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Peter Noever
out of actions?
Zum Thema
Erstmals wird in der im MAK Wien gezeigten Aus
stellung der Versuch unternommen, eine Zusammen
fassung aller Bereiche der Aktionskunst und ihrer
vieltältigen Künstlergruppen zu präsentieren. Was
allen gemeinsam ist, ist der Versuch einer radikalen
Erweiterung des modernen Kunstbegriffes hin zu
einem offenen Kunstbegriff, der auch alle nachkom
menden Künstlergenerationen nachhaltig beeinflußt
hat, als ein zentraler Ausgangspunkt ausschlagge
bend für neue Definitionen und Entwicklungen ist und
auch für zukünftige Künstlergenerationen sein wird.
Um so mehr wird uns dabei bewußt, daß diese irritie
renden und konsequent durchgeführten Aktionen bis
heute nichts von ihrer Wirkung eingebüßt haben.
Denn es sind dieselben Dialoge und Überlegungen,
die uns auch jetzt beschäftigen.
In unserer multimedialen und vom Konsum geprägten
Gesellschaft haben wir die Nähe zu den Dingen längst
verloren. Wir umgeben uns mit den Symbolen und
Äußerlichkeiten einer Zeit, die die Initialzündung für
viele Strömungen in Musik, Theater, Film, Literatur
etc. mit sich gebracht haben.
Die gebündelten Energien haben sich wie ein Lauf
feuer über die ganze Welt verbreitet. Gerade die Viel
falt der Proteste und Widerstandsbewegungen ist es,
die sich in den unterschiedlichen Positionen der
materiellen Manifestationen dieser Ausstellung wider
spiegelt.
Auch wir leben in einer Epoche der unterschwelligen
Konventionen, und es scheint mir, daß wir die Zeit
herbeisehnen, in der Menschen ohne Rücksicht auf
Verluste radikal für eine Sache eingetreten sind.
Die Sehnsucht nach Veränderung - nach besseren
Lebensbedingungen -, nach der Verwirklichung des
Ideals einer multi-kulturellen Gesellschaft und der
Befreiung aus der Zweiklassengesellschaft - all jene
Themen, die sich im Grunde in den vergangenen
Jahrzehnten nicht wesentlich verändert haben, blei
ben bis heute hochgesteckte Ziele, die in den Werken
bedeutender Künstler von Jackson Pollock bis
Joseph Beuys, von den Wiener Aktionisten bis zu
Shözö Shimamoto und Rebecca Florn, um nur einige
zu nennen, so provozierend und prägnant, so faszi
nierend und symbolhaft ihren Ausdruck gefunden
haben.
Vieles liegt auf der Hand, aber dennoch gibt es noch
zahlreiche unentdeckte und widersprüchliche Wahr
heiten, wenn es darum geht, die brisanten Werte der
sechziger und siebziger Jahre auf ihre Beständigkeit
angesichts heutiger Ziele und Ideale hinsichtlich
kunst-, kultur- aber auch sozialpolitischer Ent
wicklungen und Anschauungen zu überprüfen.
Man hat zuweilen das Gefühl, daß die in den
Sechzigern freigesetzten Energien und Aggres
sionen durchaus auch noch in unserer Zeit an der
Schwelle zum neuen Jahrtausend eine immer größere
Rolle spielen können. Durch das Zusammentreffen
nonkonformistischer künstlerischer Ausdrucksformen
mit Mitteln des politischen Widerstandes entstanden
einige der für die Weiterentwicklung der zeitgenössi
schen Kunst ausschlaggebenden Werke unseres
Jahrhunderts.
Die vorliegende Präsentation out of actions bietet ein
breitgefächertes Spektrum dieser internationalen
Künstlerbewegung und setzt sich mit äußerst indivi
duellen Kunstproduktionen aus den unterschied
lichsten Ländern und Kulturkreisen auseinander.
Viele Eindrücke aus dieser Zeit sind uns geläufig:
Studentenunruhen in den USA und Europa, ins
besondere auch in Deutschland und Frankreich,
Rassendiskriminierung, Frauen- und Bürgerrechts
bewegung, Proteste gegen den Vietnamkrieg usw.
Diese Bilder, die wir via TV direkt ins Wohnzimmer
geliefert bekamen, prägen nachhaltig unsere Erin
nerungen aber auch unser Verhalten. Ein direkter
Informationsaustausch war durch die immer größer
werdende TV-Gesellschaft erstmals möglich. Jeder
konnte auf seine Weise an den Aktionen oder
Protesten teilhaben.
Es galt, die Welt zu verändern - und die Künstler
haben mit ihren Ideen, Aktionen und Aufrufen direkt in
diese Auseinandersetzungen eingegriffen (Motto:
»Aufklärung durch Aktion«).
Zunächst ging es um eine rein künstlerische
Emanzipation, um den Wunsch, mit den herkömm
lichen Strategien zu brechen und nach neuen Aus
drucksformen zu suchen.
Doch die zunehmende Brisanz der weltweiten politi
schen Krisen und Proteste hat eine revolutionäre
Aufbruchstimmung bewirkt, der sich auch die
Künstler nicht entziehen konnten, deren Aktionen
schon bald weit über den ästhetischen Raum hinaus
in den politischen wirksam waren.