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Volltext: Altdeutsche Kunst im Donauland

EINFÜHRUNG 
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werden, so spridit daraus derselbe Geist, der an den Portalen und an der Galerie des 
hohen Turms oder in den Glasfenstern der Herzogskapelle bei St. Stephan statt 
Heiligenfiguren die eigenen Vorfahren und den Stifter selbst darstellen ließ. 
Um die Wende des 14. Jahrhunderts findet diese Epodie ihr Ende. Der allgemeinen 
Wandlung gemäß, die damals in der ganzen abendländisdien Welt das Bürgertum zum 
kulturellen Träger werden ließ, ging audi in der Ostmark die Bedeutung des Herrscher 
hauses und des Hofes stark zurück. Schon die Zeit, welche man in der Kunstgeschichte 
der Lyrik ihres Ausdrucks und der fließenden Zartheit ihrer Formen wegen die Epodie 
des weichen Stils zu nennen pflegt, läßt das in ihren späteren Werken erkennen. Die 
schöne Maria aus Inzersdorf (Oberdonau) ist ein prächtiges Beispiel dafür. 
Gegen 1430, als in Florenz die Frührenaissance sich durchgesetzt hat, wird auch im 
Norden, zunächst in den Niederlanden, ein neues Verhältnis zur Wirklichkeit gesucht. 
Freilich bleiben hier die Aufgaben für den Künstler zumeist weiterhin dieselben wie 
im Mittelalter. In einem viel ausschließlicheren Grad als in Italien ist fast alles — 
nicht nur gegenständlich — religiöse Kunst. Aber die Anschaulichkeit nimmt wesent 
lich zu. 
Damals hat sich im Donauland, in Wien und Wiener-Neustadt eine bedeutende 
Malerschule entwickelt. An ihrem Anfang steht der Meister, der nach dem kleinen 
Täfelchen mit der Anbetung des Kindes in unserer Ausstellung getauft worden ist. In 
seine Werkstatt traten um 1420 zwei jüngere Maler ein. Der bedeutendere von ihnen, 
Hans von Tübingen, ist von den späteren Zwanzigerjahren an in Wiener-Neustadt als 
Meister ansässig gewesen. Der andere, dessen wirklichen Namen wir noch nicht kennen, 
w'ird, nach zwei Bildern gleichen Gegenstandes von seiner Hand, Meister der Dar 
bringungen genannt. Beide zeigen ihrem Lehrer gegenüber eine natürlichere Welt. Die 
Figuren stehen fester am Boden, sind kräftiger gebaut und haben mehr Raumfreiheit. 
Die Gewänder sind stofflicher und das Licht und die Farben erhöhen die Rundung der 
Körper. Doch unterscheiden sich die beiden in einer sehr bezeichnenden Weise. Hans 
von Tübingen, der aus Schwaben Eingewanderte, hat seiner Heimat nicht nur die 
Kenntnis des im Westen entwickelten neuen Stils zu danken, sondern auch ein anderes 
Stammestemperament. Alle seine Schöpfungen zeigen dramatischere Darstellungen mit 
vielen lebhaften Personen: Daneben erscheinen die Gemälde des gewiß bodenständigen 
Dabringungsmeisters, der mit Vorliebe die freundlichen Szenen des Marienlebens wählt 
und wenige Figuren breit und ruhig nebeneinanderstellt, sanft und behaglich. 
An diese Meister knüpft ein jüngerer Maler an, den man nach seinem Hauptwerk, 
einem von König Albrecht I. oder seiner Gemahlin in die Kirche am Hof gestifteten 
Marienaltar den Albrechtsmeister nennt. Auf ihn hat, wohl auf dem Weg über die 
Ulmer Werkstatt Hans Multschers, schon die neue niederländische Malerei eingewirkt. 
Die plastische Härte der Gestalten, die bauschiger sich brechenden Falten der Gewänder 
und die Stilleben auf manchen Tafeln des Altares sind Beweis dafür. 
Man hat die Vermutung ausgesprochen, daß dieser Maler zugleich auch der Bild 
schnitzer des einstigen Freisinger Hochaltares gewesen sei, der fast zugleich, 1443, in 
Wien bei Jakob Kaschauer bestellt worden ist. Die großartige Marienstatue zeigt gewiß 
enge Verwandtschaft mit den Bildern. Ihr Schöpfer ist der bedeutendste Repräsentant 
des Donaulandes in der großen Generation, die Deutschland Johann Gutenberg, den 
Erfinder des Buchdrucks, und eine Reihe bedeutender Maler, wie Konrad Witz und 
Hans Multscher, geschenkt hat.
	        
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