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den konnte. Taubes und sein Cousin hatten an
dere Pläne, und Taubes überließ uns in generö
ser Weise das Atelier. Carla, meine zukünftige
Frau, erhielt freie Bahn für ihre Tätigkeit
und sehr viel Arbeit, das Studio von neuem auf
zubauen. Der Anfang war erleichtert, durch ihre
Verbindung entwarf ich eine Reihe von Buch
titeln für den Rikola-Verlag in Wien, darunter
einen für das erste Egon-Schiele-Buch. Ich er
innere mich daran genau: seine Signatur in
schwarzer Farbe über die ganze Fläche auf
einem grünen Flintergrund, so intensiv, wie ich
es nur farbig erfassen konnte.
Der Ausstellungskatalog der Internationalen
Kunstbuchausstellung in Leipzig im Jahre 1927
brachte meinen Namen: ,,Österreich: Josef Bin
der, Buchumschlag-Entwurf.“
Mit der Zeit halfen mir Assistenten bei meiner
Arbeit. Lois Gaigg, er verunglückte zu Ende des
Zweiten Weltkrieges. Einige meiner jüngeren
Mitarbeiter sind im Krieg gefallen. Einige leben
in Amerika, einige leben in Wien, ich traf sie und
Berufskollegen bei den Zusammenkünften des
BOEG.
Ich ließ in meinem Atelier Schriftübungen ma
chen, späterhin auch Aktzeichnen. Es war üblich,
die 12 Bogen-Plakate in Originalgröße auszu
führen, sie spannten sich über eine ganze Wand
des Ateliers. Die Vergrößerungen wurden mit
einem Netz gemacht, der Schriftentwurf handaus-
geführt. Typeservice gab es nicht. Wenn die
druckreife Ausführung eines Plakates fertig ge
stellt war, arrangierten wir, was dem Opening
einer Kunstausstellung gleichkam. Mitarbeiter
des Ateliers wanderten mit dem Plakat-Original
in einer Rolle und mit einer Leiter voraus, von
dem Auftraggeber gefolgt, in eine ruhige Seiten
straße mit einer großen Plakatwand, wo unser
neues Werk angeschlagen wurde. Wir vergnüg
ten uns an dem Vergleich mit den danebenhän
genden Plakaten. Stolz.
Für die Bensdorp Schokolade Companie in Wien
modernisierte ich den Schriftzug „Bensdorp“ als
Schutzmarke, die auch für die Schirme der Ver
kaufsstände in den Straßen — die erstmalige
Anwendung einer Reklame dieser Art - ver
wendet wurde. Die weißen Schirme mit der roten
und blauen Markenschrift belebten in angeneh
mer Weise das Straßenbild. Auch als Ware war
die ,,Bensdorp-Rippe“ eine Neuheit und eine
der ersten populären Angebote des Luxusarti
kels Schokolade.
Nach meiner Heirat, Mai 1924, veränderte ich
einen Teil des Ateliers für unsere Wohnräume.
Ich entwarf jedes Stück der Möbel, die Sessel
schon damals mit zurückgestellten Füßen; der
Holzart der Furnier wurde die größte Auf
merksamkeit gegeben. Ich entwarf die Be
schläge, die Lampen, Bilder- und Spiegelrah
men. Die Schirme der Stehlampen wurden mit
den neuesten Seiden der „Wiener Werkstätte“
überzogen. Ich verwendete Halbkugeln aus
Chromstahl für die Basis der Lampen, Schal
ter und Klingeln; sie mußten alle einen roten