MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIV (1979 / Heft 165)

kreis an der Wiener Manufaktur durchaus beliebt 
war" - nicht für eine themengleiche Figur be- 
nutzt, sondern vom Porzellanmodelleur in einen 
galanteren Themenkreis versetzt. Er bildet sie zu 
einem "Paris-i um, der den Apfel der Eris bereit- 
hält, um ihn Venus als der schönsten Göttin zu 
überreichen. Der verlorene Gegenstand in seiner 
erhobenen Linken ist wohl als gebogener Hirten- 
stab zu rekonstruieren". Ob ursprünglich eine 
Venus-Statuette als Gegenstück geplant war oder 
existiert hat, ist nicht bekannt, durch die Konzep- 
tion der Paris-Statuette jedoch sehr wahrschein- 
lich. Trotz der engen Anlehnung an Donners i-Mer- 
kuni hat die Paris-Figur genügend eigene Stilmerk- 
male, die als Anhaltspunkte bei der Suche nach ih- 
rem Modelleur dienen können. Dazu gehören der 
kräftige, relativ gedrungene Körperbau, breite 
Hände und Füße, der runde Kopf mit den kurzen, 
zu einer einheitlichen Kalotte zusammengelaßten 
Haaren und die "idealen-r Gesichtszüge mit dem 
verträumten Ausdruck. Bei welchem Modeileur 
der Manufaktur läßt sich Vergleichbares feststel- 
len? 
In den kurzen Künstlerbiographien des Wiener 
Porzellankataloges von 19704? werden mehrere 
Modelleure genannt, die neben Niedermayer in 
der Frühzeit der Staatsmanufaktur angestellt wa- 
ren: Franz Duriquet (1751l52 erwähnt), Josef 
Gmander (seit 1750), Jung (Mitte des 18. Jahrhun- 
derts), Ludwig von Lücke (1750 - 52 als Modellmei- 
ster), Johann Georg Merz (ab 1749) und Johann 
Ponhauser (bis 1754). Welche Modelle sie im ein- 
zelnen schufen, ist ungewiß, jedoch lassen sich 
die Porzellanfiguren dieser Zeit stilistisch in meh- 
rere Gruppen trennen, wie die Soldatenfiguren, die 
Wiener Kaufrufe oder die Erdteilpersonilikatio 
nen43. Eine kleine Gruppe mit sakralen Themen 
scheint von der Plastik des in Stift Heiligenkreuz 
lebenden ltalieners Giovanni Giuliani (1663- 1744) 
inspiriert, läßt sich aber bisher mit keinem der 
überlieferten Namen verbinden". Fest zu umrei- 
Ben ist einzig das Werk des 1750 mit höherem Ge 
halt als Niedermayer angestellten Johann Chri- 
stoph Ludwig von Lücke (um 1703- 1780), eines 
jener in den Keramikmanufakturen des 18. Jahr- 
hunderts so häufig anzutreffenden Wanderkünst- 
ler45. 1727-29 an der Meißner Manufaktur tätig, 
wirkte vor allem auch als Elfenbeinschnitzer. Sein 
unstetes Wesen mag ihn daran gehindert haben, 
trotz seiner Begabung in einer festen Stellung Fuß 
zu fassen, denn schon 1751 bot er in Fürstenberg 
seine Dienste an und ging 1752 nach Kopenha- 
gen". Lücke hat mehrere Wiener Porzellanmodel- 
le mit vollem Namen signiert: einen nackten Put- 
to, eine unbemalte Knabenfigur als Personifika- 
tion des Winters, eine Mädchenfigur als Personifi- 
kation des Sommers mit sparsamer unterglasur- 
blauer Bemalung, einen mit bunten Muffelfarben 
staffierten Hirschfängergriff mit Mannermaske 
und eine unbemalte weibliche Sitzfigur mit einer 
Muschel". Während die Kinderliguren und die 
Maske des Messergriffs ganz allgemein als Aus- 
gangspunkte für weitere Zuschreibungen an 
Lücke interessant sind, kommt für das Problem 
der Donner-Rezeption nur die weibliche Sitzfigur 
in Frage, die sich in der Leningrader Ermitage be 
findet. Die junge Frau mit Weintrauben im Haar 
stellt offensichtlich eine Personifikation des Herb- 
stes dar. E. W. Brauns 1914 geäußerte Vermutung 
über ihre Zugehörigkeit zu einer Jahreszeitenfol- 
gew hat sich durch vier weitere Stücke bestätigt. 
ln der Sammlung Hirth befand sich ein staftiertes, 
etwas vereinfachtes Exemplar des nHerbstesu zu- 
sammen mit dem Pendant einer Blüten emporhal- 
tenden Frau als "Frühling-ß. Das Grazer Landes- 
museum Joanneum besitzt ein Paar unbemalter 
Figuren (Abb. 13 und 14) mit Ähren bzw. aus der 
Muschel strömendem, wie gefroren aussehendem 
Wasser, die man als "Sommer- und "Wintern be- 
zeichnen könntew. Alle Figuren dieser Jahreszei- 
tenfolge von Lücke erinnern in ihrer ruhigen Pose 
und dem Frauentypus an entsprechende Gestal- 
ten von Georg Raphael Donner. Besonders deut- 
lich wird die Ähnlichkeit an den beiden unbemal- 
ten Grazer Stücken, zum Beispiel beim "Sommeru, 
dessen Bewegungsmotiv spiegelverkehrt von 
Donners Bleistatuette einer ruhenden N) 
(Abb. 15) übernommen istöl. In der Profila 
weist der w-Sommeru (Abb. 13) eine verblüi 
Übereinstimmung mit dem Kopf des Johan 
Donners Wachsrelief w-Tröstung Mariensk 
16) auf52. Durchaus mit Sinn für tiefenräui 
Werte konzipiert, gleichen die "Jahreszeit 
vielen Einzelheiten der Haarbehandlung 
Hand- und Fußformen, dem kräftigen Kör; 
und der großzügigen Modellierung der 
Statuette. Sollte nicht Ludwig von Lücke d- 
delleur des "Paris" sein? 
Ein weiteres lndiz für die Zuschreibung der 
Statuette stellt das Büstenpaar eines wein 
und eines lachenden Mannes dar, das wc 
nauer als "Heraklit und Demokritu zu ben 
ist. An dieser Bezeichnung und der Zuschri 
der Büsten an Lücke ist nicht mehr zu zw 
seit die 1757 datierten und von Lücke sigr 
Steinbüsten der beiden Philosophen des V 
and Albert-Museums 1977 publiziert wurden 
allen wesentlichen Zügen mit den Porzel 
sten übereinstimmen53. Trotz des völlig vei 
denen Sujets scheint mir vor allem bi 
Heraklit-Büste die Modelliertechnik völlig r 
des vParis-r übereinzustimmen. 
Sollte sich die These als richtig erweisen, d 
Modeileur der Paris-Statuette in Ludwig von 
gefunden ist, wäre er als der eigentliche 
der frühen Donner-Rezeption an der WiGTli 
zellanmanufaktur anzusehen. Da er als au 
deter und erfahrener Bildhauer nach Wier 
hat er wohl nie den Wiener Akademieunt 
besucht. Er näherte sich dem stilbestimm 
Phänomen der Kunst Donners auf direkte' 
indem er sich die Statuetten zum Vorbild 
Kleinplastiken also, die sich leicht in Po 
umsetzen ließen, ohne an Wirkung zu vei 
Lücke ist durch die unmittelbare Auseinani 
zung mit den Kunstwerken Donners dessen 
folge in der Porzellanpiastik am überzeugei 
gelungen. 
Anmerkungen 40-53 (Anm. 34-69 s. Texl S. 24. 25) 
1' lnv. Nr. Ov. 75 (Leihgabe der Overstolzengesellschen). Ludwig 
Schnorr von Csrolsleld-Erich Köllmarlrl. Porzellan der europä- 
lschen Fabriken Bd. l. 6.Au1lege. Braunschweig 1974. S. 192. Abb. 
139. Als Bolzano bezeichnet. 
i" Holzgruppe Höhe 15.5 cm. Figuren ce. 13cm. 
Porzellengruppe 25.5 cm. Figuren ca. 17 cm. 
Reste des Kreldegrurldes noch vorhanden. der offenbar abge- 
schnitzt. nicht abgeleugt wurde. Zum Problem der Helzmodelle 1ür 
Keramik vgl. Erich Steingräber: Ein Beitrag zur Feyerlce-Plesilk. In. 
Pentheon xvlil (1950). s. 32-34. 
3' Auktionskulnlog Gerd Rosen Nr. XXVll. Berlin. November 1955. Nr. 
1455, Abb. S. 155. Ale Bezzetto Vbn Nledermeyer bezeichnet. Höhe 
Q5 cm. Holz mit Resten alter Fassung. Ein Photo der Gruppe land 
sich lm Nachleß E.W. Brauns im Archiv des Germanischen Natio- 
nalmuseums. 
u Erike Tletze-Conrat: Unbekannte Werke von GH. Donner 
...(siehe Anm. 2) sp. 223-225 sieht einen engen Zusammenhlng 
mit den Figuren des Klosterneuhurger Merkur. des Paris in Salz- 
burg. Schloß Mirabell und des Merkur mit dem Arguskopt. Pigler 
s. 105 sieht irl der Puris-slsrueneeine Spiegelung des Klosterneu- 
burger Merkur. Die Unterschiede der Porxelian-Statuetla zum KIO- 
slerneuburger Merkur (Pigler Abb. 35) sind iadech bereits im Mer- 
kur m11 dem Arguskopl vorweggenommen. 
Von dieser Sletuette existieren mehrere Exemplare: Wien. Öster- 
reichisches Barockmllseum. in Hermennstadt (Negyazeberl). 
Szepmüvesaeti Müzeum Budapest. Kunsthisi. Museum Wien. Er- 
rrlllnge In Leningrad. Im Braunschweiger Herzog-Antorl-Ulrlch- 
Museum und lrn Germanischen Netionalmuseum Nürnberg. Vgl. 
Mrenuel Schwarz: Georg Raphael udnner. Kategorien der Plastik. 
München 19S8.S.109.Kat. Nr. 15. 
i" Am besten sichtbar bei Erika Tietze-Conrat. Unbekannte Werke 
von an. Denner...(sier1s Anrrl. 2). Abb. sp. 227. 
An der Wiener Msrrursklur existierten mindestens zwei Gruppen 
sus diesem Themenkreis. 
Die unbemalte Gruppe von 1744149 (Kit. 1070. Nr. 290). Höhe 
22.0 cm (hier Abb. a). 
Eine stnflierte Gruppe von a0 cm Höhe (Kai. 1904. Nr. soe). viel- 
leicht identisch mlt der bemalten Gruppe im Budupealer Museum 
lür Kunetgewerbe. Höhß 20 cm (Baum abgebrochen). in der Mer- 
kur Argus durch Spiel auf der Blockflöte betört (Klare Tlsnldi-Ma- 
26 
zle 
4d 
n 
u 
n: 
u 
u 
u 
A1 
likI Wiener Porzellan. 0.0 1971. Abb. 43). Der Merkur dieser 
Gruppe ist übrigens eine weitere Übernahme der -Providenlie- 
verrl Merllmarktbrunnen. 
Vgl. Donners Fleliel des eParisurteilsr- (Pigler Abb. 50) und eine 
Plakette mit Venus und einem Hirten von Mutlhlus Donner. ehem. 
Sammlung Figdor. jetzt m Berlin. Staatliche Museen Preußischer 
Kulturbesitz. Skulpturenabteilung. E. w. Braun: Beiträge zur Ge- 
schichte der Wiener Plastik im 1B. Jahrhundert. 2. Teil. In: Kunst 
und Kunsthandwerk 12 (1909). S. 197 mit Abb. 
Kai. 1970 S. 31-52. 
Kai. 1970 Nr. 203-2558. 290-295 und 314-315. 
Kel. 1970 Nr. 801 und 302. 
Folnesics-Braun 52-63 und 175-179. Zu Lücke neuerdings Aus- 
stellurlgskatalog Barockplastlk In Norddeutschland. Museum liir 
Kunst und Gewerbe Hamburg. Hamburg 1977. Kai. Nr. 246-256. 
Folnesics-Braun 17a und Ausslellurlgskatalog Barockplastlk in 
Norddeutschland (siehe Anm. 45) S. 568-570. 
e) Putto. UngedeuteteAllegorie. vielleicht mit der Forzellanherstel- 
lung zusammenhängend? Sammlung Ducret. Abgebildel bei Sieg- 
lrled Ducret: Wiener Pbrzellan. signiert von Lücke. in! Die Welt- 
kunst XXIII (1953). lien 19. s. m4. 
Eirlgeritzl: L v. Lücke. 
b) Knabe als -Win1er-. zusammen mit drei weiteren unbemalterl 
Jlhreszeitenderslellungen ehemals In der Sammlung Darmstäd- 
ler. Vgl. Kit. 1970. Nr. 367. gnalur. L. v. Lück. 
Vielleicht stammt aus dieser Serie die Figur eines unbemallen 
Knaben als d-lorhst-r? Abgebildet bei Ernst Flacher Z 1718-1968. 
250 Jahre All-Wiener Porzellan. In: Keramik-Freunde derscrlweiz. 
Mitteilungshlatt Nr. 77. .luli 1968. s. a-s. Abb. s (ohne Angabe des 
Aufbewarlrungsortes). 
Michael Newmerl: Die deutschen Pormllen-Menulekturen im 1B. 
Jahrhundert. Bd. l. Braunschweig 1977. Abb. 223. Fluher Gsllery. 
London. 
0) Mädchen als r-Scrnmere 
wlerl. Österreichisches Museum riir angawlndle Kunst. Ke 709a 
Signatur: L. V. Lücke. Km. 1970. Nr. 307. Tafel 01. 
d) Hlrschfängergrifi mit Mannermeake und Malerei In Violett und 
Kuplergrürr. Abgebildet bei siegrrled Ducrat: wlener Parzellen 
bemalt von Ludwig rrdn Lück. : Die WeltkunstXXlV (1954) Haft 19. 
S. 4. 
Signatur L. v. Lück in Violett aufgemall. 
e)weiblienesllzlieurnenebnsnrin.)lndersrrnllrrgeln Leningrad. 
Abgebildet bei E. W. Braun: Alt-Wiener Porzellan in der Kaiserli- 
 
 
u. 
u 
er 
chen Eremltagezu sl. Petersburg. In. Kunsl und Kunsthar 
(1e141s 44-45 Signatur: Ludewlg von Luck. 
ebenda S. 45. 
Colleclion Georg Hirlh. 1. Abtheilung: Deutsch Tenagra. F 
liguren des 1B. Jahrhunderts. München und Leiplig1B9i 
und S41 (Zwei Fruchtschalen). Höhe 27. Breite des S0 
Tiefe 16 cm. Abbildungen in Fronltalenslcht. 
Porzellans. ebbelirrs. Teppiche. Metellerbelten. Gemälde 
neuer Meister. Möbel und Anderes aus der Sammlung Ge 
1916. II. München 191 S, bildet eufTelel 45 als Nr. 332 beidl 
im Profil ab. 
In der gleichen Ansicht wird dns Figurenpaar (oder ein ihr 
Haar gleichendes) Im Auktionskltalcg des Budepasier E 
saums als Nr. 700111eulTatXLllabgabildetzsemmlungt 
Vay de Veje Auktionen des Ernst-Museums IV-V. Budal 
1918 
Kat. 1970 Nr. 388. Den Hinweis auf die zweite Figur verr 
Frau Dr. Genrud Smola. der Ich hier herxlich danken m 
Pigier Abb. 67. Das hier abgebildete Exempllr belinda 
Busch Fleisinger Museum. Harvard Unlversity. VgLJohrl l 
Donner Statue 01a -Res1ing Nymphe. In: Fogg An Musr 
vard University. Annual Report 1951-52. Beilage. Das gl 
emplar bei Erika Tielze-Cenrzlt: Österreichische Bami 
Wien 1920. Abb. 4B. 
Charles L. Kuhn. German Ind Natherlandish Sculpture 11 
Tlle Harvard Collectlons. Cambridgawiass.) 1965. Nr. 7B. 
Österreichisches Bareckmuseum. Lg. 7 (Leihgahe de 
münzamtes Wien). 44x57 cm. Pigler s. ss. 
Porzellanbüsten: Kat. 1970. Nr. 389 und 370. 
Steinbüsten: Ausslellungskaleleg Barockplaetik in Norl 
land. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Hamb 
Kat. Nr. 254 und 255. 
Zwel weitere Exemplare der Heraklit-Büste abgebildet 
Fischer: 1718-1968. 250 Jsbre All-Wiener Porzellan. In: 
lreurlde der Schweiz. Mittellunqeblutt Nr. 77. Juli 196a. A 
7a (enne Angabe das Aulbewahrungsortes). Vielleicht l- 
sich bei der unbemnllerr Büste um die Im Klat. 11m4. Nr 
zeichnete Büste aul hohem. kamlnartlgem Sockel. Möglil 
ist sie mi1 einem der belden1975lm New Yorker Kunsth 
gebotenen Exemplare Identisch (Ausstallurlgskelalog B 
stik ln Norddeutschland. S. 503). 
Newman (slene Anm. 47). Abb. 222. -Dle Tragödie-w. Fishi 
London.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.