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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 3. Jahrgang 1906/07

DER 6HRTEN HM HAUSE 
Warum Tollte es denn für den modernen Künftler, der fleh mit 
dem Garten befchäftigt, eine Schwierigkeit geben, eine große 
Parkanlage berzuftellen? Es gibt keine Hufgaben in der Welt, feien 
Tie noch To klein oder noch fo groß, die, wenn Tie gut gelöft werden 
Tollen, anders als künftlerifcb gelöft werden können, nämlich auf 
jene fchöpferifche Hrt, die nicht rezeptmäßig in jedermanns Hand 
gegeben werden kann. □ 
Es ift felbftverftändlich, daß der Künftler, der einen neuen 
landfcbaftlicben Teil in feinen Garten einzubeziehen oder 
einen großen Landfchafts* und Parkbezirk anzulegen bat, durcb= 
aus regelmäßig verfährt. Ganz Holland, das weite offene Land, 
mit feinen gleichmäßig abgeteilten, von geraden Wafferftreifen 
durchzogenen Feldern und Wiefen und mit den hoben, gerade» 
gezogenen Hlleen, gleicht einer ungeheuren Gartenanlage. Die 
Hbwecbflung von Wald, Wiefen und Wafferläufen ift keinesfalls 
einer fpielerifcben Willkür anbeimgegeben, fondern entwickelt 
ficb in der freien Landfcbaft nach natürlichen Verhältniffen. Nicht 
auf dem Wege der romantifeben Stimmungsmacherei und der 
landfcbaftlicben Tbeatralik ift das Ziel zu erreichen. Mehr als 
die Leute des Faches bat der Künftler, der nach den Bedingungen 
feines Materials forfebt, ein Hugenmerk auf die natürlichen Ver* 
hältniffe, die er in den Dienft feiner Ideen ftellt. Der Landfcbaft 
gegenüber, die der Gartenkünftler als Park» oder Gartenbefil} 
einfriedet, wird er, fobald fie fern genug vom Haufe ift, mit 
jenem Refpekt begegnen, den er auch für den überlieferten Be» 
ftand alter Kunft empfindet. Deutlicher gefagt, er wird, foweit es 
irgend möglich ift, auf die Erhaltung des Beftebenden ein Haupt» 
gewicht legen. Er wird fonach weder beftebende alte Bäume 
oder Baumgruppen, noch Hecken oder überwachfene Gemäuer, 
noch alte Wege und Pfade, noch den urfprünglicben Wiefen» 
und Waldbeftand antaften, weil er mehr als die Hnbänger der 
Landfcbaftsmacherei überzeugt ift, daß in diefen alten natürlichen 
Anlagen jener urfprünglicbe Rhythmus, oder wenn man will, jener 
naive unbewußte Hrcbitekturgeift vorhanden ift, der fein eigenes 
bewußtes Schaffen leitet. Denn aus dem natürlichen Werden 
diefer landfcbaftlicben Formen, auf das unausgefe^t zabllofe Ge» 
fchlecbter eingewirkt haben, ift der menfcblicbe Einfluß zu fpüren, 
der unvermerkt überficbtlicbe Ordnung und Einheit angeftrebt 
bat. Hllerdings gefchab es niemals auf Koften der lokalen und 
territorialen Bedingungen. Niemals auf gewaltfame Weife. 
Terrainwellen, gewundene Wafferläufe und ähnliche aus der 
natürlichen Befchaffenbeit fich ergebende Verfchiebungen, geo» 
logifche Verfcbäedenbeiten, von denen die Verfchiedenbeit der 
pflanzlichen Kulturen abbängt, beftimmen im wefentlicben das 
Menfcbenwerk, von dem das Hntlitj der Landfcbaft befeelt ift. 
Huch diefe natürlichen Verfchiedenheiten kommen künftlerifcb 
in Betracht. Wer in der Natur zu feben gewohnt ift, wird bald 
bemerken, wie ftark die architektonifcbe Huffaffung dem von 
der Menfcbenarbeit beeinflußten Landfcbaftsbild zugrunde liegt. 
Einzelne, weithin fichtbare Bäume dienen der Landbevölkerung 
als Orientierungszeichen und erfüllen im Grundriß der Land» 
febaft eine geradezu architektonifcbe Funktion. Die Wege, Straßen 
und Pfade führen nach einem folchen Punkt, der eine Kreuzungs» 
ftelle bildet und es fehlte, um es unterem Sinne zu verdeut» 
lieben, gerade noch, daß die monumentale Erfcheinung des Baumes 
zur Säule würde oder zur Plaftik. Oftmals ift ein folcber Baum 
primitiv künftlerifcb ausgezeichnet durch einen Bildftock oder 
durch ein Holzkreuz. Die Wege, die heran und weiter führen, 
find zwar urfprünglicb von dem Hxiom beftimmt, daß die kürzefte 
Verbindung zwifchen zwei Punkten eine gerade ift. Hber die 
Terrainwellen zwingen fie zur Kurvenführung oder der Befit)» 
ftand von regelmäßig angelegten Feldern und Wiefen führt eine 
Brechung der geraden herbei. Huf diefem hundertfältig modi» 
fizierten Wege entfteben nach und nach jene landfcbaftlicben Zu» 
ftände, die wir als »malerifcb« empfinden. Im Grunde find fie 
architektonifcb. Niemals war ihr Entfteben von jener unange» 
nehm füßlichen Sentimentalität und Motivenjägerei beftimmt, 
die wir in der abficbtlicben, fogenannten Landfchaftskunft wahr» 
nehmen, fondern immer führte eine Notwendigkeit die Ent- 
febeidung herbei. Das urfprünglicbe Waldbild zeigt ähnliche Er» 
febeinungen. Hier flehen Bäume verfebiedener Hrt, hohe und 
niedere und Strauchwerk, Arten, die fich miteinander gut ver» 
tragen, keineswegs aber derfelben Familie angeboren. Ein 
Gegenbeifpiel zu diefem natürlichen und von dem Künftler 
refpektierten Zuftand bilden die Staatswaldungen im »geräumten« 
Zuftand, wie der Fachausdruck befagt, wo diefelbe gleiche Hrt 
von Bäumen in Reib und Glied unfagbar monoton daftebt und 
vom Unterholz pedantifch gefäubert ift. Nur einem Landfchafts» 
gärtner kann es paffieren, daß er am Rande eines folchen dürf» 
tigen Gehölzes, um Stimmung zu machen, Pfingftrofen pflanzt. 
Hier liegt ein Fall vor, wo ein »künftlerifcb« angehauchter 
Landfchaftsgärtner das »Motiv« fuebte. Das Motiv legt ftets 
die Gefahr der Willkür und der Vergewaltigung nabe. Künft« 
lerifche Hrbeit zeichnet fich ftets dadurch aus, daß fie zweck- 
volle Notwendigkeit zu betonen und zu adeln fucht. 
Nach diefem Grundfat) haben auch die Engländer ftets in 
den weitläufigen, vom Haufe fernentrückten Parkbezirken und 
freien Landfchaftsgebieten verfahren. Sie haben nach der ur 
fprünglicben Befchaffenbeit der Landfcbaft unter Beibehaltung 
alter Pfade und Wege, die in der Regel unter den gegebenen 
Umftänden die zweckvollfte Löfung darftellen, benützt, um nach 
der vorhandenen Dispofition die Spazierwege, Reit» und Fahr» 
alleen anzulegen, die niemals ohne Not in Kurven geben, Kurven 
und Biegungen dort beachtet, wo fie durch Terrainverfcbieden- 
beiten und andere ältere Anlagen bedingt waren, fie haben an 
hochgelegenen oder ausficbtsreicben Punkten Husficbtswarten, 
Garten» und Waldbäufer angelegt, die alle in der Regel von 
vornherein durch Wege verbunden waren, wie immer in der 
offenen Landfcbaft folche architektonifcb ebarakteriftifebe Punkte 
eine Wegverbindung unterhalten, fie haben ftattlicbe einzelne 
Bäume oder Baumgruppen mit Si^bänken verfeben und ihre 
natürliche Funktion als Rubepunkte dadurch betont. Huf diefe 
Hrt kommt ein planvolles Gefüge zuftande, in dem ficb in natür» 
lieber, verhältnismäßig ungezwungener zweckdienlicher Form 
Wiefenflächen, Waldbeftände, Bäume und Baumgruppen, Waffer» 
gefälle, Verbindungswege, Hlleen, Reit», Fahr» und Spazierwege, 
Ruhebänke, Husfichtsftellen, Warten und Pavillons zu einem 
organifcb übereinftimmenden, abwecbflungsreicben und wenn 
man will, »malerifcben« oder »motivenreicben« Bild, das im 
Grunde aber regelmäßig, ftreng architektonifcb, gegliedert ift, 
vereinigen. Wie immer bei folchen Hnlagen, bei alten Ritter» 
gütern und Landfcblöffern erfichtlich, gravidiert diefer landfcbaft« 
liehe oder parkmäßige Umkreis feiner Hnlage nach in der Richtung 
zum Herrenfit}, wo er an den befchnittenen Hecken des eigent 
lichen mehr oder weniger weitläufig angelegten Hausgartens in die 
ftrenge Gebundenheit des Hrcbitekturgedankens übergebt. L. 
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