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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 106)

wie ein Konglomerat von Türmen, seine 
vage Unbestimmtheit wurde allerdings 
hauptsächlich durch eine überreiche male- 
rische und plastische Dekoration hervor- 
gerufen. 
Das Haus schien gleich alten Burgen aus 
Felsen herauszuwachsen. Das Erdgeschoß 
war anscheinend teils in Backsteinbau, teils 
aus Quadern aufgeführt, in einer Bauart, 
die damals für 12g jplixrh und gotzlrrh galt h. In 
Wahrheit war es ein verputzter Ziegelbau, 
illusionistisch bemalt mit einer phantasti- 
schen Ruinenarchitektur, die sich einer 
stilistischen Bestimmung entzieht, da sie 
aus willkürlich zusammengesetzten Ele- 
menten der verschiedensten Stile bestand. 
Fast jede Wandfläche war anders gestaltet, 
jeder Anbau mit verschiedenartigen bizar- 
ren Maßwerkfenstern versehen, doch domi- 
nierte im Erdgeschoß das Ruinenhafte, das 
gleichsam notdürftig bchausbar gemacht 
worden war. Das Obetgeschoß, in Zimmer- 
mannsbauweise aus Pfosten errichtet, schien 
aus aufgehäuften Getreidegarben zu be- 
stehen. Eine Scheinbalustrade mit Halb- 
balustern, die alternierend als Hunde und 
Katzen gebildet waren, umlief das ganze 
Stockwerk. Über den Garben erblickte man 
eine vorgetäuschte Reihe von Fässern. Das 
Dach des Oktogons war mit Horulgßaden und 
Wall); bedeckt7, an jeder der acht Ecken 
stand ein riesiger Zuckerhut; an Stelle der 
Windfahnc befand sich eine Art Maibaum, 
besetzt mit bunten Ballons und Fähnchen. 
Von den Dachecken hingen riesige Pinien- 
zapfen herunter, ebenso von den Anbauten, 
die zudem übereck mit Mascarons verziert 
waren. Die den Anbauten als Bekrönung 
aufgesetzten „Gebäude" hatten selbst ver- 
schiedenartige Hgurale Bekrönung: ein 
Männchen, eine Gemse, einen Geier; die 
Bekrönung des Vogelbauers ist nicht mehr 
feststellbar. Die Apsis an der Rückseite des 
Gebäudes hatte in Fensterhöhe vier Nischen, 
in denen Grabes-amen! standen. Diese Ni- 
schen waren von Ilierogljpheng umgeben, 
in Wahrheit sinnlose Zeichen und Figür- 
chen, die den Eindruck einer Bilderschrift 
erweckten. Darüber befand sich eine Reihe 
von vorgetäuschten Butzenscheibenfenstcrn, 
die gleich Mönchszellen mit Brettern ver- 
schlagen waren. Das aus der Apsis heraus- 
wachsende Türmchen imitierte einen Fach- 
werkbau, der über und über mit den 
grotesk geschmückten Schädeln absonder- 
licher Opfertiere behängt zu sein schien. 
Neben dem Eingang, der zwischen „Och- 
senmühle" und Festungsturm lag, war ein 
man brennende: Opferlirht um! eine auxgelöreble 
Waelnjfarkel 10 gemalt. Man betrat zunächst 
einen großen, ovalen Saal, der ein Spiel- 
zimmer votstellte. Hier befanden sich ein 
Billardtisch, Stühle und eine Uhr, alles mit 
Spielkarten, Würfeln und anderrn Spiel- 
gerät bemalt. Auch die Wände des Saals 
waren mit einer Bordüre aus Spielkarten 
verziert. Der Luster war aus Billardkugeln 
zusammengesetzt 11. Das Kabinett zur Rech- 
ten, im Anbau mit der Grotte, enthielt die 
Retirade oder das Badezimmer. Der Raum 
war belebt: ein pedanlixeber Äledieur, eine 
Kammerfrau, eine Geuuermlnte mil einem Kinzle 
und ein die Zeitung lexenrier Abhe 12 umstanden 
die Dame im Bade 13, um sie zu bedienen und 
4 Das Modell des Hauses der Laune vor der Restaurierung 
ANMERKUNGEN 6721 
6 Gzhcis. S. 181. 
1 Gaheis. s. 130; Widemann, s. 29; 0m", s. 150. 
9 Gahcis. S. 181; Widcmann, S. B9. 
9 Ebd. 
w Gahcis. S. 182; Widcmann. S. 89: „eine ausgelöschte 
Fackel 
" Gzheis. S. 18311 ("den Lustcr biidcl ßinc Zusammcnscrzung 
von allen Gattungen Ballen"); Widvmaun, s. 90; Ochler. 
s. 150 ("Billaxdkugeln"). 
I1 Gahcis. 5.1826 
I3 Widemann. S. 90. Gahcis rrwähnt die Badeszene nicht. 
N Widemann, S. 54. 
'5 Gaheis. S. 182: Ein Bude! trägt ein leeres Pudersäckchcn. 
zwcy AiTcn 1mm. die PuHerl. ein im den Spiegel, ein 
Hund den Pudermantel. ein schwarzer Budcl den Kamm. 
ein weißer das Stccknadelküssen." 
H- Qateis, 5.1113. Widcmann erwähnt das Kcnfcktzimmcr 
m: x. 
17 Gehe." . S. 18 4 Widcmanu, S. 90; Uchlcx. S. 150. 
I! 0mm 9.1 
I9 Gahcis. S. 18 Widemann. S. 91: "eine wirklich kostbare 
Kugferslichsnmmlung". 
10 G; m, s. 1x5. 
1' Widcmaxm. S. 911 Gaheis. S. 185: „In den Bücher- 
schränkcn sind auf der Rückseite der Bücher die Titel der 
neuesten und beßten Werke zu losen . . . auf dem Fuß- 
boden licgvn einzelne Blältcr und Hricfcouverlc herum. 
Der aber: Thcil ist mit Büsten vun Gelehrten besetzt . . 
	        
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