duktionsmethoden sowie auch den Zielen von iiKunstu
und iiGewerbeu. wDas kunstwerkii. schrieb Loos. "ist
ewig, das werk des handwerkers ist vergänglich. Die
wirkung des kunstwerkes ist geistig. die wirkung des ge-
brauchsgegenstandes materiell... Gott schuf den
künstler.derkünstlerschafftdiezeit.diezeitschafftden
handwerker. der handwerker schafit den knopfri"
Aus diesem Grund, wenn auchaus keinem anderen, hat-
te Loos die Ästhetik der Wiener Secession nicht ohne
Vorbehalt unterschreiben können. Auch wurde er in der
Tat nie Vereinigungsmitglied. Andererseits stand er in
den 90er Jahren der Secession viel näher. als man
denkt. Die noch verbreitete aber doch falsche Ansicht.
Loos wäre der Todfeind der Secession, ist zum größten
Teil auf seine späteren Äußerungen zurückzuführen.
wie z. B. auf seine bissigen Bemerkungen über Olbrich:
In seinem wKleinen lntermezzoii von 1909 beschrieb er
eine Schauvitrine, in der weßbestecke für leute. die
essen können, nach englischem muster, und solche für
leute. die nicht essen können, nach den entwürfen
Olbrichsci" ausgestellt waren. Doch 1898 hatte er nach
eigenem Bericht sogar angeboten, ein Zimmer in Olb-
richs Secessionsgebäude einzurichten - kaum die
Geste eines unerbittlichen Gegners."Auch haterin Ver
Sacrurn. Organ der Vereinigung, zwei Artikel veröffent-
licht. der eine war nAn unsere jungen Architekten-i ge-
richtet. der andere war der bekanntere Aufsatz "Die Po-
temkinsche Stadtri. In diesem allerdings fremden Zu-
sammenhang war Loos doch kein Kuckuck im Nest: es
bestand nämlich keine auffallende Diskrepanz zwi-
schen seinen Ansichten und denjenigen der anderen
Autoren. Im Gegenteil: die gemeinsame Bewunderung
Englands, Ablehnung des Historismus und Forderung
nacheinem den Bedürfnissen derzeitgenössischen Ge-
sellschaftangepaßten Stil, derWunsch, nicht nur Haus
und Wohnung des Bürgers, sondern seine ganze Le-
bensweise neu zu gestalten - das alles hat Loos mit
den frühen Secessionisten eng verbunden. Bezeich-
nend ist auch, daß Ludwig Hevesi, der außer Hermann
Bahr der Kritiker war, der der Secession am nächsten
stand, in einem Aufsatz vom Mai 1898 Loos keineswegs
als iiFeindr der Secession identifizierte, sondern ein-
fach als wNicht-Sezessionistri."
In jenen frühen Jahren stand Loos auch Hoffmann nä-
her, als wir bislang glaubten. ln seiner Dissertation hat
Burkhardt Rukschcio schon auf gewisse stilistische
Ähnlichkeiten zwischen frühen Fassadenentwürfen der
beiden Architekten aufmerksam gemacht." Loos hat
Hoffmann mit seiner Feder ebenfalls gefordert. In einer
frühen, überaus positiven Besprechung. die in seinen
gesammelten Schriften keinen Platz finden sollte.
schreibt er über Hoffmann in Worten. die uns wohl über-
raschen dürfen, wenn uns eher seine späteren Kritiken
vertraut sind. iiHier aberri. schreibt Loos, iihaben wires
mit einem Künstler zu thun. der mit Hilfe seiner über-
quellenden Phantasie alten Traditionen erfolgreich
an den Leib rückt." Nach seinen eigenen Kriterien muß
das für Loos als höchstes Lob gegolten haben. Er fährt
dann fort:
wDie beiden Zinshäuser am Mehlmarkt sind Musterbei-
spiele für eine moderne Losung derWiener Materialfra-
ge. Die Sucht. Steinquaderzu imitieren. ist hiervollstän-
dig aufgegeben. und der Mörtel bedeckt nach dem Prin-
zipe der Verkleidung die Flache ohne Fugenunterbre-
chung, Einen außerordentlichen Effekt hat sich Hoff-
mann für die im frischen Putz aufgetragenen Lorbeer-
blätter des Zinshauses ausgedacht. Dieselben sollen
nämlich grün bronziertwerden. während die Früchte als
matteGlühlampen gedacht sind. DieAnknüpfung an die
alte Stuocateurtechnik ist bei unseren Zementgußfas-
saden mit Freuden zu begrüßenmi"
Diese Besprechung gehört zu einer geringen Anzahl
vonArtikeln,die Loosinseinem 1921 in Paris erschiene-
nen Sammelband Ins Leere Gesprochen nicht wieder-
aufnahm. Eine andere Besprechung, ursprünglich in
der Neuen Freien Presse vom 8. Mai 1898 unter dem Ti-
tel nDie Ausstellungsstadt. Der neue Stylu erschienen,
wurde auch weggelassen, zweifelsohne. weil sie seinen
späteren Beschimpfungen des Jugendstil-Designs glatt
widersprach. Aus derselben Reihenfolge von Aufsät-
zen. die zum erstenmal in der Neuen Freien Presse zwi-
schen dem 15. Mai und dem 23. Oktober veröffentlicht
wurden, übernahm Loos jedoch diejenigen, die sich mit
der Wiener Jubiläumsausstellung jenes Sommers be-
schäftigten. Andere Aufsätze und Rezensionen aus den
QOerJahren wurden ingekürzter Form neu herausgege-
ben, so daß es uns wichtig erscheint. auf die Erstveröf-
fentlichungen zurückzugreifen, wenn wirunsein genau-
es Bild von seinen damaligen Ansichten machen wollen.
In Ins Leere Gesprochenfinden wirz. B. einen gekürzten
Wiederabdruck seines Aufsatzes. der unter dem Titel
riKunstgewerbliche Rundschauii zum erstenmal 1898 in
derZeifschrift Die Wage erschien. Die Kürzungen sind
in derTat für uns ausschlaggebend. Es geht um eine Be-
sprechung der Winterausstellung im k. k. Österreichi-
schen Museum für Kunst und Industrie (die Loos'schen
Besprechungen der Ausstellungen im Österreichi-
schen Museum und seine Berichte über die Tätigkeit
des neuen Direktors, Arthur von Scala. sind immer in
einem äußerst respektvollen Ton gehalten). in der Neu-
ausgabe von 1921 fällt aberder letzte Absatz aus, worin
Loos über secessionistische Arbeiten. die in der Aus-
stellung gezeigt wurden. durchaus positiv berichtet: es
werden sogar Einlegearbeiten von Adolf Böhm sowie
auch Mobelvon Friedrich Otto Schmidtals vMeisterwer-
ke. jedes in seiner Artri gelobt."
Eine eingehende Analyse seiner früheren Schriften an
Hand der ursprünglichen Quellen ist insofern aus-
schlaggebend. da sie feststellen läßt. daß Loos sich vor
1903 nie eindeutig von der Secession distanzierte. Erst
ab 1 903. d. h. nach derGründung derWienerWerkstätte
und dem fastgleichzeitigen Erscheinen des von Loos re-
digierten Blattes DasAndere vernehmen wir einen all-
mählich schärferwerdenden Ton. Aber sogar in DasAn-
dere schreibt Loos über die Leistungen der Secessioni-
sten aufdem GebietderAusstellungseinrichtung immer
noch billigend. Wohl nicht ganz ironisch schlägt er vor.
es soll eines der Secessionsmitglieder den Auftrag be-
kommen, die Straßen zum Besuch des deutschen Kai-
sers und des Zaren von Rußland auszuschmücken, und
fährt fort: iiDenn das können sie. Durch einige jahre ha-
ben sie auf ihren ausstellungen mit den einfachsten. bil-
ligsten mitteln das problem der mobilen dekoration auf
das beste gelöst-C?
Ab 1903 galten jedoch die Bestrebungen vieler der füh-
renden Secessionisten, unter ihnen auch Hoffmann und
Moser, in immer zunehmendem Maße dem oben er-
wähnten Unternehmen: der Wiener Werkstätte. die im
Sommer jenes Jahres gegründet worden war. Wahr-
soheinlich war dies der Anlaß, aus welchem Loos sich
endgültig gegen die Secession im allgemeinen und ge-
gen Hoffmann im besonderen wandte. im Vergleich zu
der iialtenr: Secession der 90er Jahre vertrat nun die
Wiener Werkstätte einen für Loos vollkommen fremden
ästhetischen Standpunkt. Die WW hatte das gegenseiti-
ge Durchdringen von Kunst und Gewerbe zum Ziel. Nur
die erfahrensten Handwerker wurden aufgenommen,
deren Monogramme dann neben dem Monogramm der
Firma und des Entwerfers auf WW-Silber- und Metallar-
beiten standen. im vollkommensten Gegensatz zurnAn-
onymitätr des mittelalterlichen Handwerkers, der für
Loos vorbildlich war. Es wurde bewußt nur das kostbar-
ste Material verwendet. Bloßdie gemeinsame Begeiste-
rung fürden wenglischen Stiliiblieb als Berührungspunkt
zwischen Loos und derWW. Für Loos waraberdiese Be-
geisterung ehereinevage und nicht-spezifische, im Ver-
gleich zur Nachahmung oder Anwendung von bestimm-
ten stilistischen Vorbildern, die für Hoffmann charakte-
ristisch ist. Außerdem sind die Werke der beiden Künst-
ler, vor allem ihre Inneneinrichtungen, bis spätestens
191 O so vollkommen anders geworden. daß die von
Loos in späteren Jahren gegen Hoffmann gerichtete Po-
lemik uns im Rückblick ganz plausibel erscheint.
Anmerkungent - 19
1 Dieser Aufsatz ist eine erweiterte Version eines am Warburg-lnstrtut,
London. gehaltenen Vortrags im Rahmen des Kolloquiums iiiritain and
Vienna1900 -193El(11 - 12.Juni 1982). An diesem Kolloquium nah-
men auch teil. Professor Eduard F. Sekler. Dr. Nicholas Bullock. Gavin
Stamp, Dr. Edward Timms. Jules Lubbuck
' AdolfLoos,iiHeimatkunstuU914):inF.Glück(Hrsg.),Ad0IfL0os Sämtli-
Cfle SCIWIISII (Wien. 1962), S. 340-1.
1 wArchltektur-i (1910); Sämilltha Schriften, S. 317.
l nMelfle Bauschulee. Der AICIIIIGkIXIX, Nr. 1D (Oktober 1913). S. 70:
Sämtliche Schriften, S. 323.
i rEirl Wiener Architekt-i. Dakoralrve KIIIISI2(1BQB). S. 227.
5 Die frühesten Fassadenenlwürfe fürdas Haus am Micnaeierplatz wur-
den von Nicholas BullOCk in seinem am Warburg-lnstitut gehaltenen
Vortrag VOM 12. Juni 1982 behandelt; siehe oben, Anm. 1 . Die wichtig-
sten Dokumente, die sich auf diesen Auftrag beziehen, wurden von
H. Czech und W. Mistelbauer VEYÖHGFIUICTIHDES LOOSHGUS. Wien 1975).
f wUnsere Kunstgewerbeschule-i. Die Zerl XIII, Nr 161 (31. Oktober
1897), S. 7B, Sämllmlre SCIVNISII. S. 142.
' Journal 01 Design and Manulactures ll (September 1849 - Februar
155D), S. 122.
' ivDas Luxusluhrwerk-i, Neue Freie PIQSSG, 21.Juli 1898, S. 161., Sämifi-
che schrillen, S 52 f.
1" F. Schumacher. Im Kampf UM die KlInSf. Straßburg 1899, S. 751.
" lbld.,S.141.
" i-Antwonan auf Fragen aus dem Publikum-in 919); Sämtliche Schriften.
S. 372.
" wKleines Intermezzo: (1909), Sämtliche Sclrrlfferv. S. 289.
14 uMeine Bausßhuleii (1913); Sdrnliiclre Schrllren, S. 322.
" L. Hevesi. wKunst auf der Straße-i, Fremdenblair, 30. Mal 1899, S. 14.
" B. Rukschcio. Studien lLi Entwürfen, Projekten urrdausgerlihrran Bau
werken von Amrum (YB7Ü - 1933) Ph. D. Dlss , Wien 1976. S, B4.
rr nEln wiener Arcniteku, Dekorative Kunst 2 (1893). S. 227
" Die Wage 1 (rasa), Nr 4a, s, 794-5.
i- .was wir sehen und barem, Das Andere l (1903). Nr. i, sämtliche
scrinrren, s. 231.