde aber dann zum Urahn des japa-
nischen Holzschnitts. Bis in die Spätzeit des ja-
panischen Farbholzschnitts stand in seinem Mit-
telpunkt die menschliche Gestalt, umhüllt von
den Meisterwerken der Textilkunst. Der Japa-
ner bewundert die bekleidete, nicht die nackte
Gestalt, und die Kleidung spielt eine Rolle, die
fast schon an Fetischismus grenzt. So wird eine
blühende Industrie, ein Stoffluxus ohnegleichen,
erklärlich, wie auch andererseits in der bilden-
den Kunst die Vernachlässigung des Studiums
menschlicher Körperformen begreiflich.
Das Florieren von Handel und Gewerbe in der
Tokugawa-Zeit brachte eine Flut von Holzschnit-
ten und Blockbüchern, aber auch eine große
Zunahme von Textilien für das einfachere Volk.
Die „Demokratisierung" der Kultur drückt sich
jedoch oft nicht in der Entwicklung neuer For-
men aus, sondern es werden vergröberte, ver-
billigte oder simplifizierte Varianten aristokra-
tischen Kulturguts übernommen. (In Mitteleuropa
wurden z. B. die Tapeten der Palais und Bürger-
höuser anachronistisch und zweckfremd zu den
Zimmermalereien in den Sozialbauten „demo-
kratisiert".) In Japan bestand nun eine ständige
Wechselwirkung zwischen der Technik des Holz-
schnitts, der Malerei und der Kunst der Stoff-
muster. An der Fülle der japanischen Holz-
schnitte und ihrer Darstellungen von bekleide-
ten Frauen und Männern ist der Reichtum der
Textilmusterungen, seien sie jetzt gewebt oder
gedruckt, abzulesen. Da keine Stoffe mehr er-
halten sind, sind die Holzschnitte die Muster-
bücher der Textilindustrie.
Die adelige Kunst Moronobus wurde bürgerlich,
an den mit undurchsichtigen und lebhaften For-
ben bedruckten Gewändern fällt die Größe der
Muster auf: man liebte in jener Zeit einen gan-
zen Schwarm ziehender Kraniche, mächtige Iris-
sträuße, Kirschblüten- und Koniferenzweige usf.
Der nächsten Generation, die durch Kiyonaga
und Utamaro vertreten wird, ist dieses Geprönge
zu laut, sie zieht zurückhaltendere Töne vor,
setzt an Stelle der naturalistischen Ziermotive
mehr und mehr neutrale geometrische Muste-
rungen, z. B. die schlicht gestreiften Kimonos
vieler Frauen Utamaros.
Die in den europäischen Sammlungen vorhan-
denen Färberschablonen stammen alle aus dem
19. Jahrhundert und sind damit schon die ab-
schließende Summe einer viele Jahrhunderte al-
ten Stoffmustertradition. Die Muster bewegen
sich vom strengen geometrischen Rapport (Wie-
derkehr der Einheiten eines Musters; derjenige
Ausschnitt aus einer gemusterten Fläche, durch
dessen regelmäßige Wiederholung eben jene
Musterung entsteht) bis hin zur veristischen Wie-
dergabe von Lebewesen und Naturgestalten. Der
Wechsel von Klein- und Großmuster, das Auf-
setzen von einfachen Formen vor einem Rapport,
all diese Mustergrundprinzipien wurden von den
Japanern mit einer Perfektion beherrscht, die
der europäischen Kunst der Jahrhundertwende
zahlreiche Anregungen vermittelte.
Zu Ende des vergangenen Jahrhunderts bestand
ein reger Austausch kultureller Werte zwischen
Europa und Ostasien. 1895, zwei Jahre vor der
Gründung der Wiener Secession, machte die
japanische Sezession ihre erste Ausstellung. Gu-
stav Klimt besaß eine reiche Sammlung japani-
scher Kimonos und No-Gewänder, und er be-
nutzte Farbholzschnitte, Malereien und Färber-
schablonen als Vorbilder. Auch der Gedanken-
austausch mit einem anderen österreichischen
Maler, Hans Böhler, der 191011911 Ostasien be-
reiste, war fruchtbar. Klimt benutzte in seiner
Malerei das Muster-Grund-Prinzip genauso, wie
es die japanischen Textilkünstler vermittelten:
Großmuster vor Kleinmusterung. Seine Gestal-
ten werden Teil des Ornaments. Klimt, Adolf
Böhm, Franz Zülow, Emil Orlik, die Expressio-
nisten Erich Heckel und E. L. Kirchner und auch
andere Künstler haben die Färberschablone ge-
kannt und ihre Eigenart verwendet. Damit fan-
den die unbekannten japanischen Schablonen-
entwerfer und -schneider und ihre Produkte, die
„nur" Stoffmuster sein wollten, Eingang in die
WeltkunstlSiehe S. Wichmann, Kunstdidaktische
Bildreihen zum Japonismus, S. 50.)
L] Unser Autor:
Dr. Friedrich Czagan
Elisabethallee 95b,
' A-IIQO Wien
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