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Volltext: Alte und Moderne Kunst X (1965 / Heft 83)

 
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AETRIE DER BILDENDEN KUNST ZurGruzer Minibiennale „Trigon 65" 
neirie ist die Wissenschaft von der Landvermessung. ihr Endziel isi die Stand- 
1ul1q. In ubertragenem Sinn gilt dies durn fur die Aussieilung "Trigon 65", die 
rriber in Graz erorinei wurde, Es handelt sieh um die zweite Veranstaltung dieser 
63" war mit Bomben und Granaten durchgefallen. man hatte dieser Versuchs- 
hlen einer inneren Linie und Mangel nn Qualitatsgefühl und Konsequenz vor- 
Graz. wo solche Dinge sehr ernsi genommen werden. war lTlGh nicht ohne 
wt. Konsequenzen zu ziehen; diesnidi wurde die Auswahl der Künstler aus drei 
iterreich. Jugoslawien. Italien) von drei Fachleuten geiroften: Für Österreich 
Gi-dzer Walter Koschatzky, der es zur Ehre eines Direktors der Aioeriind gebracht 
lawien war Zoran Krzisnik. Direktor der Modernen Galerie in Ldiudeh. am Werk. 
iidiiener kümmerte sich der große Umbro Apoiienio (Venedig. Bienndie). Auch 
eingeladenen Künstler war streng beschrankt es kornen pro Lorid nur fünf 
rei siidiiduer zurn Zug. 
Zuge dieser Besprechung weniger unsere Aufgabe sein. Fragen nach 
t der Werke und der Künstler zu stellen; uns geht es hier um das Mühen 
intnis dessen, was diese kleine Biennale über den „Stand der Dinge" 
lwicklung auszusogen hat: Woher kommt der Weg. wohin führt er? 
rortung wird einem nicht allzu schwer gemacht. denn Künstler und 
nd im wesentlichen glücklich aufeinander abgestimmt. Und der Weg 
' Nun. er kommt von der ,.Kunst" im herkömmlichen Sinn und führt, 
xander Doerner zu reden, in den Bereich ,.jenseits der Kunst". 
vativsten (nicht am qualitütlosesten. ganz im Gegenteil!) sind die 
:Genetisch am "ältesten" ist Krsto Hegedusic, der auch gleichzeitig 
der Älteste ist (1901). Er ist zugleich auch der Künstler. der am meisten 
rrn versteht, der sich am meisten um ein Thema kümmert. das in dieser 
bezeichnenderweise kaum angeschlagen wird; wir meinen nicht 
iicht weniger als den Menschen. der. wie die Ausstellung beweist, längst 
..Maß aller Dinge' ist. Und vielleicht ist es gerade die ..Enthumani- 
Kunst", mit der der Weg in das noch kaum erforschte Land ,.jenseits 
einsetzt. 
ist der Ben Shan Jugoslawiens. seine großformatigen Bilder sind dem 
Jlenschen. seiner Verlassenheit, seinem Alleinsein gewidmet. Es macht 
h eine Entwicklung erkennbar. die vom Banal-Sozialkritischen weg- 
unmittelbar in eine Durchlotung seelischer Zustände und Abgründe 
ic gleichsam .,Stufe 1". so steht Vladimir Velickovic bereits eine Stufe 
r liefert). Er ist der dynamischeste. aufregendste Künstler der Aus- 
allen. Stürzen, In-der-Luft-zerrissen-Werden sind die Hauptthemen 
ffens, in dem in sehr logischer und konsequenter Weise die .,Form" 
der Geschlossenheit und Autonomie des Kreatürlichen sich ins Form- 
irmel aufzulösen beginnt. Edo Murtic hat den Schritt ins Informel bereits 
ehört zur großen Zahl der Dutzendmaler. die noch vor ganz kurzer 
larkt mit ihren mehr oder minder gewalttätigen Farb- und Form- 
überschwemmten. Man sieht. daß hier ein Punkt erreicht ist, von dem 
ße der Kunst ins Nichts der Unverbindlichkeit führt. Der vierte Jugo- 
lan Mesko. versucht nicht ohne Geschick, die Pfade Paul Klees nach- 
er ist der typische "moderne Epigone". Das gilt auch von Janez Bernik, 
utlich an Dubuffet anhängt. dabei jedoch seine persönliche Meinung 
am ein untadeliges Qualitötsniveau zu wahren weiß. Hier ist der Weg 
in hier an läßt es sich demnach nur noch im Kreise gehen, 
eidenden Schritt haben die Italiener getan. Bei ihnen findet man 
ur noch einen einzigen Maler im konventionellen Sinn 7 es ist Achille 
von Campigli, aber auch von Motto herkommt. seine Leinwände in 
teckskompartimente unterteilt und mit pseudofigurativen. stark zeit- 
ritzeleien ausfüllt. Piero Dorazio ist bereits reiner Dekorateur; seine 
chmackvollen Kreationen bestehen aus sehr regelmäßig nebenein- 
ten Farbstrelfen. Rautenmustern und verwandten Gebilden. Die 
l von ..Op-Art" sind unverkennbar, treten hier aber in entschörfter 
da das Moment der Irritation völlig wegföllt. Von "Gemälden" im 
n kann man hier nicht mehr reden, Zwar ist alles echt handgemalt. 
is Prinzip des „unendlichen Rapports" herrscht. sind die gewählten 
ht mehr Ausdruck einer inneren Notwendigkeit. sie sinken zu bloßen 
herab. Da auch das expressive Moment praktisch völlig ausgeschaltet 
eint hier zum erstenmal das Land jenseits der Kunst (im herkömmlichen 
an zu sein. Ein bedeutendes Stück tiefer in diese Terra incognita führt 
elloni. dessen Leinwände durch uiitergeschobene Nägel (oder was 
in mag) sowie durch Niedernagelungen zu Tapetenausschnitten ver- 
:heinen Das ist rPinstPr sriiihnrster völlin hvniPnisrher riiirh nnistir-i 
 
aber auch (und das ist das Zukunftströchtige) vielleicht zum erstenmal die Techn 
nicht mehr Motiv und auch nicht Materiallieferant. sondern direktes Mittel di 
Hervorbringung von Kunstwerken (die freilich noch keine sind)! 
Nur am Rande verdient Lucio del Pezzo erwähnt zu werden. ein sehr stark ve 
spüteter Dada-Monteur, der Anleihen bei de Chirico in die dritte Dimensic 
umsetzt. 
Und Österreich? Es bleibt leider etwas sehr im Hintergrund. Gleich drei „lnformeli 
auf einmal sind entschieden zu viel. und außerdem ist das, was Fabian. Mikl ur 
Weiler hervorbringen, gerade angesichts des von Italien gebotenen Material 
rein vom Kunst-Modischen her völlig veraltet. Weiters fehlt den drei genannte 
Künstlern doch auch die ..Kraft an sich", die allein es fertigbröchte, auch .,jei 
seits des Stils" bleibende Werke zu produzieren. Karl Korab. ..Wiener Schülei 
der zweiten Generation, nimmt sich in der Umgebung in ihrer Gesamtheit w 
ein Anachronismus aus: seine Kunst ist von jener gepflegten und wohl auch harri 
losen Pervertiertheit, die im bürgerlichen Heim von heute in vielen Fällen eine 
gesicherten Platz eingenommen hat. Es bleibt Hermann Painitz, der ähnlich w 
Piero Dorazio eine Kunst des weitgehend purißzierten Ornaments betreibt, di 
aber nicht frei von Störungselementen als Trägern echter Aussage ist. D 
Ornamentgebilde lassen die Herkunft von Klimt mit aller Deutlichkeit hervo 
treten: es ist schwer. von Klimt nicht gefesselt zu werden. wenn man in Österreic 
lebt und schafft! Immerhin ist Painitz innerhalb der österreichischen Mannscha 
,.der" Crock schlechthin, und sein Werk war es wert, so groß herousgebracl 
zu werden. 
Die Plastik des Trigons ist im Grazer Burggarten unter prächtigen alten Böumei 
auf sattgrünen Wiesen und in einem großen Glashaus aufgestellt. Das Grün macl 
vieles gut. was andere verdorben . . . 
Bleiben wir bei den Österreichern: Man hat auch bei den Werken der Bildhaueri 
den gleichen Eindruck, der einen angesichts der Kreationen der drei malende 
lnformels beliel: Die Künstler haben sich schon vor Jahren totgelaufen. erschöpl 
in selbstaufgestellten Formeln verrannt. aus denen sie nicht - oder noch nicht - 
ausbrechen können. Avramidis produziert nach wie vor vertikal und horizonti 
gerippte und gegliederte Bronzeidole. Prantl bringt nach wie vor sorgfälti 
geglättete Menhire mit seichten Dellen hervor, Hartlauer erschöpft sich in krista 
linisierten Atompilzen (bei Reliefs in HeiIige-Drei-König-Sternen). Das alles i 
recht sauber, sehr ehrlich und auch eindrucksvoll. wenn man es zum erstenmc 
gesehen hat. Aber alle Jahre wieder... Die eindrucksvollsten Werke der Bilc 
hauerei stammen von zwei Italienern, nämlich von Valeriano Trubbiani un 
Francesco Somaini. Es sind Werke eines echt aggressiven abstrakten Expressionismu 
besonders Somainis Kreationen. die zerfetzten Granaten gleichen. vermögen z 
bestürzen und zu überzeugen. Vojin Bakic gehört zu den Blechbastlern, Ali 
Cavaliere hat sich buchstäblich in seinen metallgestrüppartigen Bildungen, i 
seinen eisernen Distelwöldern und Brombeerschlägen verfangen. Gute dekorativ 
Qualitäten sind die Nagelarbeiten von Dusan Dzamonja. sehr nobel machen sic 
inmitten der grünen Umgebung die reliefartigen Gebilde von Drago Trsar. di 
von einer ausgereiften Kunst der Oberflächengliederung und -behandlun 
zeugen. 
Alles in allem ist auch bei der Plastik der Weg in einen neuen Kunstbereich ..jer 
seits der Kunst" und auch "jenseits des Menschen" feststellbar, wenngleich di 
Leistungen in ihrer Gesamtheit nicht so überzeugend sind wie auf dem Gebiet 
dessen. das sich nur noch mit sehr relativer Berechtigung ..Malerei" nennt. 
Die hervorragend gelungene Aufstellung und den mit überreicher Dokumentatio 
versehenen, reich illustrierten handbuchartigen Katalog besorgte Frau Dr. Trud 
Aldrian. die Leiterin der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum. 
Wer sich von den Mühen des ..Trigon"-Besuches erholen will. ist eingeladen. ll 
der Neuen Galerie selbst eine Kollektive von Hans Fronius zu besuchen. 
Fronius ist nach dem Tode Kubins immer noch und nach wie vor der beste 
routinierteste, aber auch gedankentiefste und psychologisch einsichtsvollste Illu 
(Fortsetzung S. 55 unten 
19 
11. Unterrichtsminister Dr. Theodor Pilfl- 
Percevic beim Eroffnungsrundgang durch 
die Ausstellung HTFIQOH es" in Graz 
15 Lucio del Pezzo. Großer Fußboden II. 
1965. MischtechniklHolz, 13OX97cm 
16 Einblick in die Aussteltung mit Malereien 
von Janez Berriik und Gottfried Fabian 
17 Archille Perilli. Ausweitung der seeie. 
1963. TemDerciILeinwand. 160x15Drm 

	        
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