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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXX (1985 / Heft 203)

 
 
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ÄUBIIRG. IOASIGIIII 
 
das. was sie als llpllblikUmSgeSChlTläCkit bezeichnen, 
und was immer eine Nivellierung nach unten bedeutet. 
Von manchen verpönt, aber grundsätzlich doch erlaubt 
ist die Überlegung: wie weit muß ein Gebrauchsgegen- 
stand nützlich sein. wie weit muß er den Zweck optimal 
erfüllen, und ist das auch schon alles. was man verlan- 
gen kann? Ein Gefäß etwa - es hält einen lnhalt, dient 
zum Aufbewahren oder zum Trinken. Ist es aus selte- 
nem Material oder besonders schön (was naturgemäß 
ein relativer Begriff ist), wird dadurch eine weitere 
Beziehung zum Benützer hergestellt, als Besitz wird es 
wertvoller, hebt unter Umständen das Sozialprestige, in 
der Benützung macht es mehr Freude. Man kann diese 
Überlegungen ebenso gut auf dasAuto umlegen und hat 
dann überdies noch ein Abbild gewisser, durch Gegen- 
stände oder deren Besitz gekennzeichneter Massen- 
psychosen. 
Der Nutzen wechselt also nicht nur überhaupt von 
Gegenstand zu Gegenstand, es werden auch vom 
Benützer an denselben Gegenstand je nach seiner 
jeweiligen psychischen oder physischen Verfassung. je 
nach Alter. sozialer Stellung usw. verschiedene Maß- 
stäbe angelegt. Zum äußeren, physischen Gebrauch 
kommt ein binneißftt psychischer Nutzen hinzu, und 
dies erklärt auch die modischen - soziologisch gut 
erfaBbaren - Motive zurVerfremdung, oft mit dem Ziel 
der Verselbstandigung der eigenen Persönlichkeit und 
verbunden mit einem Abrücken von der Norm. Die 
Bandbreite dieses Phänomens reicht von der irguten 
Stuben. wo Gebrauchsgegenstände nur für den nie ein- 
treffenden Besuch geschont werden, bis zur Image- 
trächtigen und gruppenkonlormen Vernachlässigung 
bei Kleidung und Wohnung. 
Während so ein Gegenstand eine Bedeutungsverände- 
rung durch den Benützer erfährt, die nicht immanent 
undnichtzweckgerichtelist,kanneinesolcheVerande- 
rung auch bewußt von außen erfolgen, etwa durch 
künstlerische Mittel. Ein Gebrauchsgegenstand wird 
dadurch in seiner Funktion nicht notwendigerweise 
gestört, es sei denn. der Gebrauchswert ist nur mehr 
Ausgangspunkt odervorwand füreinefreie Gestaltung 
(schon das berühmte Salzfaß von Benvenuto Cellini). 
Er erhält aber auf solche Weise eine Sinnerweiterung 
durch Kunst. Gutes Kunsthandwerk hat dies zu allen 
Zeiten deutlich gemacht. und schlechtes iiKunstge- 
werberi ebenso die fatalen Verirrungen demonstriert. 
Letztere sind keineswegs schlimmer als in der iinicht 
angewandtenii Kunst, nur schmerzlicher, weil rnan sie 
öfters vor Augen bekommt. 
Eine tatsächlich neue Entwicklung ist nur die Objekt- 
kunst: Die Einengung oder besser Konzentration auf 
den Gegenstand. der völlig losgelöst von Zweck und 
Nutzen als Kunstwerk präsentiert wird, wobei die 
Gestaltung. der Vollzug der Kunstausübung durch die 
Augen des Betrachters der entscheidende Schritt sein 
kann, d. h. daß derGegenstand als etwas anderes erlebt 
wird, als er an sich ist, und damit als Kunst. In diesem 
Fallwirdvom Künstlerdiese Einstellunglediglichprovo- 
ziertEsistdiesdas äußerste Extrem,wenndas Erlebnis 
ganz an die Stelle des Gebrauches tritt. Daß aber diese 
Tendenz.inverschiedenerlntensitätzwar,teilsrückwir- 
kend aus der Kunst, teils auch selbständig aus dem Tri- 
vialgeschehen enlvachsend, mit verfließenden Über- 
gängen überall im Bereich derGegenstände auftritt. ist 
vielleicht ein besonderes Charakteristikum unserer 
Zeit. 
Andererseits: die Beengung durch den Gegenstand. 
durch Gebrauch und Nutzen, durch die Realität, hat in 
der Kunst ja schon früher zum "Ungegenständlichenri 
geführt. d.h. man vermied die Darstellung, die Abbil- 
dung von Gegenständen. Magritte hat sich mit diesem 
Problem theoretisch, aber auch in seinen Arbeiten 
besonders eindrucksvoll, besonders einleuchtend aus- 
einandergesetzt. (Das Bild, auf dem eine Pfeile zu 
sehen ist und die Schrift iidas ist keine Pleifeii - und 
jenes, wo dann der Pfeifenrauch über den gemalten 
Bildrand hinausgeht.) In der Objektkunst wird der 
Gegenstand aber nicht nur nicht dargestellt, er wird
	        
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