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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXX (1985 / Heft 198 und 199)

zbärde, es stellt sich ein besonderer Habitus ein. 
rlbst den erwähnten Dresdner Porträts, von hohen 
id höchsten Persönlichkeiten, von berühmten Künst- 
'n und Gelehrten, sieht man diesen auf den ersten 
ick an. Ihre Wahrheit hat gewisse. schier seltsame 
genzüge, so die wesenhafte Richtigkeit von allem, 
as Haarund Haaresgleichen ist.Wie individuell sehen 
wa die Wimpern an jedem Auge aus, wie leibhaftig 
eint man den Bürstenstrich des Bedienten an jedem 
rckarmel zu unterscheiden. Und das bei den 
schränkten Mitteln der Kreidezeichnung. Wie weitda 
lS Gesicht selbst ergründet ist, mag man sich denken. 
idem großen Bilde wDie vier Eisrnannerr odernDie Eis- 
zsenu erregte dies das größte Erstaunen. Das Filzig- 
rdenhafte der altertümlichen Schauben, die 
aschengenaue Pinselstrickerei der derben Waden- 
rümpfe, das Haar-für-Haar der langen struppigen 
"aubärte und Haarschbpfe, die Härchen sogar an den 
aßen Teilen der Beine (wie bei Van Eycks Adam in der 
üsseler Galerie), das ist alles wie für die Lupe. Die 
idernarbederBergschuhe,derMesserzug amSchnitt 
er Ptundsohlen und ganz besonders die Rinde der vier 
sch vom Baume geschnittenen Knüttel, Baumrinde 
überhauptein Liebling beider Mediz. Wasda an winzi- 
in Moosen und Flechten, Sprüngen und Narben, Äst- 
in und Knötchen vor sich geht, das ist wieder alles für 
e Lupe. Man möchte es kindisch nennen, wenn man es 
ihe. Aber man sieht es erst, wenn man es sehen will; 
m2 wie beim wirklichen Menschen und Baumast. den 
man ja für gewöhnlich auch nicht durch die Lupe 
ansieht. Denn die Figuren haben dabei Masse. Sie glie- 
dern sich ebenso richtig als Ganzes, das man miteinem 
Blicke umfassen kann, ohne aufdie Mikroskopikzu ach- 
ten. Wiederum wird man an Leibl denken müssen. Oder 
an englische Präraffaeliten. An Holman Hunt etwa, des- 
sen Gestalten so durchgebildet sind und unter dessen 
Sträuchern und Blumen man tatsächlich botanisiert 
hat. Die vier Eismanner stehen auf einem Streifen blü- 
henderAlpenhalde. Es isteindichtenzäherTeppich aus 
winzigen Alpenblumen, jede einzelne einzeln vorhan- 
den, wie einfarbigerWollknoten in einem orientalischen 
Teppich, Die rote Alpenrose, die gelbe Primel, der blaue 
Speik, der blauere Enzian, dicht zusammengedrängt, 
ein elastisches Blumenmosaik. Man sah alle diese 
Dinge halb ungläubig an, wie vor fünfundzwanzig Jah- 
ren die bunt aufgedruckten Blumensträuße auf dem 
weißen Umschlagtuch von Leibls Kirchgängerin oder 
wie man die unzähligen blauen Schürzenfalten seiner 
Kellnerin(derMiederstudie)zu zählen versuchteSogar 
in der Fleischfarbe ist ein Zug von Verwandtschaft, ein 
bläulichrosiges Etwas von Mitten, das auch Dürer oft- 
mals hat. Das sind eben alle drei Deutsche, von jener 
scheinbaren Schwere, die sich durch eine innewoh- 
nende elementare Spannkraft von selbst wieder aut- 
hebt. Seitdem hat Mediz noch einmal zwei solche Eis- 
männer in Lebensgröße zusammengestellt (wDie Alten 
vom Berge-r). Einsiedelbauern sind es, der eine im 
Leben ein Naturdichter, der Knittelverse macht, der 
andere ein bäuerlicher Tausendsassa, Gemisch von 
Schmuggler, Pfadfinder und Wurzelsepp, nebenbei nie 
ohne einen alten zottigen Gaul zu sehen, der ihm wie ein 
betagter Hund nachhumpelt. Aüf dem Viereismänner- 
gebilde ist derAlte links, mit dem langen Schwindschen 
Rübezahlbart im Profil, im Original schon neunzig Jahre 
alt und hat viel Buntes im Leben erlebt. Das sind solche 
Charaktere, und wenn man in ihre hellblauen Augen 
schaut. kann man es darin lesen, und in den tausend 
Ftunenrunzeln ringsum, deren Rechtschreibung Mediz 
im kleinen Finger hat. 
Schier befremdlich heben sich solche äußerst wahre 
Menschengestalten bei ihm von einer Natur ab, die 
eigentlich nicht zu ihnen paßt. Von einer schemenhaf- 
ten Hochgebirgs- und Gletscherwelt, in deres am hellen 
Tage geologisch und metereologisch zu spuken 
scheint. Da entfalten sich weite Hintergründe. in denen 
sich ein fast körperlos gegebenes Eiszackensystem in 
tausend stürzende Bäche, hüpfende Bachleimtallende, 
zerknickende. zerstiebende Wasserfäden auflöst. Es 
wird da ein Hochalpenstil gesucht, der sich noch nicht 
recht finden läßt. Frau Emilie ist darin glücklicher, 
wenigstens soweit sie noch positiver, studienhatter 
geblieben. So in ihrem großen nHochtalu, wo verschie- 
dene Charakterzüge des Gletschers vortrefflich beob- 
achtet sind. Es istderSchlattenkeesgletscheram Groß- 
venediger, wo das Paar den vorigen Hochsommer 
gearbeitet hat. In einem anderen Bilde stellt Emilie die- 
sen Gletscher als solchen dar, als großzügiges, he- 
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