Paul McCarthy, Sailor's Meat
(Matrosenfleisch), 1975
Paul McCarthy, Assortment, Trunks (Auswahl, Truhen),
1973-83. Sammlung Tom Patchett, Los Angeles
Körperflüssigkeiten - Samen und Blut - nach. McCarthy er
weiterte die mystisch ritualisierten Traditionen von Mühl und
den Wiener Aktionisten, bis eine Art grotesker Horrorfilm ent
stand, den man American Populär Culture betiteln könnte.
In den siebziger und achtziger Jahren setzte sich McCarthy,
dessen Wurzeln in der alles beherrschenden Medienkultur von
Los Angeles gründeten, durch abartiges Verhalten, das kei
nen über es hinausgehenden politischen, kulturellen oder psy
chologischen Zweck verfolgte, mit der Idee von Künstlichkeit
und Show auseinander. Für seine Performances schuf er nicht
selten androgyne Charaktere, die er auf Video präsentierte -
lange, bevor in den neunziger Jahren das Groteske und Wider
wärtige in Mode kam. Von 1974 bis 1983 und in geringerem
Umfang auch danach arbeitete er ganz oder teilweise nackt
mit einer Reihe von Requisiten wie Rasierapparaten (mit denen
er sich rasierte, bis er blutete), Brötchen, Würstchen und sei
nen eigenen Genitalien. Barbara Smith beschreibt eine von
McCarthys Performances, in der »er Ketchup trinkt und sei
nen Mund mit Würstchen vollstopft, immer mehr, so daß es
unmöglich scheint, daß noch etwas hineingeht. Dann wickelt
er sich Mullbinden um den Kopf und noch mehr Würstchen
dazwischen und klebt schließlich seinen vollgestopften
Mund zu, so daß die hervorquellende Masse aussieht wie eine
Schnauze. Mich überkommt unwillkürlich ein Würgen. Ersteht
da und kämpft dagegen an, sich zu übergeben.«“
In den folgenden Jahren benutzte McCarthy Puppen, Perücken,
Unterhosen, Vaseline, Steine, Gl-Joe-Puppen, Football-Hel
me, falsche Brüste, Prothesen von weiblichen und männlichen
Geschlechtsteilen und andere Requisiten für Performances wie
Sailor's Meat, Grandpop, Pig Man (1980) und Popeye (1983).
Nachdem diese Requisiten wiederholt zum Einsatz gekom
men waren, begrub er sie schließlich in einer Reihe von Kisten,
die er in der Manier eines post-minimalistischen Denkmals oder
eines Grabmals aufeinanderstapeite. Dies war als Hommage
an sein Jahrzehnt extrem abstoßender Performances gedacht.
Die Bestattung dieser Objekte eines Gemischs aus Faszina-
83 Barbara Smith, LAICA Journal, Januar 1979, S. 46.
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