Peter Kraft
Herausforderung am Strom
Das "Internationale Forum
Metall 77a und seine
Konsequenzen
Erklärende Hinweise zu Künstlern und
Objekten von Peter Baum
Das im Herbst 1977 im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes eröffnete iiForum Metallrt vereint Werke von zwölf Plastikern der interna-
tionalen Spitzenklasse. Es geht auf ein Konzept des Rektors der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung, Prol. Helmuth
Gsöllpointner und des Leiters der Neuen Galerie der Stadt Linz, Peter Baum, zurück. Als Freilichtausstellung großformatiger Skulpturen un-
serer Zeit konfrontiert das Linzer iiFuorum Metalltt auf den Donauwlesen und im Parkareal rund um das Brucknerhaus mit kompromißlosen
Beispielen zeitgenössischer Kunst. Uber die international weithin beachtete Veranstaltung gibt ein großformatiges, 360 Seiten starkes, mit
400 Abbildungen und zahlreichen Texten ausgestattetes Katalogwerk Auskunft, das von Peter Baum redigiert wurde und über die Hochschu-
le für künstlerische und industrielle Gestaltung, A-4020 Linz, Hauptplatz 8, bezogen werden-kann.
Kulturelle Stadtentwicklung geht immer in visuel-
len Stößen, also mit Maßen, gewaltsam vor sich,
mag sie dabei auch einen inneren, oberflächlich
unsichtbaren Kontinuum in der Zeit folgen. Das
war so, als babenbergische Städteplanung den
Linzer Hauptplatz als Riesenrechteck für Groß-
märkte schuf; dann später, als die Jesuiten ihren
Dom hart daran errichteten, und im weiteren Ver-
lauf, als nach Beendigung der Türkenkriege und
endgültigem Ausbleiben der Pest das Monument
der Dreifaltigkeitssaule für die Dankgebete der
Bevölkerung steinernen Ausdruck fand.
Sieht man einmal ab von der gewaltsamen städte-
baulichen Veränderung des Linzer Hauptplatzes
durch Planer und Architekten des NSFtegimes, so
waren wohl die größten Umweltveränderungen im
lnnenstadtbereich nach 1945 zahlreiche monströ-
se Leuchtreklamen an Fassaden und über Da-
chern, vor allem im Blickwinkel von der zentralen
Mozartkreuzung her. Sie bleiben freilich ohne kriti-
sches Echo der Massen.
Dazu aber kamen Hochhausplanungen nahe dem
Stadtkern, die erst mit dem Bau der Giganten
"Lentia 2000ti in Urfahr, dem Stadtteil nördlich der
Donau, einen ersten, deutlich artikulierten Unmut
der öffentlichen Meinung erkennen ließen.
Wer den Linzer Hauptplatz, diesen wunderbaren
Austragungsort städtischer Gemeinschaft seit
Jahrhunderten, von welcher Seite immer befahrt
oder betritt, kann seinen Blick vor dem Emblem
der "Nike vorl Samothrakert, steil über dem Dach
der Hochschule für künstlerische und industrielle
Gestaltung, die Einfahrt zwischen den Brücken-
kopfgebäuden beherrschend, kaum verschließen.
Er bleibt damit, ähnlich wie beim Betrachten der
zentralen Dreifaltigkeitssaule, gezwungenerweise
an einem Zeichen haften, das auf das Gesamtbe-
wußtsein aller Bürger einwirken will.
Die von der Architekten- und Designergruppe
HAUS-FlUCKEFl-CO entworfene Nike wirbt und si-
gnalisiert sowohl für das 1977 massiv begonnene
"Forum Metallit, eine Freilichtschau monumenta-
ler Metallplastiken von international bekannten
Künstlern im Donaupark, als auch für die im
Brückenkopfgebäude West in allernächster Nach-
Blick durch Flinkes i-Vertikalachsenr auf die Donau
mit den Hochbauten des neuen Linz
1 Aufbau der iiNike von Samothraker der HAUS-
FlUCKER-CO am Linzer Hauptplatz
Einheben der itHommage a Anton Brucknerit von
Eduardo Paolozzi
Arbeitsbesprechung vor dem Modell der Plastik "Strö-
mung-i von Erwin Reiter
Aufstellung der iiStrömungii Reiters
Klaus Flinke, riZwei gedachte Vertikalachsen (Lote als
Hinweise), die sich von Linz aus im Erdmittelpunkt
treffen-i. Stahlrohrpyramiden, Höhe 15 m, Chrom-
nickeirohre (Mitte) 8 in.
Instrument zur Vergegenwärtigung der Erdanziehurtgskralt in,
an iind um sich. die beiden parallel angeordneten Plastiken er-
schließen imd bestimmen den Raum. otins ihn zur Ganze ZU be
änSDfUCherl. Ihre Fskiizität lind die davon ableitbarerl Wertig-
ketten. wie eaiimtieteniing. RIUVTWGIUMBV! iiiid ldrmale Span-
fluhg, sind ebenso rur die Geßamtwlikung wichtig, wie die ga-
darlklichen Hinweise riii den Betrachter iirid die Einbindung tn
eine bestimmte landschaftliche siliiatiart.
uiawm
barschaft untergebrachte Linzer Hochschule für
künstlerische und industrielle Gestaltung. Das
Werk, das da in den Lüften schwebt, ist zunächst
einmal die detailgetreue, aber bis auf 8 Meter Hö-
he vergrößerte Reproduktion des bereits überle-
bensgroßen Originals. Dieses, Torso einer Mar-
morstatue, steht im Louvre und zeigt "Nike", die
griechische Göttin des Sieges und Tochter der
Weisheit, geflügelt aufwärts strebend, ein Werk
des barock gestimmten Hellenismus um 190 v. Chr.
und somit auch den Barockengeln des Linzer
Hauptplatzes an der Dreifaltigkeitssäule näher
verwandt, als so mancher vermuten möchte.
Die auf Aluminiumplatten gebannte, bei Sonnen-
einstrahlung blitzend lichtreflektierende Nike be
deutet Schock, Überraschung und originelle Ani-
mation für die gesamte Linzer Bevölkerung. Sie
spielt auf ein Stück Kunstgeschichte an, aber ko
piert dieses nicht, sondern setzt es auf Distanz
(wie man die Kunstreproduktion in einem Buch
aufschlägt). Dabei wird der Eindruck des Vorzei-
gens mit Hilfe eines in seiner Technologie frei
sichtbaren iinacktentt Gerüstes bewußt ange-
strebt. Dieser optische iiAufhängerii schlagt eine
suggestive Brücke hinunter zum nur wenige Geh-
minuten entfernten Donaupark, wo eine Freilicht-
schau monumentaler Metallplastiken auch hohen
internationalen Ansprüchen gerecht wird.
Neu und zielführend am "Forum Metallii 1977 war,
daß die daran beteiligten Plastiker aus ganz Euro
pa und den USA ihre bei den verschiedenen öster-
reichischen Betrieben der metallverarbeitenden
Industrie eingereichten Pläne und Werkzeichnun-
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