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de Saxe eine grössere Solidität bei, wohingegen im zweiten Falle
eine delikatere und feinere technische Ausführung zu ersehen sei.
Aber nicht nur im sächsischen und böhmischen Erzgebirge und
an der bairischen Grenze entlang wurde die Spitzenfahrikation,
wie eben angedeutet, mit Schwung betrieben, sondern auch im
nördlichen Deutschland liessen, nachdem in Folge des Edicts von
Nantes zahlreiche französische Industrielle aus Alengon und aus
anderen Districten der Spitzenfabrikation sich genöthigt sahen,
den heimathlichen Boden zu verlassen, namentlich in Hamburg,
Berlin, Hannover, Leipzig, Anspach, Elberfeld sich diese in grosser
Zahl nieder, denen es durch Fleiss und Umsicht in wenigen
Jahren hei dem massenhaften Verbrauch von Spitzen in da-:
maliger Zeit gelang, auf deutschem Boden die Spitzenindustrie
ergiebig zu machen und zur hohen Blüthe zu bringen. Diese
französischen Flüchtlinge, welche namentlich von dem „grossen
Churfürsten“ als Künstler geehrt und mit besonderen Freiheiten
ausgestattet, in den alten preussischen Provinzen Aufnahme fanden,
brachten in kurzer Zeit ansehnliche Reichthümer zusammen und
gelang es denselben, den Export von Spitzen nach Russland,
Polen und den Skandinavischen Reichen von Norddeutschland
aus auszudehnen. Diese Spitzenmanufacturen im nördlichen
Deutschland, gegründet von französischen Auswanderern, ahmten
mit besonderer Vorliebe jene mit der Nadel gearbeiteten und auf
dem Kissen geklöppelten Spitzen nach, wie sie in Frankreich hin
sichtlich der Dessins Mode waren und wie sie besonders von den
Industriellen in Brüssel und Mecheln angefertigt zu werden pflegten.
Wie gross die Vorliebe für Spitzen war und wie eine krankhafte
Sucht bis zur Mitte des XVII. Jahrhunderts in den höhern Ständen
Deutschlands vorherrschte, die Profankleider mit allem möglichen
Spitzen werk zu garniren, lässt sich nicht nur entnehmen aus den
vielen in der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts gemalten
Porträts, deren Obergewänder mit einer Fluth von allen mög
lichen Spitzentouren überdeckt sind, sondern auch aus den inte
ressanten Briefen des anglikanischen Bischofs Douglas von Salisbury,
der zum Jahre 1748 unter anderem berichtet, dass um diese
Zeit die Leipziger Studenten in den Strassen der ebengedachten
sächsischen Universitätsstadt die Vorübergehenden um ein Almosen