190
Joseph Beuys, unterrichtend, 1968
gegenüber. Bei allen inhaltlichen und formalen Differenzen
zwischen den Aktionen der Wiener Künstler und jenen von
Beuys sind doch auch die strukturellen Gemeinsamkeiten der
entwickelten performativen Formen augenfällig. Die Aktionen
haben einen quasi-dramaturgischen, ritualisierten Aufbau, der
auf das Interesse des Künstlers an einer narrativen Objekt
sprache verweist. Im Zentrum des anthropozentrischen
Kunstwerks steht eine ausgesprochen subjektivistische Posi
tionierung des Künstlers. Bei Beuys, Nitsch oder Schwarz
kogler geschieht dies beispielsweise in der Form eines Spiels
mit dem magischen Gestus, bei dem der Künstler die Pose
des Schamanen oder Priesters einnimmt. In den Aktionen von
Brus wiederum wird der Körper zur stellvertretenden Projek
tionsfläche unterbewußter kollektiver Potentiale und damit
zum Ausdruck eines Opfergestus. Ebenfalls gemeinsam ist
ihnen - und dies gilt auch für die Position von Monastyrskijs
Gruppe »Kollektive Aktionen« - der Anspruch auf eine ka-
thartische, heilende Funktion der Kunst und die Positionierung
des Künstlers als antithetisches, ja tragisches Subjekt im Zen
trum des Kunstwerkes. Dieser Umstand verweist auf eine ge
sellschaftspolitische Komponente, die sich bei Beuys in sei
nem Interesse an politischen Projekten und in seiner Dialog
bereitschaft, beziehungsweise der Idee der »Sozialen Plastik«
ausformte. Dem haben die Wiener Aktionisten eher gesell
schaftspolitisch isolierte und auch dementsprechend be
kämpfte Alternativmodelle hinzugefügt: seien es die anarcho-
agitatorischen Aktionen von Brus, Mühl, Wiener und Weibel,
das exterritoriale Kuitareal des Orgien-Mysterien-Theaters
Nitschs oder die am Aufeinanderprallen von idealistischer
Geschlossenheit und politischer Realität gescheiterte »akti
onsanalytische« Utopie der Kommune Friedrichshof, die von
Otto Mühl und seinen Freunden Anfang der siebziger Jahre
gegründet wurde. Der in diesen Positionen sichtbar werden
de Projektisolationismus der Wiener Künstler repräsentiert
jedenfalls die Identitätsproblematik der österreichischen
Nachkriegsgesellschaft. Im konkreten politischen Ansatz von