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David Medalla, Porcelaine Wedding (Porzellan-Hochzeit), 1974 
turmhohe Gebilde bestand aus 30.000 panatone oder 
Rosinenbrötchen, wie sie in Argentinien zu Weihnachten alle 
Leute essen. Auf ein Signal hin erschienen sechs Feuerwehr 
autos mit ausgefahrenen Leitern, umringten den Obelisken 
und verteilten die Brötchen an das Publikum. »Wenn du den 
Mythos ißt, entheiligst du den Mythos. Du bringst den alten 
Mythos zum Einsturz, um Raum für den neuen Mythos zu 
schaffen«, sagte die KünstlerinMan kann auch jene alten 
Mythen wiederholen, die selbst bereits Erneuerung bedeuten 
- wie zum Beispiel die traditionellen Karnevalsriesen, die als 
Symbole für die Sorgen der Menschen zunächst durch die 
Straßen getragen und dann oft feierlich verbrannt, zerstört 
oder anderswie beseitigt werden. 
Eine Betrachtung der partizipatorischen oder kollektiven 
Experimente, die zur gleichen Zeit (oder etwas später) in 
Großbritannien entwickelt wurden, wird zeigen, was diese in 
ihrem Kampf um die Befreiung der Kunst aus den institutio 
nalisierten Schranken mit den argentinischen und brasiliani 
schen Werken gemeinsam hatten, aber auch, worin einige 
bezeichnende Unterschiede bestanden. 
David Medalla sah seine partizipatorischen Arbeiten als 
direkte Weiterentwicklung der kinetischen Experimente, die er, 
wie zum Beispiel die Bubble Machines (1964), in den sechzi 
ger Jahren durchgeführt hatte. Ihn reizten der Verzicht des 
Künstlers auf Kontrolle, die Unterordnung unter den Zufall und 
das Walten-Lassen von Naturkräften, die über die künstleri 
sche Entscheidung hinausgingen. Wenn die Schöpfungs 
metapher in den Bubble Machines auch biologisch war, so 
gab es doch keinen Grund, warum man diese wuchernde 
Zellstruktur nicht auf die soziale Sphäre, d. h. auf die Energien 
und Phantasien der Menschen übertragen sollte. Obwohl er 
schon In der sechziger Jahren Jahren Performances machte. 
verspürte Medalla das dringende Bedürfnis nach einem 
Objekt oder einer Installation, die Vorübergehenden und zu 
fälligen Begegnungen gegenüber offen war und kreative 
Energien innerhalb von kontemplativer Zeit und Raum bün 
deln konnte. 
A Stitch in Time (1968), Porcelaine Wedding (1974) und 
Eskimo Can/er (1977) waren die Ergebnisse. Im Verlauf der 
Zeit wurde es vermutlich sogar einfacher, die fließende und 
komplexe Produktionsmetapher zu erkennen, von der diese 
Experimente Zeugnis ablegen. 
In Porcelaine Wedding legte sich ein nacktes Paar hin, ihre 
Körper wurden von den anderen Teilnehmern mit Ton 
bedeckt. Man verzierte den Ton mit linearen Mustern und 
schnitt ihn in kleine Rechtecke, die dann gebacken und mit 
Zwirn verbunden wurden, so daß Gewänder entstanden (ähn 
lich wie die Totengewänder aus Jade, die man kürzlich in 
China ausgegraben hat). 
Als Vorspiel zur symbolischen Hochzeit wurden Besucher ein 
geladen, in Anspielung auf die sieben Tage der Schöpfung 
kleine Tonskulpturen als eine Art '>Gabe« anzufertigen. 
Porcelaine Wedding kann auch als die phantastische Parodie 
einer Zeichenklasse, die ein lebendes Modell malt, gesehen 
werden. Die Beziehung zwischen »Künstler« und »Modell« 
wurde durch das spielerische, kollektive Handauflegen und 
das Formen des Kunstmaterials direkt auf dem Körper neu 
belebt. Dadurch wurde das Element der kalten, beobachten 
den Distanz ausgelöscht und gleichzeitig in der liebevollen 
Verbindung des Ehepaars durch die Hochzeit verschmolzen. 
Die Totenhemden venwandelten sich in Lebensvermittler. In A 
Stitch in Time wurden die Menschen eingeladen, alles, was 
sie wollten, auf große Baumwolltücher zu sticken. Das Werk 
wurde immer anders installiert und füllte den Raum mit einem 
lockeren, an eine Hängematte erinnernden Gebilde, das aus 
25 Ibid.
	        
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