Saburö Murakami, Boru de kaita sakuhin (Werk, das
durch das Werfen eines Balls gemalt wurde), 1954.
Privatsammlung
Überschriften und Zusammenfassungen auf englisch,
ein deutlicher Hinweis darauf, daß die Zeitschrift sich
auch an Leser außerhalb Japans richtete. Shiryu Mori-
ta verfolgte dieselbe Strategie mit seiner Zeitschrift
Bokubi, die mit französischen Texten erschien. Es ist
interessant, daß es zu dieser Zeit zwei Zeitschriften aus
der Kansai-Region gab, die bewußt die Kommunikation
mit anderen radikalen Denkern auf der Welt suchten und
an Künstler und Kritiker in anderen Ländern geschickt
wurden. Nach dem Tod von Jackson Pollock fand man
die zweite und dritte Ausgabe von Gutai in seinem
Atelier, es ist jedoch ungeklärt, wie er dazu kam.'f Die
zweite Ausgabe stellte neben Arbeiten von Kindern Wer
ke vor, die mit Hilfe chemischer Reaktionen entstanden
waren, die dritte beschäftigte sich mit der ersten Open-
Air-Ausstellung der Gutai-Gruppe, von der noch die
Rede sein wird. Die dritte Ausgabe enthielt außerdem
Kazuo Shiragas radikalen Aphorismus zur Aktion, jedoch
nur auf japanisch, so daß es unwahrscheinlich ist, daß
Jackson Pollock direkt davon beeinflußt wurde. Man
sollte den Einfluß der Zeitschrift dennoch nicht unter
schätzen - durch die vielen Abbildungen und den eng
lischen Text waren die frühen Aktivitäten der Gruppe
leicht nachzuvollziehen.
Die erste Ausgabe von Gutai erschien 1955 und stellte
Werke der achtzehn Gründungsmitglieder vor, über
raschenderweise handelte es sich dabei aber meist um
gemäßigte abstrakte Malerei. Doch Yoshihara, der als
äußerst anspruchsvoller Lehrer galt, hielt die jungen
Künstler dazu an, etwas völlig Neuartiges zu schaffen.
Nicht wenige der ursprünglichen Gründungsmitglieder,
und interessanterweise gerade die Künstler, die auf der
Malerei als ihrem bevorzugten Ausdrucksmedium be
händen, verließen die Gruppe schon bald wieder.
An ihre Stelle traten die vier Mitglieder der Gruppe Zero
(Zerokai) - Kazuo Shiraga, Saburö Murakami, Atsuko
Tanaka und Akira Kanayama. Sie hatten ursprünglich
einer akademischen Künstlerorganisation angehört,
dann aber mit zunehmender Radikalität eine separate
Gruppe mit dem Namen Zero gegründet. Festzuhalten
ist allerdings, daß alle vier ihre eigenen unverwechsel
baren künstlerischen Vorgangsweisen bereits entwickelt
hatten, als sie Gutai beitraten. 1954 hatten sie in
4 Francis V. O'Connor, E. Victor Thaw (Hrsg.), Jackson Pollock:
fit Catalogue Raisonne ofPaintIngs, Drawings, and Other Works,
New Haven 1978, Bd.4, S.197.
;,is
den Schaufenstern eines Warenhauses in Osaka eine
Ausstellung inszeniert, bei der Shiraga sein Bild mit den
Füßen »malte«, Murakami einen farbgetränkten Ball an
eine Leinwand warf und Kanayama ein Bild austeilte, das
sich einer sehr vereinfachten Form Mondrianscher Ab
straktion bediente. Kontakte zu anderen jungen Künst
lern des Gutai bestanden bereits, und bald danach
schlossen sich die Künstler auf Geheiß Yoshiharas der
Gutai-Gruppe an. Mit dem Beitritt dieser vier Künstler
erhöhte sich das radikale Potential der Gruppe deutlich.
Diese Radikalität war erstmals im Juli 1955 in der »Expe
rimentellen Freiluftausstellung Moderner Kunst zur Her
ausforderung der Sengenden Sonne des Hochsommers«
(Manatsu no taiyo ni idomu yagai modan ato jikken ten)
am Ufer des Flusses Ashiya zu spüren. Sponsor dieser
wegweisenden Open-Air-Ausstellung war die Ashiya
City Art Association, in der Yoshihara vertreten war. Im
Mittelpunkt der Ausstellung, in der sich bereits die
Ankunft der Aktions- und Objektkunst ankündigte, stan
den die Mitglieder des Gutai: Ein axtschwingender
Kazuo Shiraga errichtete einen Kegel aus rotbemalten
Holzklötzen; Saburö Murakami zertrampelte und zerriß
einen hingeworfenen Bogen Teerpappe; Atsuko Tanaka
breitete ein rosafarbenes Leintuch auf dem Boden aus;
Sadamasa Motonaga, ein neues Mitglied, das sich der
Gruppe zu diesem Anlaß angeschlossen hatte, hängte
Plastiktüten mit buntgefärbtem Wasser an die Bäume,