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Ereignisse in der deutschen Vergangenheit verweist, die auch
das Leben Beuys’ entscheidend bestimmt haben.
In der Tat steht das Werk Beuys’, gerade durch die Komple
xität seiner politischen Vision, in einer für den Einigungs- und
Friedensprozeß der europäischen Wirklichkeit zentralen und
fast symbolischen Position. Durch die Aufhebung kultureller
Isolatlonsschranken ist nunmehr eine vergleichende Betrach
tung seiner Position mit jener der Wiener Aktionskünstler und
mit Monastyrskijs Gruppe »Kollektive Aktionen« möglich
geworden, wobei letztere in diesem Text stellvertretend für die
Situation der performativen Kunst im ehemaligen Ostblock
steht. Aus dieser Sichtweise ergibt sich eine betont europäi
sche Dimension der Kunst, die sich von der amerikanischen
sowohl in den historischen Wurzeln als auch In den Inneren
Strukturen prinzipiell unterscheidet und eine emanzipiertere
Sicht auf diese spezifische Entwicklung nahelegt.
Das Gesamtwerk von Beuys ist ein klar ausgearbeiteter und
formulierter Modeilfall des Verhältnisses von Gestus und
Objekt, von performativem Akt und Kunstobjekt. 1967 wurde
im Städtischen Museum Mönchengladbach unter dem Titel
»Parallelprozeß I« die erste homogene Ausstellung seiner im
eigentlichen Sinn plastischen Werke eröffnet. Dabei wurden,
losgelöst vom Aktionskontext, zum Großteil die Gegenstände
und Installationen gezeigt, die in den seit 1963 realisierten
Aktionen verwendet worden waren. Heute sind die Objekte
zentraler Bestandteil des Im Darmstädter Museum gezeigten
Beuys-Blocks. Diese große Installation darf nicht verändert
oder auseinandergenommen werden und definiert sich so als
ganzheitliches Repräsentationsobjekt des Beuyssohen »er
weiterten Kunstbegriffs«. Der Künstler betonte durch einen
solchen Schritt den Werkcharakter der nunmehr in Vitrinen
oder freien räumlichen Kombinationen präsentierten Gegen
stände und bietet durch diese Konzeption ein strukturelies
Koordinatenfeid, das für eine ganze Generation von deut
schen Künstlern, von Franz Erhard Walther über Klaus Rinke,
von Jochen Gerz bis Anna und Bernhard Blume, Im Sinne
einer beinahe reflexartigen Reaktion prägend war.
Im Zentrum der Arbeit dieser Künstler steht der performative
Gestus und die Thematislerung der Beziehungen des Körpers
als Subjekt oder als objektiver Bedeutungsträger zur jeweils
Individuell erlebten und gestalteten gesellschaftlichen Wirk
lichkeit. Dem ganzheitlichen Erlösungskunstwerk von Beuys
wird nunmehr eine analytisch-investigative Perspektive
gegenübergestelit und damit die Kunst von der magischen
Dimension wieder in eine aufklärerische Konzeption der
künstlerischen Selbstbescheidung zurückgeholt. Ein Mecha
nismus, dem in der österreichischen Entwicklung In gewisser
Weise die Unterschiede zwischen den Positionen der Aktioni-
sten und jenen von Weibel, Export und West entsprechen. Es
geht In den Arbeiten der hier genannten Künstler grundsätz
lich nicht mehr um den erweiterten Ideologischen Kunst
begriff, sondern um einen partiell entldeologislerten erweiter
ten Werkbegriff, Dies mag als kritischer Reflex auf die Homo
genität des Gesamtwerks von Joseph Beuys zu deuten sein.
Dem als zu geschlossen kritisierten Ansatz wird in den Wer
ken vieler Mitglieder der ihm nachfolgenden deutschen
Künstlergeneratlon - wie beispielsweise bei seinem Schüler
Blinky Palermo oder auch bei Polke - ein Konzept des meß
baren, beziehungsweise freien Handelns hinzugefügt. In
diesem Sinne ist vor allem Franz Erhard Walthers emanzlpa-
tives Kunstverständnis als expliziter Gegenpol zu deuten.
Einer ikonographisch vom Künstler festgelegten Kunst-