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aufnehmen und fortsetzen.
Nur die mittlere Partie der
Casula bricht sich in
eckigen Linien, und in ver-
wandter Weise stößt auch
der Saum der Albe am
Boden auf. Die Falten
sind reicher, häufiger, aber
auch schematischer, leerer.
Wie unwahr sie aber auch
wirken mögen, so bilden
sie nichtsdestoweniger ei-
nen wichtigen Stimmungs-
faktor. Sie verleihen der
persönlichen Erscheinung
etwas Gewichtiges, Patheti-
sches, wie es der Repräsen-
tanz eines Kirchenfürsten
entspricht.
Die für die erste Hälfte
des XV. Jahrhunderts be-
sonders charakteristische
Häufung von Parallelfalten
hat vielleicht ihren Grund
in dem Streben, die Weich-
heit des Stoffes naturwahr
zu bilden; in Wirklichkeit
aber entfernte sich der
Künstler mehr von der Natur
als am Ende des XIV. Jahr-
hunderts. Gerade bei der
Abb. 23. Deckplatte der Tumba des Propstes Petrus Pienzenauer in Grabplastik der ersten Hält;
der Stiftskirche zu Berchtesgaden
te des XV. Jahrhunderts
macht man häufig die Wahrnehmung, daß das zunehmende Naturstudium, das
Vertiefen in alle Einzelheiten recht eigentlich nur für das Porträt Geltung
hat. Hier bleibt der Bildhauer seinem Streben getreu bis zu einer ernsten,
fleißigen, alle Details berücksichtigenden Lösung, während er in den größeren
Gewandpartien mehr aus sich heraus als wirklich nach dem Modell arbeitet;
höchstens, daß er einzelne der Natur entlehnte Motive seinen Falten-
kompositionen einfügt. Diesen eigenartigen Widerspruch finden wir auch
beim Bildnis Zipflers. Der schematischen Durchbildung der Falten steht die
sorgfältige Behandlung des Gesichtes gegenüber. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß uns hier ein lebenswahres Porträt anblickt; wir haben das
wahr und sicher erfaßte Bild einer Persönlichkeit vor uns. Ein vollwangiges