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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXX (1985 / Heft 200)

Roland L. Schachel 
Wie ein gläsernes Meer, 
mit Feuer gemengt. 
Zu den Glaskunstwerken 
von Lydia Roppol? 
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Unter den großen Visionen unseres Jahrhunderts sind 
die von ehrlurchtigern Staunen uber die Schönheit der 
Schöpfung getragenen Entwurfe lLir die Schmückung 
unseres Planeten mit nie dagewesenen lichterfullten. 
tarbstrahlenden, glasernan Architekturen die poesie- 
vollsten 
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Zu ienerZeit, alsAbt Sugervon Saint Denisdiegotische 
KathedralealsirdischevorwegnahmeallerHerrlichkei- 
ten des ReichesGottes konzipierte und damit ieneWun- 
der an farbigem, mystischen Licht schuf, die alles über- 
trafen, was Byzanz und Ravenna bis dahin an schim- 
mernden Mosaiken geschaffen hatten, war das Glas 
kostbarer als heute und das Wagnis ungeheuer Aber 
der Glaube unseres Jahrhunderts war zu schwach, um 
tatsächlich die hervorragendsten Punkte der Erde mit 
brillanten Kristallen zu schmucken, die das Sonnenlicht 
tunkelnd widerstrahlen, den nachtlichen Gestirnen 
aber sich wie magische Ampeln zugesellen. Das 
wenige, was auf dem Wege dahin tatsächlich geschaf- 
fen werden konnte, sank im Krieg in Schutt und Scher- 
ben 
Um 1950 lebte die ldee zuerst in Frankreich wieder auf 
In Österreich war es Lydia Fioppolt, die, auf der rast- 
losen Suche nach der vollkommenen malerischen Ver- 
wirklichung des Lichtes, das Gestalten mit durchleuch- 
tetem farbigen Glas als eine ihrem künstlerischen 
Streben gemaße Moglichkeit entdeckte. Nach einge- 
hendem Studium des Lichtwunders von Chartreswagte 
sieden ersten Versuch. der ihr sofort einen ehrenvollen 
Auftrag nach Kanada und die Einladung zum Wettbe- 
werb für die Glasfenster der sogenannten VÖEST- 
Kirche in Linz-Bindermichl einbrachte. iiDa schwor ich, 
dermodernen Kunstauchjene Mystikzugeben, ausder 
die alten Kathedralen noch heute lebenir, erinnert sich 
Lydia Roppolt. 
Als der jüngsten Teilnehmerin wurde ihr mit Stim- 
meneinhelligkeit der erste Preis zuerkannt und der Auf- 
trag erteilt, dieses beispiellose Werk t956 e 1958 aus- 
zuführen 
In Linz-Bindermichl schuf Lydia Fioppolt das erste und 
bedeutendste Werk sakraler Glaskunsl in Österreich 
und einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung eines 
Jahrhunderttraumes. Sie errang damit großte interna- 
tionale Anerkennung und die Fiihrung in der Glasmale- 
rei Österreichs, in der sie in ieder Hinsicht bahnbre- 
chende Wirkung entlaltete. 
Lydia Roppolt ist die erste. die dieses in Österreich bis 
dahin nur gewerblich oder kunstgewerblich betriebene 
Metier künstlerisch zahmte und den Ausdruck dessel- 
ben sowie seine Attraktivität so bedeutend steigerte. 
daß es mit der Zeit auch andere Kunstler zu interessie- 
ren begann.Sieermöglichtedamiteinementwicklungs- 
fahigen Zweig der österreichischen Wirtschaft einen 
bedeutenden Aufschwung, und es waren ihre person- 
lichen künstlerischen Erfolge, durch die sie ihm euro- 
päische und uberseeische Wirkungsbereiche eröff- 
nete. 
Aber Lydia Roppolt ist heute die einzige Künstlerin 
geblieben, die nicht einfach ihre erfolgreichen rn 
schen Praktiken auf einen glasernen Bildträger l 
nimmt. sondern das Glas selbst 7 als Materialisie 
von Farbe und Licht 7 gerriaß seiner Eigengeset; 
keit kunstlerisch aussclidplt. Von Anfang an verwa 
daher alle auf dem Prinzip des Auftragens oder A 
gens von Farbe beruhenden Praktiken, die dort ai 
chend wirkungsvoll sind, wo nur reflektierendes 
vorhanden ist, die aberdie Transparenzdes Glase 
ben und daher dieser besonderen Materialeigens 
nicht gerecht werden Die Malerei mit Schmelzla 
oder mit Schwarzlot, besonders die vom Holzsc 
oder vom Sgraffito übernommene Methode, dii 
sarnte Glaslläche zunächst mit Schwarzlot zu ve 
kein und sodann aus dieser Schicht Lichter herai 
kratzen, sind dem Wesen des Glases voilig fremd 
gilt auch für das Atzen, bei dem die Oberflachedes 
ses autgerauht und seine Brillanz zerstort wird 
Lydia Roboolt strebt bei ihren Glaskunstwerken 
kommene Durchschienenheitir und brillante Gla 
heit an. Das Glas rnuß funkeln, blitzen, feuerspri 
die Farbe iiAusdruck einer strahlenden. überaus p 
tigen Explosionii sein. Daher konzentriert sict 
Künstlerin auf die Weiterentwicklung der alten rni 
schen Technik, bei der die eigentlich graphische f 
tion, Konturen und Binnenzeichnung zu bilden 
Fugengestaltung zukommt. 
Folgerichtig griff sie neben der traditionellen Echte 
Verglasung mit verbleiten Fugen die in Frankreict 
entwickelte Technik der rnit Beton vergessenen l 
glasfenster, als ihrem künstlerischen Wollen ent 
chend, auf und wendete sie schon 1957 in Linz-Bit 
michlerstrnalsinÖsterreich an. DieseTechnikver 
vom Künstler, der seine Vorstellung genau verwirl 
sehen will. eine starkere Prasenz am Werktiscr 
sichtlich der Fugengestaltung und eine große ges 
rische Sicherheit hinsichtlich der Farben, weil eir 
hergestellte Scheibe erst nach dem Abbinden 
Fugenbetons in der Durchsicht betrachtet we 
kann. zu einem Zeitpunkt also, da Korrekturen 
mehr möglich sind. 
Ein absolutes Farbengedachtnis gehort zu den br 
deren Begabungen von Lydia Fiopoolt Es ist dernz 
luten Gehör vergleichbar und unter Malern ebensi 
ten wie jenes unter Musikern In Verbindung mit e 
guten Zahlengedächtnisvermag Lydia Roppolt ied 
liebige Farbe mit der zugehörigen Zahl des Glas 
ments zu benennen. Infolgedessen kann sie auf la 
Kartone verzichten, und ist sie nicht auf die individ 
Farbinterpretaiion durch den ausfuhrenden Me 
angewiesen. 
Dies gestattet Lydia Fioppolt, direkt mit dem lart
	        
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