DIE THRAKISCHE
KUNST ZUR ZEIT DER
SAGENHAFTEN
KÖNIGE
(SPÄTE BRONZEZEIT,
1600-1200 V. U.Z.)
◄ 69/70
In den griechischen Sagen verflicht
sich die Geschichte der achäischen
Könige von Mykene mit der der
thrakischen Könige, was viele, welche
die Odyssee und die Ilias für eine der
Quellen zur ältesten Geschichte der
um das Ägäische Meer lebenden
Völker halten, veranlaßt hat, auch die
Kultur, die sich uns in Thrakien
offenbart, jenen Thrakern zuzuwei
sen, die in den Sagen erwähnt
werden.
Zur Zeit des Orpheus, Marons oder
Diomeds, dessen Pferde die Fremden
zerrissen, beherrschte Troja den Hel-
lespont, östlich von Troja lag das
Land der Hethiter, westlich, im süd
lichen Makedonien, das der Phryger.
Die Skythen und die Päonen hatten
sich damals noch nicht in Mittel
rußland und in Makedonien nieder
gelassen.
Während dieser immer noch wenig
erforschten Zeit unterschied sich das
Leben der thrakischen Stämme nicht
stark von dem der übrigen Völker
auf der nördlichen Balkanhalbinsel.
Die am weitesten verbreitete Kunst
war die Töpferei, in der ein ferner
Einfluß Mykenes spürbar ist, doch
unterscheidet sich die thrakische Ke
ramik von der mykenischen sowohl
ihrer Form wie ihrem Dekor nach. Die
Gefäße sind recht schwerfällig und
mit eingeschnittenen und mit einer
weißen Paste inkrustierten Ornamen
ten verziert (62 — 68). Das gleiche
gilt von den Gefäßen in Vogelform
und den Idolen, welche - wie die
mykenischer Frauenfiguren - die Form
einer Frau in langem Gewand haben
(58-61). Diese klaren ornamentalen
Eigentümlichkeiten entdecken wir
wieder zu beiden Seiten des west
lichen Balkans und der Karpaten
sowie in einigen Gebieten am Mittel
und Unterlauf der Donau. Im Süden
und Osten Thrakiens hat die Keramik
ähnlichen Charakter, ist aber primi
tiver, wie die Kultur in diesen Ge
genden überhaupt, was vielleicht auf
das im Nordwesten zum Unterschied
vom Süden und Osten ruhigere Leben
zurückzuführen ist.
In dieser Epoche waren die Bronze
waffen der Thraker jene, die man in
der ganzen Donauebene findet, wo
das zweischneidige Schwert mit sehr
langer Klinge üblich war. Bekannt war
auch das Rapier mit kreuzförmiger
Griffstange, das man auch als Hieb
waffe benutzen konnte. Die in Thra
kien gefundenen Rapiere zeigen die
selbe Qualität der Ausführung wie die
in Griechenland entdeckten und wur
den lange Zeit für aus Mykene ein
geführt gehalten. Aber abgesehen von
den Thrakern und Griechen gemein
samen Gegenständen aus der homeri
schen Zeit hat die thrakische Kunst
oft lokalen Charakter, wie Gußformen
für Bronzewaffen, die in der Pobit-
Kamäk-Flur bei Razgrad gefunden
wurden, beweisen (49 — 54). Die
Vollkommenheit der Verzierung zeigt,
daß sie für thrakische Heerführer
bestimmt waren und deckt auf, bis zu
welcher Vollkommenheit die Bronze
schmiede ihre Technik entwickelt hat
ten, um die Ansprüche der Oberschicht
zu befriedigen. Anderseits bezeugen
diese Gußformen, die höchstwahr
scheinlich vergraben worden waren,
den Einbruch einer Völkerschaft in
Thrakien, die sicherlich keine so voll
kommenen Dinge besaß.
Die Verarbeitung von Bronze, wie
wir sie hier finden, stellt den Gipfel
einer schon sehr fortgeschrittenen
Technik dar. Manche in ähnlichen
Formen gegossene Gegenstände sind
in anderen Orten Thrakiens anzu
treffen, was die Existenz einer lokalen
Kunst bezeugt. Ein anderer Schatz,
der Goldschatz von Välciträn, beweist
noch größere handwerkliche Meister
schaft nicht nur im Treiben und Metall
guß, sondern auch im Ziselieren.
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SCHWERT
Bronze. L 63 cm
Orjahovo
Späte Bronzezeit (1500-1200 v. u. Z.)
Archäologisches Museum Sofia,
Inv.-Nr. 3020
Nördlicher Typ
Nicht veröffentlicht
44
SCHWERT
Bronze. L 63,5 cm
Bajkal, Bezirk Pleven
Späte Bronzezeit (1500-1200 v. u. Z.)
Archäologisches Museum Sofia,
Inv.-Nr. 20
Nördlicher Typ
Lit.: R. Popov, Edinicni nahodki ot
bronzovata i halstatskata epoha, IBAD III,
S. 292
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