DER 6HRTEN HM HAUSE
Warum Tollte es denn für den modernen Künftler, der fleh mit
dem Garten befchäftigt, eine Schwierigkeit geben, eine große
Parkanlage berzuftellen? Es gibt keine Hufgaben in der Welt, feien
Tie noch To klein oder noch fo groß, die, wenn Tie gut gelöft werden
Tollen, anders als künftlerifcb gelöft werden können, nämlich auf
jene fchöpferifche Hrt, die nicht rezeptmäßig in jedermanns Hand
gegeben werden kann. □
Es ift felbftverftändlich, daß der Künftler, der einen neuen
landfcbaftlicben Teil in feinen Garten einzubeziehen oder
einen großen Landfchafts* und Parkbezirk anzulegen bat, durcb=
aus regelmäßig verfährt. Ganz Holland, das weite offene Land,
mit feinen gleichmäßig abgeteilten, von geraden Wafferftreifen
durchzogenen Feldern und Wiefen und mit den hoben, gerade»
gezogenen Hlleen, gleicht einer ungeheuren Gartenanlage. Die
Hbwecbflung von Wald, Wiefen und Wafferläufen ift keinesfalls
einer fpielerifcben Willkür anbeimgegeben, fondern entwickelt
ficb in der freien Landfcbaft nach natürlichen Verhältniffen. Nicht
auf dem Wege der romantifeben Stimmungsmacherei und der
landfcbaftlicben Tbeatralik ift das Ziel zu erreichen. Mehr als
die Leute des Faches bat der Künftler, der nach den Bedingungen
feines Materials forfebt, ein Hugenmerk auf die natürlichen Ver*
hältniffe, die er in den Dienft feiner Ideen ftellt. Der Landfcbaft
gegenüber, die der Gartenkünftler als Park» oder Gartenbefil}
einfriedet, wird er, fobald fie fern genug vom Haufe ift, mit
jenem Refpekt begegnen, den er auch für den überlieferten Be»
ftand alter Kunft empfindet. Deutlicher gefagt, er wird, foweit es
irgend möglich ift, auf die Erhaltung des Beftebenden ein Haupt»
gewicht legen. Er wird fonach weder beftebende alte Bäume
oder Baumgruppen, noch Hecken oder überwachfene Gemäuer,
noch alte Wege und Pfade, noch den urfprünglicben Wiefen»
und Waldbeftand antaften, weil er mehr als die Hnbänger der
Landfcbaftsmacherei überzeugt ift, daß in diefen alten natürlichen
Anlagen jener urfprünglicbe Rhythmus, oder wenn man will, jener
naive unbewußte Hrcbitekturgeift vorhanden ift, der fein eigenes
bewußtes Schaffen leitet. Denn aus dem natürlichen Werden
diefer landfcbaftlicben Formen, auf das unausgefe^t zabllofe Ge»
fchlecbter eingewirkt haben, ift der menfcblicbe Einfluß zu fpüren,
der unvermerkt überficbtlicbe Ordnung und Einheit angeftrebt
bat. Hllerdings gefchab es niemals auf Koften der lokalen und
territorialen Bedingungen. Niemals auf gewaltfame Weife.
Terrainwellen, gewundene Wafferläufe und ähnliche aus der
natürlichen Befchaffenbeit fich ergebende Verfchiebungen, geo»
logifche Verfcbäedenbeiten, von denen die Verfchiedenbeit der
pflanzlichen Kulturen abbängt, beftimmen im wefentlicben das
Menfcbenwerk, von dem das Hntlitj der Landfcbaft befeelt ift.
Huch diefe natürlichen Verfchiedenheiten kommen künftlerifcb
in Betracht. Wer in der Natur zu feben gewohnt ift, wird bald
bemerken, wie ftark die architektonifcbe Huffaffung dem von
der Menfcbenarbeit beeinflußten Landfcbaftsbild zugrunde liegt.
Einzelne, weithin fichtbare Bäume dienen der Landbevölkerung
als Orientierungszeichen und erfüllen im Grundriß der Land»
febaft eine geradezu architektonifcbe Funktion. Die Wege, Straßen
und Pfade führen nach einem folchen Punkt, der eine Kreuzungs»
ftelle bildet und es fehlte, um es unterem Sinne zu verdeut»
lieben, gerade noch, daß die monumentale Erfcheinung des Baumes
zur Säule würde oder zur Plaftik. Oftmals ift ein folcber Baum
primitiv künftlerifcb ausgezeichnet durch einen Bildftock oder
durch ein Holzkreuz. Die Wege, die heran und weiter führen,
find zwar urfprünglicb von dem Hxiom beftimmt, daß die kürzefte
Verbindung zwifchen zwei Punkten eine gerade ift. Hber die
Terrainwellen zwingen fie zur Kurvenführung oder der Befit)»
ftand von regelmäßig angelegten Feldern und Wiefen führt eine
Brechung der geraden herbei. Huf diefem hundertfältig modi»
fizierten Wege entfteben nach und nach jene landfcbaftlicben Zu»
ftände, die wir als »malerifcb« empfinden. Im Grunde find fie
architektonifcb. Niemals war ihr Entfteben von jener unange»
nehm füßlichen Sentimentalität und Motivenjägerei beftimmt,
die wir in der abficbtlicben, fogenannten Landfchaftskunft wahr»
nehmen, fondern immer führte eine Notwendigkeit die Ent-
febeidung herbei. Das urfprünglicbe Waldbild zeigt ähnliche Er»
febeinungen. Hier flehen Bäume verfebiedener Hrt, hohe und
niedere und Strauchwerk, Arten, die fich miteinander gut ver»
tragen, keineswegs aber derfelben Familie angeboren. Ein
Gegenbeifpiel zu diefem natürlichen und von dem Künftler
refpektierten Zuftand bilden die Staatswaldungen im »geräumten«
Zuftand, wie der Fachausdruck befagt, wo diefelbe gleiche Hrt
von Bäumen in Reib und Glied unfagbar monoton daftebt und
vom Unterholz pedantifch gefäubert ift. Nur einem Landfchafts»
gärtner kann es paffieren, daß er am Rande eines folchen dürf»
tigen Gehölzes, um Stimmung zu machen, Pfingftrofen pflanzt.
Hier liegt ein Fall vor, wo ein »künftlerifcb« angehauchter
Landfchaftsgärtner das »Motiv« fuebte. Das Motiv legt ftets
die Gefahr der Willkür und der Vergewaltigung nabe. Künft«
lerifche Hrbeit zeichnet fich ftets dadurch aus, daß fie zweck-
volle Notwendigkeit zu betonen und zu adeln fucht.
Nach diefem Grundfat) haben auch die Engländer ftets in
den weitläufigen, vom Haufe fernentrückten Parkbezirken und
freien Landfchaftsgebieten verfahren. Sie haben nach der ur
fprünglicben Befchaffenbeit der Landfcbaft unter Beibehaltung
alter Pfade und Wege, die in der Regel unter den gegebenen
Umftänden die zweckvollfte Löfung darftellen, benützt, um nach
der vorhandenen Dispofition die Spazierwege, Reit» und Fahr»
alleen anzulegen, die niemals ohne Not in Kurven geben, Kurven
und Biegungen dort beachtet, wo fie durch Terrainverfcbieden-
beiten und andere ältere Anlagen bedingt waren, fie haben an
hochgelegenen oder ausficbtsreicben Punkten Husficbtswarten,
Garten» und Waldbäufer angelegt, die alle in der Regel von
vornherein durch Wege verbunden waren, wie immer in der
offenen Landfcbaft folche architektonifcb ebarakteriftifebe Punkte
eine Wegverbindung unterhalten, fie haben ftattlicbe einzelne
Bäume oder Baumgruppen mit Si^bänken verfeben und ihre
natürliche Funktion als Rubepunkte dadurch betont. Huf diefe
Hrt kommt ein planvolles Gefüge zuftande, in dem ficb in natür»
lieber, verhältnismäßig ungezwungener zweckdienlicher Form
Wiefenflächen, Waldbeftände, Bäume und Baumgruppen, Waffer»
gefälle, Verbindungswege, Hlleen, Reit», Fahr» und Spazierwege,
Ruhebänke, Husfichtsftellen, Warten und Pavillons zu einem
organifcb übereinftimmenden, abwecbflungsreicben und wenn
man will, »malerifcben« oder »motivenreicben« Bild, das im
Grunde aber regelmäßig, ftreng architektonifcb, gegliedert ift,
vereinigen. Wie immer bei folchen Hnlagen, bei alten Ritter»
gütern und Landfcblöffern erfichtlich, gravidiert diefer landfcbaft«
liehe oder parkmäßige Umkreis feiner Hnlage nach in der Richtung
zum Herrenfit}, wo er an den befchnittenen Hecken des eigent
lichen mehr oder weniger weitläufig angelegten Hausgartens in die
ftrenge Gebundenheit des Hrcbitekturgedankens übergebt. L.
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