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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXX (1985 / Heft 198 und 199)

 
6 Emilie Mediz-Pelikan, Hof am Fluß. 1904. Mischtechnikl 
PapierlKanon. 46 x 80 cm. Sign, und dat. nKrems E. Pelikan 
Juni 19041 
roisch gestimmtes Bildnis einer geologischen Persön- 
lichkeit. Wie der breite Eisstrom als ungeheures S 
zwischen seinen Felsengestaden talwärlszieht, das hat 
etwas Typisches. Dabei fühlt man den Föhn, in dessen 
weicher Wärme alles schmilzt. schwitzt. rinnt. Die Eis- 
spitze dariiberweg ist die nschwarze Wand". Man 
begegnet ihrer kühnen Zacke auf manchem dieser Bil- 
der, und sie hat auch ein Gegenüber. mit dem sie sich 
durch eine große Linie verbindet. Verbinden würde, 
wenn nicht ein fremder Berg sich davor schöbe. Nun, 
diesen Berg hat Frau Emilie im nHochthalk beseitigt und 
an seine Stelle die große runde Nebeisonne gesetzt. 
Dieser Zug mag zeigen, wie die beiden die Landschaft 
sichten, ordnen, bauen. Photographen sind sie nicht. 
Auf einem großen Bilde Emiliens. Ruine nDürnsteinit, 
sieht man das ganze Donautal mit seinen Auen und 
Uferdorfern als silbergrau dunstigen, luftigen Prospekt 
in der Tiefe schweben; beinahe schon eine Luftballon- 
wirkung. Schade, daß das Bild etwas seifig gemalt ist. 
Ich ziehe ihre Bildervor, wo die Tiefen und Höhen weni- 
ger ins Naturferne gerückt sind. Etwa so. wie in jenem 
"Hochthalii der üppige Blumengrund, in dem die bunten 
Kühe weiden. Man blickt aufdiesen StreifenAlpenmatte 
nieder,unddasAugespürtordentlich.daßsieausnichts 
als Blumen besteht. So sind auch die Meerestiefen, in 
denen beide schwelgen. Am Fuße der purpurbraunen 
Felsen von Duino(Karls wRuine am Meeriqsieht man ein 
Wasser voll dunklen. blaugriinen und grünblauen Far- 
benspiels. Ebenso in Emillens Meeresweiten, den dal- 
matinischen, korfiotischen, triestinischen. Zwei große 
Bilder bei Triest füllt sie nur mit See und Luft, mit einer 
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vMeeresdämmerung in Silber: und einer "Meeresdäm- 
merung in Blau-i. Meer und Himmel, jedes der beiden 
scheintsich in dem anderen zu spiegeln. Das leise Spiel 
der Elemente lockt beide Künstler, rnitzuspielen. Man 
sieht bei Karl Mediz genau, wie die weichen, weißen 
Schiroccowolken sich fächerförmig ausspinnen, so 
über dem oft gemalten arco natu raie auf Lacroma ("Das 
Badu). Und überder Hohenloheschen Burgruine Duino 
krauseln sich am Abendhimmel feurige Arabesken, der 
sogenannte nWetterbaumu. 
Diese ganze Atmospharik beider Künstler ist mir um so 
lieber, je weniger sie sich ins Abstrakte heben will. Eine 
Phantasienatur, wie beim alten Watts, muß angeboren 
sein, von selber kommen; experimentell erreicht man 
sie nicht. Daß der Künstler daran glaubt, überzeugt den 
Beschauer noch nicht, und wenn er nicht überzeugt ist. 
will er auch nicht glauben, daß der Künstler daran 
glaubt. Selbst bei den nEiSrieSemi steht das helle stilisti- 
sche Eisgebirge hinter den so greifbaren Figuren, wie 
die grau in grau gemalten Gebirgsprospekte bei den 
lschler Photographen. Statt menschlicher Körperlich- 
keit, die sich sovon Luft und Luftartigem abhebt, mag es 
auch wohl eine mineralogische oder pflanzengeogra- 
phische Persönlichkeit sein. Eines jener erstaunlichen 
Felsgebilde der adriatischen Küste, die an Cyklopen- 
hand gemahnen, mächtige Wände wie aus bunten 
Achatquadern. Bogen wie aus Karneolblöcken. Karl 
Medic hat manches solche Motiv breit hingemörteit. 
Und Emilie setzt sich einmal vor das Grottenloch von 
SLCanzian beiTriestund konterfeitjeneganzebuntver- 
witterte Karstphysiognomie treulichst ab, Zug für Zug, 
mit all den Einfällen und Zufällen, die sich verkar: 
Kalkgestein erlaubt (wZur Unterweltw). Das ist ein 
die voll durchdringender Wahrheitsliebe. Ode 
Objekt ist eines jener gemischten Gebilde, in l 
Stein und Pflanze, Natur und Menschenwerk sich' 
einem massiven Blumenstrauß vermahlen. Da: 
jene südlichen Strandpalazzini und lnselkiöstt 
ihren hellen Säulen und Bogen zwischen dL 
Cypressen und Pinien, sfarrend von graublauen 
tus, wallend von silbergrauen Schleiern der C 
haine. durchwuchert und übersponnen von hellt: 
Glycinien und dunkelgrünem Kissos. 
So malt etwa Karl Mediz nDas Klostera. Es is 
berühmte Einsiedelei auf der Mausinsel bei Korfc 
Eilande, das man für Bocklins Toteninsel zu l 
pflegt. Aber Max Klinger weiß von Böcklin selbs 
diesersein Motivvon den Ponzainseln bei Neapeli 
hat. Die Mausinsel, das versteinerte Schiff der 
aken, wie es tief unten in dertiefblauen Bucht lieg 
Mediz einmal auch im Niederblick, zwischen dt 
Efeugehängen hindurch. gemalt. Diese Darstelli 
greifen natürlich schon in Böcklins Gebiet über. 
und Pflanzegleich plastisch,aberauchgleichfarb 
Natur als Gesamtkünstierin. Aber, möchte man tr 
hat nicht jene Naturviel von Böcklin gelernt? An d 
Geist ist dort ewig nicht mehr vorbeizukomme 
Mediz ist der besondere Zug vor allem wieder, ( 
unvermerkt ins kleinste geht. Jede seiner Cypress 
für das gemeine Auge gibt es nichts Uniformen 
Cypressen und Pappeln - ist eine Person für sic 
scheinbar so gleichen Wipfeln sind jeder nach :
	        
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