ZUR GESCHICHTE DES ORIENTALISCHEN TEPPICHS. 9
die diese Teppiche verfertigt haben. Es ist eben die primi¬
tivste aller Textilverzierungen, die Streifung, wie wir sie
auch an den Costümen der Orientalen offenbar in Folge
einer atavistischen Neigung noch heute mit Vorliebe zur
Schau getragen sehen. Die Einzelmotive innerhalb der Streifen
sind rein geometrisch oder stark stilisirt; bezeichnender-
massen sind die darunter befindlichen Thierfiguren nicht die
alten historischen — Löwe im Kampf mit dem Stier, der
Pfau u. s. w. —, sondern die den Menschen umgebenden
Hausthiere: Pferd, Ziege, Kameel.
Ist nun dieses System der Teppichornamentik wirklich
ein ursprüngliches, primitives? Waren die Gegenden, in
denen die teppichknüpfenden Nomaden heute wandern, vor¬
mals nicht von reichen Culturvölkern bewohnt, und ist ein
Rest dieser Cultur nicht auch in die Erzeugnisse der heutigen
Nomaden eingedrungen?
Diese Zweifel erledigen sich dadurch, dass die heutigen
Nomaden nach den wesentlichen Bestandtheilen ihres Volks¬
thums nicht die in primitive Verhältnisse zurückgesunkenen
Nachkommen der früheren Culturvölker, sondern hauptsäch¬
lich türkische Stämme sind, die erst in verhältnissmässig
später Zeit aus Hochasien eingewandert sind und aus dieser
ihrer Heimat ihre Sitten und Lebensgewohnheiten, und auch
ihre Künste im ursprünglichen Zustande mitgebracht haben.
Daher die überaus originelle Erscheinung, die z. B. die
Teppiche der Teke-Turkmenen darbieten (Nr. 132). Dagegen
ist das Bild, das uns die Teppiche der Kaschkai-Nomaden
gewähren, schon ein ganz anderes. Das primitive geometrische
Ornament findet sich zwar auch an diesen in der Form des
sogenannten Aschkali-Musters (Nr. 64). Dagegen haben sie
das Palmwipfelmuster (Nr. 69) zweifellos aus dem älteren
persischen Kunstfonds entlehnt.
Ein etwas vorgeschritteneres System der Flächen¬
verzierung erscheint bewerkstelligt durch die rechtwinkelige