Krzysztof Glass
Geboren wurde er 1944 in Krakau, in einer Zeit der tief-
sten Erniedrigung und Not seines Volkes. Eine Zeit, die
er nicht vergessen kann und die seinem Wesen und da-
mit auch seiner Arbeit einen Stempel aufgedrückt hat,
den er durch sein Leben tragen wird. In Krakau studierte
er auch an der Akademie und der Universität, arbeitete
für ein Studententheater, machte Buhnenbilder und Aus-
stellungen. 1973 emigrierte er nach Wien, wo er sofort
wieder auf der Akademie das Studium aufnahm, zuerst
bei Prof. Egg Bühnenbild und seit 1976 bei Gironcoli
Bildhauerei.
In den letzten Jahren hat Glass, wie es uns scheinen
will, eine große Anzahl von Zeichnungen geschaffen. die
auf jenen oben erwähnten Stempel zurückgehend, eine
engagierte Aussage von großer Eindringlichkeit bezeu-
gen. Es sind großformatige Blätter zu literarischen Vor-
würfen (und Glass möchte noch größere Flachen mit
seinen Figuren bedeckenl), jedoch keine Illustrationen,
sondern Bilder des Glass bei oder nach der Lektüre von
Kafka oder Ödon von Horvath. immer ist es der gedemü-
tigte und verfolgte Mensch, den Glass zeigt, es sind die
Schergen der Macht, es ist die Niedertracht und Er-
bärmlichkeit, es ist der Verrat des Menschen an den
Menschen.
Glass, der schon in seiner Heimat mißverstandene
Volksgewalt kennengelernt hatte, zeichnet besonders
treffend zu Horvaths Dramen des Kleinbürgertums und
des Proletariats Szenen düsterer Zwielichtigkeit mit
schleimigen, doppelschichtigen Figuren. Auf allen die-
sen Blättern werden Menschen von Menschen gejagt,
unterdrückt. entwurdigt. Die Schlinge des Galgens ist
jederzeit bereit zugezogen zu werden. Während sich die
Mauer der "Heilt: schreienden Menge, das Zeichenblatt
diagonal teilend und doch beherrschencl, vom unifor-
mierten Parteimann über die begeisterte Lehrerin, dem
grobschlächtigen Landmann bis zum Herrn im Zylinder
aufbaut, nehmen in den Hausern dahinter bereits die
Razzien mit ersten Verhaftungen ihren Lauf.
Längst bewältigte Vergangenheit}, werden oberflächli-
che Betrachter sagen. Nein, latent unter uns vorhande-
ne Niedertracht! Denn immer noch und immer wieder
gibt es iiVolksgenossen-i, die nach dern starken Mann
rufen, immer wieder wird die iiStimme des Volkes-r laut,
die nach der Todesstrafe ruft, immer wieder werden
Menschen von Menschen ausgebeutet. Oft sehen wir
auf Glass Blättern das Antlitz von Frauen und Männern
hinter tierischen Masken verborgen. Noch steckt im
Kern der Mensch. Eingekapselt, doch um bestehen zu
konnen. urn seinen Trieben nachgehen zu können, sinkt
er ab zum Schwein, wird zum gierigen Specht, wird ein
nur dem Geschlechtstrieb sich hingebendes Häschen.
Es ist ein Gedrange und Geschiebe, wie wir es auch
heute. auch in unserer Gesellschaft nur zu gut kennen.
Und Glass will - auf seine Weise 7 dagegen ankämp-
fen! Glass zeichnet impulsiv, mit festen Konturen, und
das ist bei der Pinseltechnik. in der er arbeitet, beson-
ders bemerkenswert. Die Pinselstriche werden zu Peit-
schenhieben, hart. erbarmungslos. Es ist das Ungestüm
und die Ungeduld der Jugend, die hier geißelt. Und
doch, da und dort leuchtet in dem Getriebe verborgen,
wie abwesend schemenhaft, ein Antlitz auf, das Hoff-
nung ausdrückt, das wirklich Menschlichkeit ausspricht.
Die Umwelt, die Häuser, Straßenzüge, Geschäftsportaie
und -einrichtungen, alles, alles dreht sich um den Men-
schen und sein Handeln (wir spüren dieses Drehen beim
Betrachten der Blatterl und ist bei Glass nur Kulisse
des eigentlichen Seins,
Sicher erinnert manches an G. Groß, anderes wieder an
O. Dix, doch der junge Künstler erarbeitet sich immer
mehr und mehr eine eigene Aussage, die nicht zu über-
sehen ist. Alois Vogel
1 Odon von Horvath.
nllaltßfliSChi-l Nacht-t, 1978,
Pinselzeichnung. Ternpera
2 Krzyszlof Glass
3 Oden von Horvath.
iiltalienische Nacht-t, 1978.
Pinselzeicnnung. Tempera
4, 5 Odbn von Hurvatil,
i-Geschiohten aus dem WIE-
nerwald-t. 197a.
Pmseizeicnniing, Tempeia
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