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ginalgroße Entwurfsvorlagen für den Bilder-
schmuck des Wiener Opernhauses aus den sech-
ziger Jahren des 19. Jahrhunderts, die in den
zeitgenössischen Schloßräumen zu voller künstle-
rischer Wirkung gelangten.
Im September 1973 wurde in Schloß Grafenegg
ein von der Fritz-Thyssen-Stiftung finanziertes
und vom Österreichischen Museum für ange-
wandte Kunst veranstoltetes Symposien über den
Schloßbau des Historismus in Mitteleuropa ab-
gehalten, an dem Wissenschaftler aus Deutsch-
land, Großbritannien, Österreich und der
Schweiz teilnahmen.
Den musikalischen Höhepunkt des voriöhrigen
Veranstaltungsprogramms bildete die Aufführung
von Carl Maria von Webers Oper „Oberon" im
Schloßhof, die vom Publikum begeistert aufge-
nommen wurde. Die starke Beteiligung an dem
im Sommer 1974 durchgeführten Kinderzeichen-
wettbewerb mit dem Motto „Kinder zeichnen
ein Schloß" und dessen beachtliche Ergebnisse
beweisen, daß das romantische Schloß dem iun-
gen Menschen der Gegenwart tiefe schöpferi-
sche lmpulse zu vermitteln vermag.
Uberblickt man die letzten vier Grafenegger
Jahre, so kann man sagen, daß in das Schloß,
das sich bereits knapp vor dem totalen Verfall
befunden hatte, das Leben wieder zurückgekehrt
ist. Das Schloß hat sich nicht nur als idealer
Rahmen für die Veranstaltung von Ausstellungen
und Konzerten bereits bewährt, es hat vielmehr
als großartiges architektonisches Kunstwerk be-
wiesen, daß es auch heute noch den Besucher
anzusprechen, ia zu bezaubern vermag.
Wie es in Grafenegg nun weitergehen soll?
Man wird mit dem bisherigen Fleiß um die Fort-
setzung der Schloßrestaurierung und die Ver-
anstaltung von Ausstellungen und Konzerten
bemüht sein müssen. Das Symposien vom Herbst
1973 könnte der Anfang einer Reihe kunstwis-
senschaftlicher Fachtagungen zu den gegenwär-
tig besonders heftig diskutierten Fragen des 19.
Jahrhunderts sein. Die unbedingt wünschens-
werte Einrichtung eines Dokumentationszentrums
für die Kunst des Historismus in Österreich ist im
Gespräch.
Zahlreiche Wiener Depotstücke aus der Epoche
des Historismus harren der günstigeren Unter-
bringung in einer öffentlich zugänglichen Stu-
diensammlung und der Präsentation in Ausstel-
lungen. Hierfür bietet sich Schloß Grafenegg be-
sonders an. Sollte es gelingen, die teilweise stark
verwüsteten Prachträume im Nord- und West-
flügel wiederherzustellen und im Geiste des Hi-
starismus mit Stücken aus Museumsdepats einzu-
richten, so gewänne man nicht einfach noch ein
Schloßmuseum hinzu, sondern hätte ein Gesamt-
kunstwerk in unsere Tage herübergerettet. Ein
Gesamtkunstwerk, dessen romantische Stim-
mungsröume den Menschen der Gegenwart und
wohl auch der Zukunft zu künstlerischem Erle-
ben, Bildung, Fest und somit im besten Sinne
des Wortes zur Erholung einladen. Nicht zuletzt
der allgemein zugängliche Schloßpark mit sei-
nen zahlreichen Baumarten stellt einen wertvol-
len Erholungsbereich dar, der durch die ge-
plante Anlage eines Waldlehrpfades noch an
Attraktivität gewinnen wird.
Die Erfolge und das außerordentliche Echo in
der Öffentlichkeit, die den bisherigen Anstren-
gungen zugunsten der Restaurierung und Revita-
lisierung der Burgen und Schlösser Niederöster-
reichs beschieden waren, bestärken in der Mei-
nung, daß Burg und Schloß in Gegenwart und
Zukunft wichtige Funktionen erfüllen können. Sie
sind als Kulturgüter zu verstehen, die das Leben
unserer durch ein hohes Maß an Freizeit und
Mobilität gekennzeichneten demokratischen Ge-
sellschaft in vielfältiger Weise bereichern. Eine
im Jahre 1974 vom lnstitut für empirische Sozial-
forschung (IFES) durchgeführte Meinungsumfrage
hat ergeben, daß die überwiegende Mehrheit
der österreichischen Bevölkerung die Erhaltung
von Burgen und Schlössern und den Einsatz von
öffentlichen Mitteln für diesen Zweck grundsätz-
lich beiaht. Wie das genannte lnstitut ausführt,
verspricht „die konsequente Fortsetzung des ia
bereits eingeschlagenen Weges, Burgen und
Schlösser zu lokalen und regionalen Mittelpunk-
ten des kulturellen und Veranstaltungslebens zu
machen, eine Ausdehnung des Besucherkreises".
Das bisher Erreichte und die positive Haltung
des Österreichers zur Frage der Bewahrung und
Erschließung der Burgen und Schlösser geben
der Hoffnung Auftrieb, es werde zumindest die
Rettung der bedeutendsten unter den nach wie
vor vom Untergang bedrohten Objekten mög-
lich sein.
5 Schloß Grafenegg. Wappenstube im Nordtrakt.
Nach der Restaurierung 1974
6Schloß Grafenegg. Osttrakt. Bibliothek. Nach
der Restaurierung 1974
7 Schloß Grafenegg. Ausstellungsräume mit Blick
in die Ausstellung „Die romantische Bilderwelt
des Wiener Opernhauses", 1973: Eduard von
Engert, „Amor versucht zum ersten Mal den
Rebensaft" (links) und „Fröhlicher Reigen" (rechts)
8 Schlaß Grafenegg. Rittersaal im Nordtrakt. Nach
der Restaurierung 1974
9 Schloß Grafenegg. Raum in der Beletage des
Nordtraktes_ Gegenwörtiger Zustand vor der
Restaurierung
L1 Unser Autor:
Dr. Werner Kitlitschka
Landeskonservator für Niederösterreich
BundesdenkmalamtlHofburg
SchweizerhoflSöuIenstiege, 1010 Wien
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