Einleitung
Wien 1924—1926: „Pulsierendes Leben. Tau
sende von Lichtern. Als junger Kunststudent bei
Professor Bernd Steiner wanderte ich beseeit
auf der Ringstraße, aufgeschlossen für alles
Neue und Schöne. Ich erblickte ein Plakat auf
einer Litfaß-Säule. Zwei Posaunenbläser kündig
ten das .Musik und Theaterfest der Stadt Wien'
an. Ich glaubte meinen Augen nicht. So ein neu
artiges und wirkungsvolles Plakat hatte ich noch
nicht gesehen. Eifrig suchte ich nach dem
Name des Künstlers: Binder. Das war meine
erste Begegnung mit dem Werke eines großen
Künstlers.
In dieser Zeit erschienen die ersten Plakate von
Joseph Binder. Sie waren neuartig in der Auf
fassung, losgelöst vom .Jugendstil' und anderen
damaligen Kunstrichtungen. Sie kündigten den
Beginn der neuen Sachlichkeit, klar in Linien,
harmonisch in den Farben und mit meisterhaf
tem Können ausgeführt. Oft standen wir Kunst
studenten bewundernd vor Binders Plakaten. Die
außerordentlich suggestiv wirkenden Plakate
waren eine Sensation. Ein großer Künstler hat
seine ersten Werke präsentiert, und schon hat
er damit einen führenden Platz in der Geschichte
der modernen Gebrauchsgraphik errungen.
New York 1955: Nach vielen Jahren gebrauchs
graphischer Tätigkeit in europäischen Groß
städten, ging ich im Jahre 1955 nach Amerika.
Nachdem ich New York einige Wochen bestaunt
und ein wenig kennengelernt hatte, wollte ich
den berühmten Binder aufsuchen, um ihn per-