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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXX (1985 / Heft 201 und 202)

gewesen war. Wenn hier nun eine Gruppe von vier 
eigenhändigen Standliguren Hans Waldburgers abge- 
bildet ist (Abb. 5-8). die in meiner Arbeit von 198235 
eingehend besprochen wurde. so wird damit der Unter- 
schied dieser Skulpturen zu den Standtiguren Petrus- 
Pauius und Benedikt-Wolfgang im Hauptgeschoß des 
Mondseer Hochaltares deutlich. So deutlich. daß bei 
KenntnisderspälerenWerkederdrei genannten Gesel- 
ien in diesen Standliguren die einzelnen Hände genau 
unterschieden werden können. Diese Unterschiede hat 
mit großem Einfühlungsvermögen Johannes Ramhar- 
ter in seiner soeben abgeschlossenen Wiener Disserta- 
tion über Leben und Werk des Jakob Geroid überzeu- 
gend beschrieben. 
Für die Herkunft des Pfongauer Reliefs aus der Abtei 
Mondsee sprechen biographische Notizen zum Leben 
eines der Mönche": P. Georg Socher wurde am 6. Au- 
gust 1747 in der Gemeinde Neumarkt am Waiiersee 
geboren. möglichenueise in Pfongau selbst. Nach Able- 
gen der Profeß und nach der Priesterweihe wurde er 
1774 Professor für Philosophie an der Universität Salz- 
burg und ieltetedas Stift nach dem im Jahre 1 784 erfolg- 
ten Tode des Abtes Opportun Dunki als Administrator. 
Nach der durch kaiserliches Dekret vom 20. Oktober 
1791 befohlenen Aufhebung der Abtei Mondsee war 
P. Socher Pfarrer in dem Pfongau benachbarten Straß- 
waichen und verstarb dort am 26. November 1807. So 
wäre der Weg eines Kunstwerkes aus der Pralatur der 
Abtei Mondsee in eine Kirche des Heimatortes des letz- 
tenAbteiadministratorserkiarbanwomitdas Plongauer 
Relief in einen engeren Zusammenhang mit der Entste- 
hungsgeschichte des Mondseer Hochaitares gestellt 
werden kann. 
Der Auftrag für ein spätgolisches Altarretabei hatte 
stets einen rRißu. eine nVisierungx vorausgesetzt ' 
plastischen Bereich hatte der mittelalterliche Hütten- 
betrieb nur das origlnalgroße Modell (im Maßstab 1:1) 
gekannt. Ebenso wurden im Bereich der Malerei keine 
Skizzen im kleinen Format verwendet. sondern nur der 
originalgroße Vorentwurf auf der zu gestaltenden Fla- 
che selbst. die sogenannte Sinopie." Erste plastische, 
skizzenhaft vorbereitende Entwürfe für eine Skulptur, 
die eine Zeichnung ergänzen oder ersetzen können, 
tauchen im 1 5.Jahrhundert auf. 1 482 ist zum ersten Mal 
die Anwendung des Begriffes Bozzetto nachweisbar. 
und zwar für eine kleine Tonskizze Verrocchios zu des- 
sen Christus-Thomas-Gruppe an Or San Micheie - nla 
boza e principio di si beila cosaw". Obwohl die Termine 
iogie der Unterscheidung von Bozzetto und Modeiio 
schon im 16. Jahrhundert fließend war". wäre doch 
zwischen Studienarbeiten innerhalb des Schaffenspro- 
zesses und dem für den juridischen Verkehr mit dem 
Auftraggeber notwendigen Vertrags- oder Ausfüh- 
rungsmodeilo.aisosinngemäßzwlschen wdisegnox und 
wexempiuml. der Unterschied klarzustellen. Bei dem 
Pfongauer Relief kann es sich seinem nmodeilou-haften 
Charakter nach nur um ein nexemplumu. nur um ein für 
denAuftraggeberbestimmtes undineinem Zusammen- 
hang mit dem juridischen Kontrakt stehenden Werk 
handeln. also um das. was man dann in den österreichi- 
schen Klostern als nPralaturstücki bezeichnete. Jeden- 
falls schließen die hervorragende Qualität des Pfon- 
gauer Reliefs wie die kleinen formalen Unterschiede zu 
dem Mitteiteil des Mondseer Hochaltares aus. daß es 
nach diesem gearbeitet wurde. Daß Waldburger italie- 
nische Werkstettgewohnheiten gekannt hat. steht 
außer Zweifel. Abgesehen davon, daß er in Salzburg 
eine Italienerin geheiratet hatte. war er gewißwie seine 
Kollegen Michael Pernegger" oder Veit Eschay" auf 
Wanderschaft in Italien gewesen. 
Um nochmals von der nWiedergeburt des Schnitzaita- 
res: im frühen 17. Jahrhundert zu sprechen: 1605 bis 
1606 errichtete Hans Waldburger in der Benediktiner- 
abteikirche St. Peter in Salzburg einen neuen Hoch- 
alter" - der Saizburger Historiograph Johannes 
Stalnhauser" war in seinen zeitgenössischen Kirchen- 
beschreibungen ein braver Abschreiber alles dessen, 
was er auf Abiaßtafeln und ähnlichen anderen Doku- 
 
menten lesen konnte; künstlerische Eigentümlichkei- 
ten berührten ihn jedoch fast nie. Umso größerer 
Bedeutung kommt daher Stainhausers Bemerkung zu. 
wenn er diesen Altar einen vdurchbrochenenu. ja sogar 
einen ndurchiichtetenk nannte. Zwar bildeten diese 
Altäre wie einst in der Spätgotik Körper im Raum. ihre 
Schreine waren aber keine in sich geschlossenen 
Gehäuse mit bemalten Flügeltüren mehr. Vielmehr bil- 
deten sie rahmende Gerüste für vieifigurige plastische 
Kompositionen, deren Dramatik durch die bewußte 
Lenkung des jeweils nach Entfernung der mittelalterli- 
chen Glasgemäide voll einfallenden Tagesiichts noch 
gesteigert wurde. insbesondere bei den freistehenden. 
bei den wdurchiichtetenir Figuren wie bei dem Michael 
des Mondseer Hochaltars. 
FastgleichzeitigmitwaidburgerserstemHochaltarbau 
für St. Peter" wurden in der Reichsabtei St. Ulrich und 
Afra zu Augsburg durch Hans DegierausWeilheim 1604 
der neue monumentale Hochaltar und 1607 die beiden 
großen Seitenaltäre geschaffen, norignelle Versuche. 
die Erscheinung des spätgotischen Schnitzaitares, sei- 
nen hochstrebenden Aufbau und seine räumliche Viel- 
falt mit antikischen Gliedern und mit fruhbarocker. 
dekorativer Pracht zu verbindenix". 
Nachdem in der rRenaissancew nur geringe Hinzufü- 
gungen von Farbe bei den kleinplastlschen Bildwerken 
schon zu einer Unterscheidung bestimmter Partien der 
Oberfläche genügt hatten - während im großen For- 
mat Bronze und Marmor schimmerten - war in den 
oben genannten Werken die Farbe wieder zu einem 
wesentlichen Bestandteil der biidnerischen Vorstellung 
geworden. Leider ist nach Mitteilung des Stiftsarchivs 
Reichersberg der eingangs erwähnte Faßmaiervertrag 
mit Anton Waldburger derzeit dort nicht auffindbar. 
Aber nicht nur durch den Vergleich mit der (restaurier- 
ten) Fassung von Degiers Aitären in St. Ulrich und Afra 
wissen wir. daß die 1937 erfolgte. rschwarz-goid domi- 
nierte-r Neubemalung des Mondseer Hochaltares nicht 
dem ursprünglichen Zustand entsprechen kann. in dem 
Kontrakt vom 28. August 1628 zwischen der Äbtissin 
des Benediktinerinnenklosters Ncnnberg in Salzburg 
und Hans Waldburger über die Errichtung eines neuen 
Hochaltares für die Klosterkirche" heißt es ausdrück- 
iich. daß alle ornamentaien Verzierungen am Altar ver- 
goidet, der Altaraufbau selbst jedoch wweiß und gemar- 
beiliert: zu fassen seien. Diese blaue Marmorierung auf 
weißem Grund ist heute noch auf dem seit 1853 in der 
Filialkirche in Scheffau bei Goiling" aufgestellten Altar 
genau zu studieren. Auch fürdie Fassung der einzelnen 
Skulpturen wurden genaue Anweisungen gegeben." 
Aus dem Vergleich solchervertragstexte mitdem heuti- 
gen Zustand mancher Kirchenausstattungen kann man 
sich ungefähr ein Bild von der Größe der Beschädigun- 
gen oder gar dertotalen Verluste von originalen Fassun- 
gen machen. die durch verantworlungslose Kirchen- 
maleraus deren Unkenntnis der Eigenart der ursprüng- 
lichen Oberflächengestalt entstanden sind. (Wie wohi- 
tuend überzeugen da vorzügliche Konservierungen 
durch hervorragende Restauratoren. wie sie etwa auf 
Seite 5 - 10 dieses Heftes abzulesen sind.) Und wenn 
sich Gudrun Rotterdurch die Nichtbeachtung aller spä- 
teren Veränderungen verleiten ließ. nzwischen dem 
distanzierend überfeinerten Klassizismus des Mond- 
seer und dem volkstümlich derben Barock des Nonn- 
berger Aitares einen unvereinbaren Gegensatzus" zu 
erblicken. so ist solches nur ein Beispiel mehr für die 
Unsachiichkeit mancher kunstwissenschaftlicher 
wAussagenii, die. aus weichen Gründen auch immer. 
darauf verzichten. vor allem anderen den originalen 
nTextit eines Kunstwerkes in ihre Überlegungen einzu- 
beziehen. 
in Degiers und Waldburgers großen Aitären wurde 
durch alle beschriebenen Faktoren eine völlig neue. 
eine nveristischeir Sinnfäiiigkeit plastischer Darstellung 
erfunden und erreicht. rrwie solche Anschaulichkeit 
gewiß auch aus einem inneren Zusammenhang mit den 
Tendenzen des geistlichen Schauspiels der Gegenre- 
formation resultierten". Wie der Vergleich der Marien- 
krönungsgruppe des Mondseer Hochaltares mit dem 
Relief in Pfongau gezeigt hat. kam dabei selbstverständ- 
lich dem bildlichen Zentrum des Aitares eine besondere 
Bedeutung zu. "Das Relief im Schaffen Hans Waldbur- 
gersu wird daher das Thema meines Beitrages in einem 
der weiteren Hefte dieser Zeitschrift bilden. 
Anmerkungen 28 - 51 (Anm. 28 - 34 s. Text S. 14. 15) 
" Pretzeli wie Anm. 13. hier S 9 
1' Öslerr. Kunsttopographie 10. 191a. hier s. 115. 
I" FranzWagner.SaizburgerDenkmaipflege1960 -1962_1n'Mitt Ges. 1. 
Saizb. Landeskunde 103. 1963. S. 71 -92, hier S. 78- 79 und Ta- 
fel 6 - 7. 
" Wle die Steuerbeschreibung der Stadt Salzburg aus dem Jahre 1623 
vermerktuandesarcnsalzb .GBh.ArCh.XXVil. 15). verfügten damals 
Waldburgers Kollegen Lorenz Kreuzthaler. Matthäus Murmann und 
Hans Konrad A598! über ein steuerbares Vermögen von jeweils 200 
Gulden. das steuerbare Vermögen in bar von 5000 Gulden des Hans 
Waldburger - dazu kam nOCh das Eigentum von 2 Hausarn - hatte 
damals kein anderer Künstler in Salzburg aurluweisen. nur einige Kauf- 
ieute hatten solchen Besitz 
u Sowar zum Beispiel der am29..luii lßaüverbrannte Hochaltarder Pas- 
sauer Franziskanerkirche -von dem beruemblen Billhauer Wallburger 
zu Salzburg gemacht geweslu (BayHStA. Hochsliftsiiteralien Passau. 
Lit. Nr. 1547 r Bericht des Salzbeamlenvon St. Nikula über die Errich- 
tung eines neuenHochaitaresdurch JohannSeitzan Kurfürst Max Ema- 
nuel). Auch der 1628 aufgestellte und 1702 verbrannte Hochaiter der 
Stiftskirche Schlägt war von Waldburger geschaffen worden (P. Ever- 
mod Hager. Die Kunstdenkmlller des Stiftes Schlägl, Linz 1918. hier 
S 17 - 18). 
1' Franz Wagner. Matthäus Murrnann und die künstlerischen Beziehun- 
gen zwischen Augsburg undsaizburg in der Zeit um 1600. m1 Jb. d. Ver. 
für Augwurger Bistumsgeschichte. 17. 1983. S. 152-196. 
1' Franz Wagner, Die Salmurger Bildhauer mit dem Familiennamen 
Pernegger. in Vorbereitung. 
ß Wagner wie Anm. a. 
u P. Pirrnin Lindner OSB, Das Proreßbuch der Benediktinerabtei Mond- 
see. in: Arch. Gesch. D102. Linlt : Beilage zum Linzer Diözesanbialt). 
2. 1915. S. 133- 190. hier S. 180. 
" S0 heißt es zum Beispiel in dem mischen dem Abt von Mondsee und 
Michael Pacher am 13. Dezember 1471 abgeschlossenen Venragüber 
dieErrlchtung des Aitaresinoerwalilehrtskirchevon Shwollgang (Zlt.: 
MIÖG 33.1912. S. 481 - 482): IVOn erst ist Zu merken. das dy 1816i S01 
gemacht werden nach dem auszug und visierung, als er [Facher] uns 
hat zubracht gen Männsee IWBltGrB Beispiele bei: Hans Huth. Künstler 
und Werkstatt der Splttgotlk. Darmstadt 1957. 
5' Robert 081'181. Wandmalerei und Zeichnung in Italien - Die Antange 
der Enfwurrszelchnung und ihre monumentalen Vorstufen. in: Mitt. d. 
kunsthist. Inst. Florenz 5. 1940. S. 217 - 313. hier S. 220- 222. 
" Harald Keller. Artikel r-Bozzetton in! Reallexikon der Deutschen Kunst- 
geschichte. ii. 1948. hier S9. 1081. 
"' Oertel wie Anm. 35. hier S. 239 - 240. 
" Wagner wie Anm. 34. 
Wagner wie Anm. 15. t1lEl Regesten auf S. 15. 
Wagner wie Anm. 3. hier S. 645. 
(Wiiilbald Hauthaiered). JohannesStainheuser, Das Leben, Regierung 
undWandei. . .WoilDie1richen.gewesten Ermlschoien zu Selzburg.in1 
Mitt. G68. i. Salzb. Landeskunde 13. 1873. S. 3- 140. hier Nr. 172 auf 
S. 95; dazu Wagner wie Anm. 3. S. 544 - 645. - Zu Stainhausier: Hans 
Ospaid. Johann Stalnhauser. Ein Salzburger Historlograph des begin- 
nenden 17. Jahrhunderts (1570 - 1625). in: Mitt. d. Ges. i Saizb. Len- 
deskunde 1101111. 197011971. S. 1 - 124. 
" Wagner wie Anm. 3. hier S. 644 - 645. 
" Tliman Breuer. Stadt Augsburg ( r Bayerische Kunstdenkmaie). Mün- 
chen 1958. hier S. 44. 
" Der Kontrakt im Wortlaut zitiert in: Österr. Kunsttopographie 7, 1911, 
S. XLV - XLVi. 
4' Eduard Angermenn. Krrchenluhrer nGcliiing und seine vier Kirchem. 
Salzburg 1966. hier S. 8- 14. mit weiterer Lit. 
" Zur Literatur über die Geschichte der Farbfassung vgl: A. Ballestrem. 
Scuipture polychrome ; Bibliographie, in' Studles in Convarsation 15. 
197D, Nr. 4. - Ferner. Thomas Brachart. Die Techniken der poly- 
chromen Hoizskuiptur. in Maiteohnik-Restauro, 1972. S. 15a - 11a und 
S. 237 - 264. 
" Gudrun Retter. Die Entwicklung des österreichischen Altarbeues im 
17. Jahrhundert, Maschschr. Dlss. Unlv. Wien 1956. hier S. B5. 
" Müller wie Anm. 17, hier S. 15. 
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